KLAUS ULRICH SPIEGEL
---------------------------------------------------
18. November 2013

SPD-„Öffnung“ zur Partei Die Linke

Lieber alter Freund G.!

Deine Kritik verdient eine Befassung – und Replik.
Also - Zitat G. an KUS:

"
Dein Urteil über die Reaktion der Riexinger, Kipping und Liebich auf die „Öffnung“ der SPD für künftige Koalitionen wundert mich schon. Du kannst doch nicht immer weiter so fraktionieren und ausschließen!? Oder? Ist jetzt die Linken-Spitze auch wieder korrupt, regierungsgeil, verblendet oder was, wenn sie Gespräche fordert? Wie hältst Du es eigentlich mit den Wahlergebnissen? Wenn die CDU/CSU fast die absolute Mehrheit erhält, heißt das für mich: Katastrophe, aber nicht zu ändern, muss (für die Wahlperiode) respektiert werden. Wenn die Meinungsumfragen zeigen, dass 70% der Deutschen eine große Koalition wünschen, am liebsten mit einer konservativen Kanzlerin, die sozial-demokratische Politik macht,  dann kann ich dieses Volk für demokratieunfähig, für blind, für verdummt oder sonst was erklären (tue ich in meinen schlechteren Momenten auch), aber letztlich hat die Bevölkerung diese Konstellation gewählt und auch bekommen! Was will ich dagegen setzen!? Die immer weiter schmelzende Minderheit der politisch aufrechten „Durchblicker“ – dann müssen für die Ersetzung der Demokratie durch eine „Aristokratie“ im Sinne Platons sorgen. Können wir ja mal versuchen!
"

-----------------------

Fraktionieren? Ausschließen?

Ich weise darauf hin, dass die "Öffnung" der SPD keine ist – sondern aus- schließlich eine Einladung (na, eigentlich ein autoritäres Bedingungs-Diktat)
an Die Linke, deren Grundpositionen zu Krieg & Militär & -Waffenexport, zu Europa+Euro, zu Bankenrettung+Drittwelt-Kujonierung, zu US-Unterwerfung +NATO-Gefolgschaft, zu Agenda/ Hartz aufzugeben, um so "regierungsfähig" und also für die an Agenda & Kriegseinsätzen & Völkerrechtsbruch festhaltende SPD als "Junior"partner akzeptabel zu werden.


D a g e g e n bin ich sehr entschieden.
Das würde nämlich aus der Linken eine "Grünen"-Nachfolgeparodie machen
- und damit die ganze Partei überflüssig.


Die Gysi, Riexinger, Kipping etc. reagieren mit ihrer sofortigen "Jetzt-aber-
gleich-mal-Spitzentreffen"-Reaktion, anstatt strategisch den Dingen mit klaren Positionsbekräftigungen Perspektive plus Orientierung zu geben! Sie folgen so den von der "Grünen Pest" (Emmo Frey) en suite erlebten Mustern. Hinter
ihnen ein ganzer, vorrangig ehem. DDR-provenienter Parteiflügel von rechten Opportunisten um Liebich, Bartsch, tendenziell leider wohl auch Gysi.


Die wollen vorrangig erstmal mitregieren, so wie sie's mit tollen Ergebnissen, z.T. mit Halbierung ihrer Wählerschaft, schon in MeckPom, Sachsen-Anhalt, vor allem Berlin praktiziert haben, immer mit dem Ergebnis einer regierenden CDU. Sie möchten per vom Kartell zugebilligter Katzentisch-Würde dazu gehören dürfen – ungeachtet ihrer, wie ich stark hoffen will: weiterhin grundwerte-programmtreuen breiten Mitgliedschaft und Parteitagsmehrheit!) Sie, das steht in der Tat zu befürchten, werden dafür zumindest Teile eben jener Positionen preisgeben, um deretwillen ich mich überhaupt mit ihnen befasse und sie - vorläufig noch - für wählbar halte, als faktisch einzige Alternative, immer nicht mehr erwartend-erhoffend als eine Linie nahe dem Godesberger Programm,
man ist ja nicht vermessen.


Deshalb sind sie –  vorläufig – für  mich die einzige noch sozialdemokratische Größe im Lande. Darum wähle ich sie bisher. Und ich beobachte genau, welche Politikfelder bei den Schwarz-Rosaroten-Koalitionsverhandlungen nicht nur nicht strittig sind, sondern überhaupt nicht mal zur Beratung stehen.

Nämlich genau jene, auf die eine Sozialdemokratie, die diesen Namen verdiente, ihren Sinn und Wert zu bauen hätte – s.  oben. Mit Seehofer und Friedrich haben sie Dissenz, mit Schäuble kaum, mit DeMaizière gar nicht. Krieg machen ist kein Problem, Besteuerung des Großen Geldes auch nicht wirklich; diese Felder wurden gleich mal freigeräumt, sofern sie überhaupt mehr als Wahlrhetorik bedeuteten: Völkerrechtswidrige Angriffskriege waren der SPD ja weder Wahl- kampfstoff noch Parteitags-, ja nicht mal Vorsitzenden-Redethema.

Und da soll bzw. will Die Linke auf einen vorsorglichen, konditionierten, im Grunde nur taktischen "Wende"-Beschluss gleich zu Spitzengesprächen antanzen? Mit welchem Ziel? Zu welcher Erkenntnis, die man nicht längst hätte und auf dem SPD-Parteitag wieder in konfrontativster Arroganzrede repetiert bekommen hat?

Die Tendenz, sich kaufen zu lassen, die wir von SPD+B'90/Gr, von Schröder
& Fischer samt Breitgefolgschaften, in hinreichend erhellender (für mich auch definitiver) Korruptivität erlebt haben, mit all den Folgen, die diesen Staat und diese Gesellschaft unsozialer, undemokratischer, unfriedlicher, unsolidarischer, ungnädiger, unwirtlicher .... gemacht haben, die wird nur von einer lt. Merkel  "marktkonformen Demokratie", der oppositionsfreien Zweidrittelgesellschaft, der Superreichenbedienungspolitik gebraucht, die wir "Rot-Grün" verdanken. Was sollen uns ein Kanzler Gabriel mit Kriegsminister Steinmeier, Polizei- & Abhörminister Oppermann, Wendewundern wie Steger, Karriereopportunisten wie Nahles & Schneider, Kanalern wie Scholz & Kahrs, verziert, nicht mal alibisiert dann mit Gysi, Riexinger, Kipping? (und möglichst noch Glitsch-widerlingen wie Özdemir samt Verwaltern sozialrechtsfreier Kirchenräume
wie G-Eckardt)?

Was soll denn das tiefgreifend ändern? Es ändert nur die letzte Hoffnung auf wenigstens eine sozial- und friedenspolitisch standhafte Opposition und führt unumkehrbar zur END-Triumphale des neoliberalen Kartells.


Erstmal müsste die SPD sozialdemokratisch werden - und darauf besteht nicht der Hauch einer Aussicht. Dass man darüber überhaupt diskutieren muss, erschreckt mich.

s. auch Pirker, unten.

In alter Verbundenheit grüßt Dein  Klaus


*****


13.11.2013 / jW - Ansichten
_____________________________________________________________________

 

 

 

Gabriels Kalkül

SPD-Öffnung gegenüber der Linkspartei

Von Werner Pirker
 

Die SPD will künftig Koalitionsoptionen mit der Linken nicht mehr von vornherein ausschließen. Auf ihrem Leipziger Parteitag wurde ein Leitantrag beschlossen, der das strikte Nein zu einem Regierungsbündnis mit der Konkurrenz von links aufhebt, womit sich die Sozialdemokraten eine Erweiterung ihres machtpolitischen Manövrierraumes erhoffen. Rechnerisch wäre »Rot-Rot-Grün« schon diesmal möglich gewesen, doch hat sich die SPD der Bildung einer solchen Mehrheit kategorisch verweigert. Aus »Ver- antwortungsbewußtsein gegenüber dem Land«, wie das vom sozialdemokratischen Spitzenpersonal stets betont wird. Wenn darunter die unbedingte Loyalität gegenüber dem kapitalistischen System verstanden wird, stimmt das auch.

Selbst wenn die SPD ihren Kurs auf Ausgrenzung der Linkspartei zu korrigieren gedenkt, kann von dessen Wechsel nicht die Rede sein. Der Kurs von Gabriel, Steinmeier und Genossen wird auch weiterhin entschieden gegen links gerichtet sein.

Und deshalb wird nur eine Linke, die zur schrittweisen Preisgabe linker Positionen bereit ist, von der SPD-Führung als möglicher Koalitionspartner in Betracht gezogen werden. Im Willy-Brandt-Haus weiß man nur zu genau, daß in der Linken genügend Anwärter für »pragmatisches« Regieren vorhanden sind, deren Anschlußbereitschaft
an das neoliberale Parteienkartell als sicher vorausgesetzt werden kann.


Doch noch gelten in der Linkspartei die vom früheren SPD-Vorsitzenden Oskar Lafontaine gezogenen »roten Haltelinien«, deren regierungsamtliche Berücksichtigung einen wirklichen Politikwechsel erfordern würde. Die Rolle als soziales Gewissen einer SPD-geführten Koalition würde man Der Linken vielleicht sogar zugestehen. Doch nur, wenn sie bereit wäre, ihrer negativen Haltung gegenüber imperialistischen Weltord- nungskriegen abzuschwören und den deutschen Führungsanspruch in Europa mitzutragen. Die gegenwärtigen Koalitionsverhandlungen zeigen, daß es hinsichtlich eines »machtvolleren deutschen Auftretens« in der Weltpolitik zwischen SPD und Unionsparteien so gut wie keine Differenzen gibt. Die Linkspartei weiß somit, welchen militaristischen Anforderungen sie zu entsprechen hat, will sie für koalitionstauglich befunden werden.

Sie stellt sich darauf ein. Fraktionschef Gregor Gysi erzählt dem US-Botschafter in launiger Stimmung, daß man nur deshalb die Auflösung der NATO verlange, um die Forderung nach einen Austritt Deutschlands nicht aufkommen zu lassen. Parteichefin Katja Kipping nennt den Kriegspakt »Nordatlantische Sicherheitsarchitektur«, deren Beschädigung durch den NSA-Skandal sie beklagt. Chefkarrierist Stefan Liebich ist Mitverfasser eines partei-übergreifenden Papiers, in dem die EU als Instrument zur deutschen Machtentfaltung gewürdigt wird. Gabriels zynisches Kalkül, Die Linke bis 2017 dahin zu bekommen, wo er sie haben will, könnte also durchaus aufgehen.
 

Druckversion | Sitemap

© Klaus Ulrich Spiegel