Léo Delibes
DER KÖNIG HAT’S GESAGT
Le Roi l’a dit
 

Die Handlung

Ort und Zeit:                         Versailles, zur Zeit König Ludwig XIV

Der Lieblingspapagei von Madame de Maintenon war entflogen.
Der Marquis de Moncontour hatte die Ehre und Freude, diesen wieder einzufangen. Zum Dank dafür verwendet sich Madame bei Hofe für den Marquis und stellt ihn König
Louis XIV. vor. Als der König das Wort
an ihn richtet, ist der Marquis so verwirrt, dass er sich verhaspelt und
erklärt, einen Sohn zu haben. Tatsächlich hat er vier Töchter. Um vor
dem König nicht als Lügner dazustehen, adoptiert er kurz entschlossen
den jungen Bauern Benoît und stellt diesen dann bei Hof als seinen
Sohn vor.


Benoît genießt sein Leben am Hof und gibt dort den „Grandseigneur“.
Da er aber allerhand derbe Streiche inszeniert, zweifeln immer mehr Leute
an seiner adeligen Herkunft. Um seine vier Stiefschwestern zu befreien, die
in der Strenge eines Klosters erzogen werden, legt er eines Tages Feuer an
den Klosterbau. Dieser Streich geht zu weit - und überdies entgleist er völlig.
Die komplette Klosteranlage fällt den Flammen zum Opfer. In der Folge
muss sich Benoît einem Duell stellen. Als er dabei verletzt wird, nimmt der Marquis de Montcour dies zum Anlass, seinen „Sohn“ für tot zu erklären.


König Louis XIV. versucht, die Trauer des Marquis zu lindern und erhebt
ihn mit allen Ehrenritualen in den Fürstenstand. Zur Feier bekommt Benoît
die bezaubernde Chimène zur Ehefrau. Mitten im Jubel der Anwesenden
fällt der Vorhang.

 

Champion de lyrique dans la scène joyeuse
Parallel, beinahe konfrontativ zur Hochblüte der französischen Grand-Opéra entstand seit Beginn des 19. Jahrhunderts, ausgehend vom Opern-Mekka Paris, das Genre der französischen großen lyrischen Oper - genannt Drame lyrique
(= Opéra-Lyrique). Darin
ist die äußerliche Operndramatik der prunkvollen Szenarios mit pathetischen Attiüden, zentralen Chor-Tableaus und orchestraler Überwältigung von Halévy und Meyerbeer stark zurückgenommen - zu Gunsten der Ausformung von Seelenkonflikten, in denen sich die Hauptfiguren befinden. Es dominieren empfindsame, auch sentimentale Stoffe. Wie in der Opéra-Comique sind viele Werke dieser Kategorie mit Balletten verbunden. Ihre Form- und Klangsprache ist ganz vom Melos geprägt. Nicht wenige repräsentative, bis heute populäre Beispielwerke entlehnen ihre kompositorische Manier und melodien-sinnliche Wirkung dem klassischen Belcanto, dessen Hochblüte sich ebenfalls im vorrevolutionären Paris entfaltete. Als Meister der Opéra-Lyrique haben die Komponisten Ambroise Thomas, Charles Gounod und Jules Massenet Ruhm und Bühnenpräsenz bewahrt. Zu dieser Gruppe gehört auch der ganz vom ‚Style-Lyrique‘ geprägte Léo Delibes.

Léo Delibes (oder Clément Philibert Léo Delibes) - * 21. Februar 1836 in Saint-Germain-du-Val (Sarthe) - † 16. Januar 1891 in Paris - zählte mit einpräg-samer Melodik, rhythmischer Brillanz und funkelnden farbigen Orchestrierun-gen zu den beliebtesten Bühnenkomponisten der Romantik. Er belebte vor allem das Ballettrepertoire, so wie seit seinem Landsmann Rameau niemand mehr. Er trat aber auch mit Opern hervor. Daneben schuf er Kirchenmusik und Lieder. Der Sohn eines Postboten und einer musisch begabten Mutter studierte seit 1848 am Pariser Conservatoire, unter anderem bei François Benoist (Orgel) und bei dem Opernmeister Adolphe Adam. Er arbeitete als Organist an verschiedenen Kirchen, dann als Korrepetitor am Théatre Lyrique. 1865 wurde er zweiter Chor-direktor an der Grand-Opéra. Sein Debüt als Bühnenkomponist hatte er bereits 1855 mit der einaktigen Operette Deux sous de charbon gegeben. Dem 34jährigem gelang 1870 dann der ganz große Wurf: mit seinem Ballett Coppélia nach E.T.A. Hoffmann. Es galt sogleich (und bis heute) als maßstabsetzende, zeitlos gültige Ballettkomposition. Wenige Jahre später folgte mit Sylvia (1876) eine eben-bürtige Leistung.

Seine Stellung an der Oper gab Delibes 1872 auf. Seit 1881 war er als Professor für Kompositionslehre am Pariser Conservatoire tätig. Am 14. April 1883 fand
an der Pariser Opéra-Comique die Uraufführung seiner Oper Lakmé statt, die weltweit die Spielpläne der Opernhäuser eroberte. 1884 wurde der Komponist zum Mitglied der Académie des Beaux-Arts gewählt. Seine Grabstätte liegt auf dem Pariser Friedhof Montmartre. Delibes beeinflusste Komponisten wie Tschajkovsky, Saint-Saëns, Debussy. Auf das Ballett Sylvia bezogen, soll Pjotr Tschajkovsky von seiner Betörung durch diese „charmante“ Musik gesprochen haben. Hätte er Sylvia nur gekannt, fügte er angeblich hinzu, hätte er seinen Schwanensee nicht gewagt.

Zentrale Werke von Léo Delibes waren:

-   La Source, Ballett, 1866 (bearb. als Naila, die Quellenfee)
-  
Coppélia ou La Fille aux yeux d’émail, Ballett, 1870
-  
Le roi l’a dit, Opéra-comique, 1873
-  
Sylvia ou La Nymphe de Diane, Ballett, 1876
-   Nivelle, Opéra-comique, 1880
-  
Lakmé, Opéra-comique, 1883
-   Kassya, Opéra-comique (vollendet von Jules Massenet / 1893)

Léo Delibes - Portrait von Louise Abbéma

Der Lyriker im Schelmenfach
Zehn Jahre nach seinem bleibenden Repertoirestück, der lyrischen Operntragödie Lakmé, exakt zwischen seinen Welterfolgs-Baletten Coppélia und Sylvia, setzte der brillante Melodiker und Instrumentiker Delibes einen recht eigenen, im Blick auf sein Gesamt-werk auch überraschenden Akzent: als Schöpfer einer Opéra-Comique, die eigentlich dem Genre der Opéra-Bouffe zuzurechnen ist - nahe bei und wohl auch ein wenig animiert durch den Großmeister dieser Musikbühnen-Confiseries: Jacques Offenbach.
Le Roi l’a dit ist eine Art musikalische Salonkomödie in der Struktur der klassischen Opéra-Comique = Sprechdialoge mit Couplés, Duetten, Ensembles, gemischt mit Elementen aus Opéra-Lyrique und Opérette. Der Plot ist eine der vielfach üblichen witzigen Schelmereien aus der Konfrontation höfischer und adlig-(klein)bürgerlichen Klassenunterschieds-Welten. Die Pointen ergeben sich aus Missverständnis, Notlüge, Exaltation, Irrwitz und finaler Versöhnung. Der Komponist bringt seine variantenreiche Meisterschaft als Melodiker, Rhythmiker und Kolorist in heiter-komödiantischen, sentimentalischen und buffonesken Nummern - von Miniatur bis Tutti-Ensemble - ein und liefert so einen profilierten Beitrag zum Repertoire der musikalischen Komödie, vom Vaudeville über Opera Buffa, Savoy-Opera bis deutsche Spieloper.


Die Uraufführung des Roi fand am 24. Mai 1873 an der Pariser Opéra-Comique unter der musikalischen Leitung von Adolphe Deloffre statt. Die Bühne stammte von Charles Charles A. Cambon & Philippe Chaperon. Es sangen Paul Lérie (Benoît), Jean-Vital Jammes (Marquis), Louis Sainte-Foy (Miton), François Bernard (Baron), Joseph Thiérry (Gautru), Antoinette Réville (Marquise), Marguérite Pollart, Jeannette Nadaud, Berthe Tibault, Laurence Guillot (Les Filles). In deutscher Sprache war Der König hat’s gesagt erstmals 1874 in Wien zu sehen. In Deutschland wurde das Werk 1877 in Berlin auf die Bühne gebracht. 1898 hatte es - bearbeitet zum Zweiakter von Philippe Gilles - eine Neu-Aufführung ebenfalls an der Opéra-Comique de Paris Premiere.

Die Deutschversion - eine Trouvaille
Ungeachtet ihrer Aufführbarkeit auch an mittleren und kleineren Häusern war die deutsche Fassung des Roi im 20. Jahrhundert kaum mehr inszeniert worden. Sie wurde von dem  seit den 1950er Jahren als 1. Kapellmeister der Hamburgischen Staatsoper, Gastdirigent der Wiener Staatsoper, Radio- und Schallplattenstar namhaften General-musikdirektor der Stadt Dortmund - Wilhelm Schüchter wiederentdeckt - der in den 1960ern zahlreiche Funkproduktionen beim WDR Köln  realisieren konnte. Seine Studio-Einspielung von Delibes‘ Buffa lag nach der Radiosendung fast 50 Jahre lang im Archiv. Die Wiederveröffentlichung macht eine lohnende Entdeckung für Kenner und Sammler greifbar - die einzige in deutscher Sprache überhaupt und Alternative zur derzeit angebotenen Aufnahme in Originalfassung: 1958
bei RTF Paris unter André Girard.


Schüchter versammelte 1967 ein kleines feines Ensemble mit komödiantisch versierten wie vokal flexiblen Solisten. Darunter als Marquises-Paar die ubiquitär arrivierten Benno Kusche (StO München) und Margaret Bence (StO Stuttgart), den aufstrebenden Baritono-lirico Wolfgang Anheißer (tragisch früh durch Bühnen-unfall geendet), den universalen Tenorbuffo Willi Brokmeier, den Kölner Charak-tertenor Albert Weikenmeier - dazu ungewöhnlich profilierte Töchterbesetzungen mit der Dortmunder Prima-Donna Elisabeth Witzmann, der Met-Soubrette Carol Malone, der Berliner Altistin Barbara Scherler, der Kölner Diseuse Marita Scheeben. Als Extra-Gast dazu die zwischen USA und Westeuropa gefeierte Coloratrice Yvonne Cianella. Ganz besonderen Glamour bezieht die Produktion aus dem Einsatz des elegant-ironisch profilierten Charaktermimen Boy Gobert, der als Vicomte ein Meisterstücklein an Sprechvituosität abliefert. Die Klangkörper des Westdeutschen Rundfunks - RSO Köln und Rundfunkchor - bestätigen ihren legendären Ruf im Nachkriegdeutschland.

                                                                                                                        KUS

 

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© Klaus Ulrich Spiegel