Programmtendenzen
 in den Öffentlich-Rechtlichen

–  am Beispiel „Kultur im Programm“
aus Anlass des sog. ARD „Satiregipfels“

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Für die NachDenkSeiten
(auf Anregung & Anforderung von Albrecht Müller)
 

Kultur im Fernsehen und als deren Nebenfeld die TV-Satire: Vor langem waren das Lichtblicke im immer flacher werdenden Programm. Und heute ist sie in vollem Wandel zum nur mehr Unterhaltungs- und Seichtposten, also auf dem Weg ins weite Meer medialer Ärgernisse.

Kultur war in den Öffentlich-Rechtlichen mal eine gesellschaftlich wirksame Bildungs- und Ermutigungsquelle – etwa als (um nur ein Beispiel zu nennen) allein im Bereich dramatische Literatur die Bevölkerung etwa außerstädtischer Lebensbereiche mit Fernseh-Inszenierungen wichtiger Bühnenwerke „kulturiert“ wurde. Fernsehen nicht als endlose Talk-Quatschbude, sondern als vielfältige Anregung zu Aufklärung + Anspruch + Reflektion im Allgemeinen. Öffentlich-rechtliches Fernsehen auch als Mittel der Zugangsvermittlung und Verbreitung von Kultur, Kunst, Literatur, Musik, Diskurs, Aufklärung, Entzündung von Neugier und Impulsen. Ja, sowas gab's mal in schwarzweißen Vorzeiten..

Dazu zählten nicht zuletzt Satire, Kritik, Kabarett. Deren Niedergang ist offenkundig. Seine Anfänge lassen sich recht genau datieren auf die Einführung der privaten Kommerz-Sender. Der Medienbeobachter von heute braucht kaum weiterführende Darlegungen – weder dazu noch zu anderen untergegangenen Formen einer Medienkultur mit Informations-, Ermutigungs- und Bildungs-Auftrag/-Anspruch.

Es gibt ja durchaus noch Kultur im TV, und darauf verweisen die Verant-wortlichen in jeder Debatte: die Literatur- und Kulturmagazine wie zum Beispiel „Lesezeichen“, „aspekte“, „ttt“, „druckfrisch“ etc. Die haben ihre Nischen, aber durchwegs erst gegen Mitternacht, zumeist auf 30-40 Minuten begrenzt, wenn nicht ohnehin in Regional- oder Nachtprogramme verwiesen (wie "kulturzeit", ein leider rechtslastiges, aber immerhin werktägliches 3sat-Magazin). Dagegen und davon überlagert steht aber längst der immer irrsinniger werdende Wahn, die marktbeherrschenden Privaten, vor allem RTL und SAT1, nachzuahmen, im Quotenrennen mitzulaufen – und so die Teller zu zerschlagen, von denen man auf lange Sicht noch speisen müsste, wenn man ans eigene Daseinsberechtigt-bleiben dächte.

Diese Haltung und ihre Umsetzung – bestätigt soeben in einem taktisch-opportunistischen Interview der WDR-Intendantin Piel als ARD-Vorsitzenden
in der Süddeutschen Zeitung – enthüllt sich in besonders abstoßender Weise in Person von Anpassern und Mittelmaß-Repräsentanten wie (unter vielen) etwa Herres, Baumann, Becker: Was für ein Personal gelangt auf solche wichtigen, einflussstarken, maßsetzenden Posten! In deren Folge Intendanten-besetzungen mit Parteigängern, demonstrativ auffindbar etwa im BR und HR, dazu Chef- redakteure vom Zuschnitt Gottlieb. Und inhaltlich in zwei schreckende Trends:

1.
Im Programm ausgedrückte Kooperation mit der Profitwirtschaft.
Allüberall, doch am Offensichtlichsten mit den Medienriesen. In der ARD:
Burda und Bertelsmann. Zum Beispiel mit der in mehreren Terminen abend-füllend und abfotografierten Bambi-Verleihung, das Burda-Logo stundenlang
auf dem Bildschirm, die Herrschaften Hubert B. + Gattin (ihrerseits Tatort-Komissarin) und das Traumpaar Riekel-Markwort. Vorläufig noch (!) nicht
ganz so aufdringlich Bertelsmann mit Zulieferungen von Sendematerial, Konzepten, "Formaten", neuerdings ganz demonstrativ auch Personen. Im ZDF die Benefiz-Show "Ein Herz für Kinder", mit Medienprominenz bis ins britische Königshaus überladen – eine Werbeveranstaltung für BILD und die sonstige Springer-Macht, dazu GiGi- und Neureich-Typen wie Maschmeier mit Groupies. In steter Folge Millionen-Shows zur Feier des Großkapitals und ihrer Käuflinge, gefüllt mit Firmen-PR per Party-Wohltätigkeit oder Preisverleihungen wie etwa Springers „Goldener Kamera“. Dazu immer neue so überflüssige wie zumeist peinliche "Entertainment"-Shows, "Event"-Quize, Hit-Präsentationen, vollgefüllt mit "Prominenten" nicht zuletzt aus der Blödel-Comedy – und offenbar ohne alle Geschmacks-, Anstands- oder Selbstachtungsrenzen: mit Personal aus den Kommerzsendern. ARD & ZDF als Verbreiter der Profit-Programme! Mittlerweile bilden sie ein nahezu flächendeckendes Mosaik.

2.
Ungenierte Partnerschaft mit Repräsentanzen des Kommerz-TV.
Beispiele: Die Selbstpreisgabe und Selbstauslieferung an den Kirch-Sender
PRO7 im "Neukonzept" des (ohnehin sinnfreien) European Song Contest "Grand-Prix de la Chanson" mit der Schöpfung einer deutschen Tralali-Biene,
vor allem aber der Integration des dreistfrechen Kommerz-Moderators und Privatsender-Machthabers Stefan Raab als zentralem Programm-Macher der ARD. Oder, noch skandalöser, das Engagement des Quizmasters Jauch als angeblicher "Doyen des deutschen TV-Politikjournalismus" ins Prime-Program der ARD. Dies für unverantwortlich schamlose Gebührenmillionen und dazu noch Produktionsverträge mit dessen privat-eigenen Sub-Unternehmen – und dieses bei weiter andauernder Top-Position des (in seiner drögen Provin-zialität m.E. ohnehin unerklärlich hochgejubelten) Moderators Jauch als Star-Quizer bei Bertelsmanns RTL. Und das bedeutet: Ein langfristig substanz-zerstörendes Go-In des Bertelsmann-Konzerns übers "Erste" in den Verbund
der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten.


Ein empörter NDS-Leser hat dazu einen so berechtigten wie fruchtlosen Briefwechsel mit der ARD-Programmdirektion auf die NachDenkSeiten stellen können. Seine Argumente, von Zorn getränkt, kann man inhaltlich nur unterstreichen.

Diese Vorgänge verkörpern eine Tendenz, die längst zum Trend geworden
ist. Wenn man diese auf die seit langem voranschreitende Veränderung des Gesamtprogramms bezieht – etwa: in den Primetimes immer dümmer, immer primitiver, niedriger, erbärmlicher, niveauloser und meist ohne Zeitlimit sich ausbreitende Massen-"Formate" – registriert man eine erscheckende Abkehr vom Sinn, Auftrag und Konzept eines Funks & Fernsehens in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft.


Diese ist gekennzeichnet durch Sendeformen von Quiz bis Stadl, Zeit-Kürzungen der Politik-Magazine um ein Drittel, Inflation sog. Talkshows = Bequatschereien des Immergleichen und der Vielfach-Verwurstung jeweiliger „Aktualitäten“ durch die immergleichen Dumm- und/oder Frechschwätzer (Henkel, Baring, Sinn, Jordan, Broder, Wolfssohn, Matussek, Strunz & die ganze Neoliberal- wie auch Wendegewinner-Lobby, mit ein paar Minderheits-Alibis), rechtslastige Dokumenta-tionen à la "Die Akte Gysi", nicht endende Schicksals-Schnulzen-fabrikation und Denunziations-„Reports“ zum Dauerstoff DDR-SED-Stasi: Darin unterscheiden sich heute weite Teile des öffentlich-rechtlichen Fernsehens (im Rundfunk sieht es mit gelegentlichen Minderheiten-Programmplätzen etwas besser aus) längst kaum noch von der Springer- + Bauer- + Burda-Presse.

Im Ganzen:
Eine ständige Verletzung des gesetzlichen Auftrags der Öffentlich-Rechtlichen.

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Dazu nun auch die Sparte Politisches Kabarett:

In den hier beschriebenen Programmveränderungen scheint es kaum als ein Zufall, wenn der (m.E. unverständlich überschätzte) Kreischkasper Richling, auch er ein substanzarmer, lärmender Linkenverächter, im übrigen bloßer Perücken+Kleider-Clown, den ein Urban Priol mit wenigen präzisen Stimm-Umfärbungen als Parodist deklassiert (nicht zu reden von den kämpferisch-politischen Aufklärern Schramm, Pispers, Uthoff) den Hildebrandtschen "Scheibenwischer" unter dem grotesk anspruchsverfehlenden neuen Titel "Satiregipfel" zur Comedy-Klamotte herunterwirtschaften konnte – um ihm nun an einen RTL+SAT1-Comedian der zynisch-denunzierenden, also rechts-gelagerten Sorte übergeben zu dürfen. Bemerkenswert, dass dieser Herr Nuhr, genau wie Jauch mit ganzen Auftritts-Serien in den Privatsendern unlimitiert weitermachen kann. Nicht zufällig wohl wurde in spektakulärer Beiläufigkeit dieser Satiregipfel 2014 in „Nuhr im Ersten“ umbenannt. Auch hier also klare Vorzeichen einer weiter eskalierenden Abwärts-Entwicklung bei den Öffentlich-Rechtlichen.

Eine Flut von Eindrücken – und doch nur eine begrenzte Belegsammlung zu Zustand und Tendenz im Öffentlich-Rechtlichen, somit nur ein Ausschnitt des Gesamtgeschehens. Vielleicht zeigen sie aber eine Richtung auf, in der fundierte Kritik + Analyse anzusetzen hätten. Auf Abhilfe, Gegentrends, Hilfe mag man ohnehin kaum hoffen.
                                                                                                          KUS

 

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Dazu ein Beitrag mit Direktbezug im ossietzky 15/16-2011

Das Marktschreier-Fernsehen
(von Volker Bräutigam)
 

Am 11. September geht es los: Günter Jauch moderiert im »Ersten« die sonntag-abendliche Polit-Talkshow. Als letztes ARD-Gremium hat der Verwaltungsrat des Westdeutschen Rundfunks zugestimmt, trotz einiger Bedenken, denn Jauch moderiert weiterhin auch beim Kommerzsender RTL. Verwechselbarkeit und Austauschbarkeit des öffentlich-rechtlichen mit dem Kommerzfernsehen werden offenkundig: Jauch hier und Jauch da, als ob es keine Anderen gäbe. Für jährlich 39 Stunden Sendung wird er 10,5 Millionen Euro kassieren – die teuerste Polit-Talkshow, die das öffentlich-rechtliche Fernsehen je bot. Das bombastische Gehalt sei gerechtfertigt, meinten die WDR-Verwaltungsräte, »... vor allem vor dem Hintergrund des hohen Ansehens und Respekts, den Herr Jauch in der Öffentlichkeit genießt«.

Um darauf zu antworten, brauche ich nur mich selbst zu zitieren: »Zum
seriösen politischen Journalisten«, schrieb ich in Ossietzky 6/11, »qualifiziert ihn nichts. Aber die ARD will mit seinem sonntäglichen Talk-Spektakel ja nicht ihren Informationsauftrag erfüllen, sondern Unterhaltungsinteressen bedienen.«.


Ich stehe mit meiner Kritik nicht allein. Klaus Ulrich Spiegel schrieb im Blog   NachDenkSeiten.de: »Noch skandalöser [ist] das Engagement des Quizmasters Jauch als angeblicher ›Doyen des deutschen TV-Politikjournalismus‹ ins Prime-Programm der ARD – und dies bei weiterdauernder Top-Position dieses Moderators als Star-Quizer bei Bertelsmanns RTL. Und das bedeutet: Ein langfristig substanzzerstörendes Go-In des Bertelsmann-Konzerns übers ›Erste‹ in den Verbund der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten. In den Primetimes immer dümmer, immer primitiver, niedriger, erbärmlicher, niveauloser ... eine erschreckende Abkehr vom Sinn, Auftrag und Konzept des Fernsehens in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft.«

Über »Sinn, Auftrag und Konzept« des grundgesetzlich verankerten öffentlich-rechtlichen Fernsehens lesen wir im Rundfunk-Staatsvertrag aller Bundesländer vom 31.8.1991 zum Beispiel, daß die Sender »das gesellschaftliche Meinungs-spektrum möglichst umfassend und fair widerspiegeln« sollen. Vergleicht man das Statuarische mit der Programmwirklichkeit, so erkennt man allerdings eine, wie Albrecht Müller den KUS-Beitrag einleitete, »ständige Verletzung des gesetzlichen Auftrags. Eine ungenierte Partnerschaft von öffentlich-rechtlichen Medien und den kommerziellen. Die Öffentlich-rechtlichen als Steigbügelhalter des Kommerzes ...«

Die Selbstverstümmelung des Fernsehens vom Vermittler seriöser Information und Bildung zum kommerziellen Varieté zeigt sich freilich nicht nur in Perso-nalien wie der Doppelrolle Jauchs. Besonders die Pflicht, das »gesellschaftliche Meinungsspektrum umfassend und fair widerzuspiegeln«, wird von ARD und ZDF gröblich mißachtet.

Sichtbar wird das zum Beispiel an der parteipolitischen Zusammensetzung
der Quasselrunden bei Will & Co. Das Leipziger Nachrichtenportal News.de brachte dazu aufschlußreiche Daten, ermittelt von Oktober 2010 bis Juni 2011.
In diesen neun Monaten mit sagenhaften 163 Polit-Talk-Sendungen hatten demnach Maischberger, Will, Beckmann, Plasberg und Illner 861 Gäste, davon 220 führende Berufspolitiker: CDU/CSU, FDP und Grüne waren 157mal vertreten, die SPD 42mal, vorzugsweise mit Parteirechten wie Dohnanyi und Buschkowsky, die Linkspartei 21mal. Organisationen wie die Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes/Bund der Antifaschisten, Jugend-Initiativen, Langzeitarbeitslose, marxistische Wissenschaftler, Atheisten, Pazifisten, Umweltschützer kamen selten oder nie zu Wort.


Der Programmauftrag des öffentlichen Rundfunks verlangt: »Der Rundfunk
(ist) als Medium und Faktor des Prozesses freier, individueller und öffentlicher Meinungsbildung der Allgemeinheit verpflichtet.« Doch kaum noch unter-scheidbar vom Kommerzfernsehen hintertreiben auch ARD und ZDF den Informationsanspruch der Zuschauer. Die ARD hat im Juli den Showmaster Thomas Gottschalk (»Wetten daß ...?«) verpflichtet, vom nächsten Jahr an montags bis donnerstags die halbe Stunde vor der Tagesschau mit vermeintlich Prominenten aus dem Entertainment über das Zeitgeschehen zu plaudern. Fraglos metastasiert das in die anschließende Nachrichtensendung. Dort wird dann weiter vernebelt, irregeführt, unterschlagen. Knallchargen wie Henkel und Baring und gescheiterte Politiker wie Steinbrück werden aufgewertet, größere und weiterführende Zusammenhänge unkenntlich gemacht.


Jahrmarktsverkäufer wie Gottschalk und Jauch sind Zentralfiguren einer ausgeklügelten Fehlführung der Zuschauer. Das Volk bekommt Gummibärchen statt Information.

 

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