KLAUS ULRICH SPIEGEL                                                  KUS@ku-spiegel.de
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                “Kultur ist das, was die Kommune erst zur Gemeinde macht.
                                 Was übrig bleibt, wenn alles andere vergessen ist.“

                                                               (Hilmar Hoffmann: Kultur für Alle)


  Projekt Pallaufhof
    Überlegungen zu Aufgaben und Nutzungschancen
    eines zentralen Bürgerzentrums in der Großgemeinde Münsing


Die Gemeinde Münsing hat im Ortszentrum ihres namensgebenden Hauptorts Münsing in unmittelbarer Nachbarschaft ihrer zentralen Einrichtungen Rathaus, Schule, Gemeindesaal, Feuerwehrquartier und des historischen Kirchenbaus ein Areal von ca. 16.000 qm erworben. In dessen Mitte liegt, optisch korrespon-dierend zum Rathauszentrum, der Altbau eines zuvor rein bäuerlich genutzten Anwesens: der „Pallaufhof“. Die Gemeinde wird einen Teil des Gesamt-Areals für öffentliche Infrastrukturbedürfnisse wie Wegebau und Friedhofserweiterung ausweisen. Ein anderer Teil ist für Wohnansiedlung zur Refinanzierung bisheriger Ankaufs- und künftiger Bauaufwendungen vorgesehen.

Durch schrittweise Erschließungs- und Ausbaumaßnahmen wird das Ziel
verfolgt, eine neugestaltete künftige Gemeindemitte zu schaffen. Der Platz kann die Funktion eines zentralen Orts der Gesamtgemeinde gewinnen: als Zentrum
des Gemeindelebens, für Begegnung und Kommunikation, Erlebnis und Erfahrung – auch als Identifikationspunkt der Gemeindebürger. Das Areal soll bewusst gestaltet werden – und damit schon in der Realisierung zu bürgerschaft-licher Beteiligung animieren. Der Prozess kann dann nicht nur einen Beitrag zur Gestaltung der gemeindlichen Zukunft leisten, sondern auch Erfahrungen lebendiger kommunaler Demokratie vermitteln.

Dafür ist eine grundlegende Aufgabenzuweisung und Nutzungsklärung erforderlich. Vorrangig an dieser wäre das strukturelle (bauliche, optische, funktionale) Konzept des Gemeindezentrums zu orientieren. Die ganze Anstrengung bei der Zielfindung und zu der ihr folgenden Projektplanung
sollte dieser Nutzungsbestimmung gewidmet sein.

Die folgenden Überlegungen nehmen bewusst nicht das Gesamtareal „Neue Ortsmitte“ und die teilweise schon vorliegenden Planungsvorschläge dazu in den Blick. Sie konzentrieren sich auf den „Pallaufhof“: seine Möglichkeiten, Chancen, Inhalte, Nutzungen, Wirkungen.

Die Gemeinde – Stellung und Wirklichkeit
Nach über 30 Jahren seit Abschluss der Gebietsreform in Bayern ist unter
dem Begriff „Münsing“ nicht mehr nur eine dörfliche Ansiedlung, sondern
eine Gebietskörperschaft zu verstehen, die eine Reihe zuvor selbständig gewesener Dorfgemeinden zu einer Großkommune vereint. Das Gemeinde-gebiet ist groß, es umgreift den dominanten Teil des Starnberger See-Ostufers
mit ausgedehnten Agrar- wie auch Regenerationsbereichen. Die Gemeinde selbst ist heterogen und dezentralisiert. Neben dem Hauptort und Sitz der Gemeinde-verwaltung samt einigen zentralen Funktionseinrichten existieren diverse Subzentren, die ihren Wert als unmittelbare Lebens- und Erfahrungsbereiche behalten haben.

Ein „Gemeindebewusstsein“ im Sinne von Zugehörigkeitsempfinden, Identi-fikation, Erfahrung und mentaler Orientierung ist nur begrenzt ausgebildet.
Das ist beweisbar: Etwa durch die Existenz örtlich definierter Wahllisten zum Gemeinderat, in dem mehrheitlich nicht programmbestimmte Gruppen, eher Ortsrepräsentanzen agieren. Oder durch primär nachbarschaftlich verstandene Vereinigungen (allein im Hauptdorf Münsing zwei regionale Burschenvereine
mit zwei Maibäumen). Oder durch dezentrale Ortsgruppen (Bauern, Schützen, Veteranen, Musikkapellen, Wassersport etc.).

So betrachtet, lässt sich eine erst langsam wachsende Orientierung der Bürger
auf die gemeindliche Mitte und ihre gesetzlichen Grundfunktionen feststellen.
Ihr stehen aber im sog. „Reproduktions-“ (also Freizeit-)Bereich eher tradierte Erlebnis- und Betätigungswelten gegenüber. Dagegen ist soziologisch und kommunalpolitisch gar nichts einzuwenden. Aber: Es bleibt eine Lücke des Erlebens, Agierens, Kommunizierens von + in + mit der Gemeinde. Der Begriff „Münsing“ als Körperschaft und damit als Adresse für übergreifende Lebens-wirklichkeiten, für bürgerschaftliche Gemeinsamkeit, für Ausstrahlung und
Profil der Gemeinde – er sollte weiter gestärkt werden.

Gemeinde & Bürgerschaft = Kultur
Die als zeitgemäß geltende Definition der Beziehungsgeflechte in Städten
und Gemeinden, besonders in lebensnahen kommunalen Zusammenhängen, verwendet den Begriff „Soziokultur“. Damit bezeichnet man die strukturellen,
vorrangig sozialen und kommunikatorischen Kräfte, Infrastrukturen und Wirkungen der Gemeindewirklichkeit. Vor allem die Wahrnehmungen und Verbindungen unter den Gemeindebürgern.

Das heißt: Unter Kultur versteht man die Gesamtheit gesellschaftlicher
= sozialer Prozesse und Strukturen. Jedes Kulturschaffen wird von erlebbaren
und erfahrbaren Umfeldverhältnissen bestimmt. Deshalb ist Kulturarbeit ein gesellschaftlich-politischer, somit ein öffentlicher Auftrag. Dies um so mehr,
je überschaubarer und gestaltbarer die jeweils betroffene Öffentlichkeit ist –
der Standort, die Lebensmitte, die Gemeinde.

Kommunale Kultur ist nicht nur das Gebiet, auf dem sich die Gemeinde ihren Bürgern erfahrbar macht – und umgekehrt. Sondern auch ein zentrales, aber vielfach vernachlässigtes kommunales Politik-Feld. Seine bewusste Gestaltung
im demokratischen Gemeinwesen hat zum Ziel:

*   Kulturelle Teilhabe für alle = Chancengleichheit

*   Kulturelle Mitwirkung für möglichst viele = Partizipation

*   Kulturelle Selbstverwirklichung als Chance für jeden = Emanzipation

*   Kulturelle Vielfalt überall = Gleichberechtigung

Alle Kultur ist örtlich
Kultur (und damit Kulturpolitik) haben gerade in dezentral strukturierten Großgemeinden höchste Bedeutung für Lebenswert, Lebensgefühl und Lebensgestaltung. Sie prägen das Bild, das Profil, die Ausstrahlung und das Ansehen der Gemeinde. Sie bestimmen die Beziehungen und Erfahrungen der Bürger, vor allem in der Begegnung mit öffentlichen Einrichtungen. Ohne sie
ist eine menschengerechte Gemeindeentwicklung nicht denkbar. Kommunale Kultur muss als zentrale Aufgabe der Gemeindepolitik begriffen werden.
Denn:
*   Kultur ist das wohl wichtigste Feld gesellschaftlicher Begegnung und
     Kommunikation, des Lebenswerts, der Identität und Aktivität einer
     Kommune.
*   Kultur hat unter allen Kommunalaufgaben den höchsten Nachholbedarf
     an Strukturinvestitionen und Nutzungsangeboten.

Das gilt für Münsing in besonderer Weise. Eine aktive Kulturarbeit der Gemeinde selbst entwickelt sich – sie kann sich mit der Willensbildung zu Erwerb und Nutzung der Liegenschaften um den Pallaufhof entfalten. Die Entscheidung ist richtig und wichtig. Sie birgt enorme Chancen – gerade aus
den hier dargelegten Grundsätzen und Überlegungen.

Kultur für alle braucht eine Adresse
Gemeindliche Kulturarbeit muss Kultur für alle Bürger bewirken. Dafür
braucht sie Infrastruktur-Einrichtungen. Sie muss die Erzeuger, Gestalter
und Anbieter kultureller Leistungen ermutigen, herausfordern und fördern. Und sie muss die Mittel für das Entstehen einer vielfältigen Gemeindekultur bereitstellen.


Diese sollte alle wichtigen Kulturbereiche einschließen und möglichst viele Bürger zur Teilnahme anregen. Sie hat auch eine soziale Komponente zu berücksichtigen: Gerade ökonomisch schwächergestellte Menschen (Senioren
und Rentner, Jugendliche, Behinderte, Nichtdeutsche, Randgruppen) haben
ein Recht auf preiswerten Zugang zu kulturellen Angeboten.

Und umgekehrt: Kultur ist ein oft unterschätzter Faktor auch der ökonomischen Entwicklung einer Gemeinde. Am Beispiel Münsing und seinen Optionen ist das greifbar. Kultur bewirkt Wachstum und Fortschritt. Fördert Besuche, Reisen, Kooperationen, Arbeit, Handel + Gewerbe, Fremdenverkehr, Gastronomie, Freizeitwert ... Kultur wirkt örtlich. Wirtschaft auch.

Vor allem: Kultur stiftet Verbindungen. Fördert Begegnung, Austausch, Kommunikation. Schafft Anlässe für Erleben und Genießen, Erfahren und Erlernen. Mobilisiert Neugier, lädt zur Mitwirkung ein, erzeugt Diskurs.
Und schafft Identifikationen & Zugehörigkeiten – kurz: Bürgerbewusstsein,
das sich als Gemeindebewusstsein verwirklicht. Das strahlt nach außen –
als Gemeindeprofil und Gemeindepersönlichkeit, mit denen sich Image-zuweisungen verbinden. Und die haben wiederum Anziehungswirkungen.

Alle diese Effekte brauchen aber einen Fixpunkt, an dem sie sich bilden und auswirken können. Ein Bürgerzentrum mit Ausstrahlung und Sogwirkung
für die Gesamt-Gemeinde, ihre Bürger, ihre Kulturschaffenden und Publikümer, für Wissbegierige, Mitteilsame, Austauschfreudige, aber auch
für Hilfs- und Zuwendungsbedürftige, die durch Inhalte aktiv ins Leben integriert bleiben und/oder fürs Leben vorbereitet werden können - das
ist die ideale Infrastruktur-Investition für die Zukunft der Gemeinde.


Platz für Kultur: Quelle der Urbanität
Die Konzeptvorschläge der vom Gemeinderat Münsing beauftragten Planer Goergens & Miklautz bieten einen Aufriss des Gesamtareals mit sinnfälligen Funktionszuweisungen. Als Diskussionsgrundlage wertvoll erscheinen vor
allem die Perspektiven für Maßnahmen zur Optimierung von Verkehrswegen und Anbindungswirkungen.

Ob zu deren Ausgestaltung städtebauliche Wettbewerbe sinnvoll und möglich sind und inwieweit sich ein ausdrücklich gewolltes Vorschlagswesen tatsächlich als breite Bürgerbeteiligung am Realisierungsprozess dienlich erweisen kann,
ist nicht Gegenstand dieser Überlegungen. Beides erscheint unter dem Prinzip demokratischer Vorgehensweisen bei offenen Ablaufregeln aber sehr wünschenswert.

Aus langer Erfahrung mit Kulturarbeit in unterschiedlichen Körperschafts-größen von der Millionen- bis zur Kleinstadt und Landgemeinde ist zu empfehlen: Die politisch und finanziell verantwortlichen Instanzen (BGM + Gemeinderat) sollten sich die End-Entscheidungskompetenz in keiner Phase abnehmen lassen – und konsequent ein Gesamtziel verfolgen, das dem Ideal einer „Kultur für alle Bürger“ verpflichtet ist.

Besonders wichtig: Keinesfalls sollte sich die Gemeinde nachgiebig gegenüber allfälligen Partikularinteressen zeigen, wie sie oft aus speziellen Themen-Engagements erwachsen – gleich ob es um eine weitere Sportstätte oder ein Spezialitätenmuseum handelt. Die kommunale Soziokultur, ihr Nachholbedarf, ihre Chancenvielfalt sind für die Zukunft der Gemeinde vorrangig. Sie sind die Quellen gemeindlicher Urbanität im geschilderten Sinne.

Münsing: Vielfalt kultureller Ressourcen
Im Bereich der Gemeinde Münsing selbst wie in unmittelbarer Nähe (Nach-bargemeinden / Nachbar-Landkreise / Seegebiet) sind kulturelle und kultur-schaffende Kräfte in erstaunlicher Zahl vorhanden – mehr als Münsinger Bürgern mehrheit-lich bewusst sein dürfte. Sie bieten Ressourcen für eine gemeindliche Kultur-arbeit nahezu ohne Limit.

Sie wären auch motiviert oder zu mobilisieren. Ihnen Raum, Bühne, Podium f
ür Ausstellungen, Konzerte, Aufführungen, Lesungen zu bieten – das allein würde schon den Permanenz-Betrieb eines kulturellen Gemeindezentrums garantieren.

Im und nahe beim Gemeindegebiet Münsing leben und wirken (in Auswahl):

-   mindestens zwei Konzertagenten (professionell und ehrenamtlich)
    mit Bestkontakten u.a. zu Klassik-Musikern internationalen Formats:
    Liebrandt und Reid.

-   mindestens ein Impresario-Pool mit Vertretung & Management in 
    der deutschlandweiten Kabarett- und Music-Comunity: südpol music.

-   mindestens ein Musikverlag mit exzellenten Verbindungen zur Jazz-,
    Rock- und Liedermacher-Szene: BSC Music.

-   Bildende Künstler diverser Stilrichtungen – auf überregionalem Rangniveau
    Binning, Brech, Cattani,  Jäger, Kastler, Kemmer, Kohler, Lommer, Nauderer, Weihe
    uvm.

-   Maler- und Bildhauer-Ateliers, Kunstgewerbe-Werkstätten, Design-
    und Gestaltungsteams, Kunstvereine, Kulturinitiativen.

-   Musikkapellen und Volksmusik-Ensembles von beachtlicher Qualität
    und teilweise professionellem Niveau – aktuell z.B. Musikkapellen Münsing
    & Holzhausen, Quadro Nuevo, Monaco Bagage, Well-Buam, Zapfnstreich
uvm.

-   Nachwuchsmusiker, vor allem aus der musikalischen Klassik (darunter
    Preisträger bundesdeutscher und internationaler Wettbewerbe, ein halbes
    Dutzend allein aus Bad Tölz)

-   Chorvereinigungen und Chöre, nicht nur aus Kirchendiensten

-   Laien-Theatergruppen wie DR Döblinger, Commedia, comedy factory,
    Komische Gesellschaft, Edelweiss, Kolping, Muckerl, TABS


-    Bekannte Bühnen- und Filmschauspieler, Rezitatoren, Sprecher – von
   
Josef Bierbichler bis Christian Tramitz

-   eine vielfältige Denker- und Schreiber-Szene zwischen Starnberg und
     Seeshaupt: Belletristen, Sach- und Fachautoren, Journalisten, Texter –
     von Tilman Spengler bis Johano Strasser.

-   Kunstmuseen mit enormen „Backlists“ = archivierten Kunstwerke-
    Beständen: u.a. Buchheim, Franz-Marc, Olaf-Gulbransson

Dazu gibt es viel erinnernswerte und dokumentationswürdige Historie in
nahezu allen Kultursparten (Paradebeispiel: die Ammerländer Malerfamilie
Max
und ihre Hinterlassenschaft).

Die Gemeinde benötigte zu der Gebäude-Infrastruktur nur eine Zuständigkeit,
die zu Kulturschaffenden und deren Vermittlern Kontakt und Informationstausch pflegt, Anlässe schafft, Events ermöglicht, Belegungstermine koordiniert – eventuell (sofern sich nicht andere Lösungen finden) auch die Kommunikations- und Öffentlichkeitsarbeit betreut.
 

Folgerung:
Die Gemeinde Münsing ist, gestützt vom Engagement sachverständig-hilfsbereiter Gemeindebürger, absolut in der Lage, autonom einen kulturellen Dauerbeitrag zu gewährleisten. Um so mehr in Kooperation
und Vernetzung mit Nachbarn und Partnern.



Pallaufhof Treffpunkt für Gemeindebürger
Ausgehend von den Entwurfs- und Beispiel-Vorlagen aus dem Team Goergens
& Miklautz (als bisher einzig bekannt gemachter Diskussionsvorlage) nun Hinweise zur Gestaltung und Nutzung des eigentlichen Centers – des Pallaufhofs.

1.
Positionierung und Struktur
Positiv im Sinne des hier argumentierten Nutzungskonzepts ist die vorgeschlagene situative Ausrichtung des Pallaufhof-Gebäudes samt Anbauten und Innenbereichen zu bewerten. Das gilt insbesondere für:

-   eine Lösung der Parkplatzproblematik durch Anhebung des Baukomplexes
    auf Straßenhöhe mit einer Souterrainfläche als Tiefgarage.

-   eine Nord-Versetzung der Gebäude-Frontwand an der Hauptstraße mit
    ebenerdigem Zugang zu einer Verweil- und Begegnungszone für gastro-
    nomische Nutzung (Kultur-Café/-Bistro).

-   eine Erweiterung der Baukörper für ergänzende Funktionen durch Anbauten
    im Nord- und Südbereich (günstig für homogene abgrenzbare Nutzung wie
    Betreuungs- und Begegnungseinrichtungen).

-   eine so entstehende halboffene Binnenfläche, die den Baukomplex öffnet
    und Außen-Nutzungen im Hof- bzw. Gartenbereich ermöglicht, also
    Forumcharakter gewinnt – auch als Standplatz für Skulpturen denkbar.

-   die Schaffung einer zentralen, multifunktional nutzbaren, zugleich attraktiv
    ausstrahlenden Spiel- und Vorführ-Räumlichkeit mit Auditorium-Charakter
    im oberen Geschoss: eines gemeindlichen Veranstaltungssaals.

Auch die Integration dieser Gebäudegestaltung in die umliegenden Nutz- und Verkehrsflächen (sog. Trauerallee, Durchgangsverbindungen zur Nord-Süd- Achse, Holzhausener Straße, Grünbereiche) erscheint so sinnvoll wie attraktiv.

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Die folgenden abschließenden Erwägungen richten sich, wieder: zunächst
ohne Erörterung architektonischer Stil- und Designfragen, auf die erforderliche Innengestaltung und Nutzungsstruktur des Gebäudes Pallaufhof – als Funktions- und Event-Zentrum für gemeindliche Begegnung, Repräsentanz, Ausstrahlung durch und mit Kultur. Im Mittelpunkt der Überlegungen muss der Raumbereich für Veranstaltungen, also der zentrale Gemeinde-Kultursaal, stehen.
 

2.
Räumliche und funktionale Erfordernisse

2.1.
Kultur für alle Bürger erfordert Präsentationsraum und Spielfläche für alle Formen der Kunst und Kultur – und für alle Kulturschaffenden, die sie realisieren.
     Ob die Giebel- bzw. Nordwand-Gestaltung eines Ereignis-Saals den
Blick auf das – ohnehin von jedem Standort im Hauptort aus sichtbare –
zentrale Kirchengebäude geben oder nicht, ist ein sekundärer Aspekt. Wichtig hingegen ist, dass eine der Stirnwände eine multifunktionale Aufbauten-Ausstattung besitzt und damit als Auditorium tauglich wird:

-   als Bühnenraum für Aufführungen und Gastspiele

-   als Spieltableau für Konzerte jeder Art und Form

-   als Podium für Diskurse, Symposien, Gesprächsrunden

-   als Rede-/Rednerstand für Ansprachen, Vorträge, Wechselauftritte

-   als Projektionsfläche für Filme und MultiMedia-/Dia-/PPP-Shows

Zugleich mit der variablen Auftritts- und Vorführungs-Raumarchitektur müssen Einrichtungen für multifunktionale Beleuchtung und Beschallung installiert sein.

2.1.1.
Nicht verfügbar sein sollte ein solcher Saal für Sportveranstaltungen und nur begrenzt für Bierzeltfestivitäten. Dafür könnte der bisherige, allgemein als unzureichend beurteilte alte Gemeindesaal umgestaltet werden, der dann auch erweiterte Sportausübung oder Geselligkeit in direkter Nähe bisheriger anderer Turn- und Sporträume ermöglichte.

2.2.
Eine besondere, möglichst auf technische und konservatorische Erfordernisse zugeschnittene Räumlichkeit im Bürgerzentrum benötigt die Bildende Kunst.
Es wäre ideal, wenn dafür, konkret: für kleine und mittelgroße Ausstellungs-projekte, ein erdgeschossiger, ans Kulturcafé anschließender Ausstellungsraum (etwa durch bewegliche Schiebewände) hergestellt werden könnte – flexibel, veränderbar, individuell nutzbar.

2.3.
Damit das Gemeindezentrum nicht nur passiv-rezeptive Nutzung von Kultur-angeboten als „Kultur-Konsum“ bietet, sondern gerade auch die Bürger selbst
als Macher oder Träger oder Ermöglicher + Begleiter kommunaler Kultur aktivieren kann, besteht neben diesen  größeren (hallen-ähnlichen) Bereichen Bedarf an kleineren Räumlichkeiten mit Platz für wechselnd ca. 12-36 Personen. Denkbar ist auch ein größenmäßig veränderbarer Kombi- und Mehrfunktions- raum („Kleiner Sitzungssaal“). Dort sollen sich kleinere Gruppen versammeln und betätigen können: Projektgruppen, Arbeitskreise, Gesprächszirkel, Seminare – etwa für Musik- und Sprechproben, Sachvorträge, Werkeinführungen, Erwachsenenbildung uvm.

Die gesamte, noch undiskutierte Strukturierung und Funktionszuweisung zu
2.2. und 2.3. wird eine Herausforderung an die architektonische Gestaltung.
 

3.
Verwandte weitere Nutzungen

Sachlich eng verbunden und in Wechselbeziehung zur gemeindlichen Kultur sind nach dem modernen Kulturbegriff weitere Bedarfsbereiche des Gemeinde-lebens – vor allem soziale, bildungsmäßige, freizeitbezogene oder kommunika-torische Bedürfnisse von Menschen, die in die Mitte des gemeindlichen Lebens gehören. Nicht alle denkbaren Anlässe können in einem zentralen Gemeinde-zentrum berücksichtigt werden – wohl aber die wichtigsten und typischsten:
die der Integration dienenden.

Als klassisch können gelten: Kinder- und Jugendbetreuung und (verschärft durch die zukünftige Demographie-Entwicklung) Einbeziehung und Akti- vierung von Senioren, vor allem in Isolationsgefahr stehenden alten Menschen, unabhängig von deren Gesundheits- und/oder Seelen-Befindlichkeit.

Fußnote hierzu: Ein Gemeindezentrum ist kein Krankenhaus und kein Kinder- hort. Es soll und kann nicht zur Unterbringung, Krankenheilung, Erziehung
oder Pflege dienen – aber gewichtig zur psychisch heilwirksamen gesellschaft-lichen Teilnahme und zur Mitwirkung am Gemeinschaftsleben beitragen. Für beide Zielgruppen sollten im Gemeindezentrum Verweil- und Erlebnisangebote bereitgestellt sein – mit fachkomptenter Betreuung. Zumindest ein Begegnungs-programm für Ältere (Seniorentreff mit Interaktionsprogrammen) und ein Betreuungs-/Förderprogramm für Kinder und Jugendliche, jeweils pädagogisch und psychotherapeutisch gestützt. Ein Fond-Modell könnte den Finanzbedarf dafür aufbringen helfen.

Für solche Nutzung böten sich ideal die vorgeschlagenen Flügelbauten an.
Damit wäre zugleich das enorm wichtige Element einer „kulturellen Anbindung“ = einer Verzahnung mit den Inhalten und Programmen des Gemeinde-Kulturzentrums herzustellen: Eine ideale Konstellation für ein kommunales Brennpunkt-Konzept.

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Abschließend eine Erwägung:
Es könnte nützlich sein, Sachverstand und Mitwirkungsbereitschaft aus der Gemeindebürgerschaft (etwa 5-7 fachkompetente Personen) projektbezogen
und auf Zeit in einer Art beratender „Stabsgruppe“ beizuziehen, vom Bürgermeister moderiert, transparent, rein beratend. Das könnte der Offenheit der Realisierungsschritte und der Erprobung demokratischer Prozesse dienen.

Kommunalpolitischer Wille ist gefragt.
Münsing kann zum Kultur-Standort werden.


                                                                 “Und das sei nicht nur so gesagt.
                                                      Es kommt drauf an, dass man es macht!“

                                   (Franz-Josef Degenhardt: Ballade von den Weißmachern)

Münsing, 30. August 2011


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Das obige Positionspapier wurde auf Ersuchen des Münsinger Gemeinderats und nachmaligen Kulturbeauftragten der Gemeinde Münsing - Chr. Bühring-Uhle (SPD) -
im August 2011 formuliert, von diesem an Bürgermeister und Gemeinderat geleitet, dort
in Person des 1. und 3. Bürgermesiters bei einer Einladung des Verfassers ins Rathaus
lebhaft begrüßt und mit Zusagen quittiert: "Ich gebe ihnen meine Hand darauf, dass Ihr
Konzept im Grundsatz in sechs Jahren so verwirklicht sein wird"
.
   Dem folgten lange Phasen ohne irgendeine Weiterwirkung oder wenigstens Befassung, sodann ein Gemeinderatsbeschluss, wonach der Pallaufhof für einen neuen Rathaus-Bau
zu verwenden sei, ggf. mit einem "Mehrzwecksaal", in dem auch kulturelle Aktivitäten möglich sein können.
   Aus den folgenden Diskussionen, namentlich im bürgerschaftlichen Arbeitskreis
"Agenda Kultur" entwickelten sich weitreichende Konflikte - bis zu personalen Angriffen
auf den Autor, auf dessen Ehefrau an deren Arbeitsplatz und auf weitere kulturell
engagierte Gemeindebürger in der Agenda.
   Die beharrliche Behandlung von Thema, Zielsetzung und Liegenschaft durch die
Agenda wurde zunächst gekrönt von einem Round Table nahezu aller relevanten Träger kommunaler Kulturarbeit mit einer Bedarfsauflistung und Gesamtkonzeption, die dem Positionspapier im Wesentlichen entspricht und als eine Zwischenbilanz der Willens-
bildung in einer Bürgerbeteiligung gelten kann - allerdings an Ort und Stelle von zwei anwesenden Gemeinderäten als "nicht real" abgetan (s.
http://www.agenda-kultur-muensing.de/kulturbericht.html.)
   Eigene Arbeitsgruppenbildungen unter der Regie genau dieser Gemeinderäte und
des Kultursprechers Bühring-Uhle (auf dessen Ersuchen der KUS-Konzeptvorschlag ja  zurückging) machten sich dadurch auffällig, dass sie die Positionen und Inhalte des Positionspapiers adaptierten, als Eigenleistung vorlegten - dann aber im Nichts hängen
ließen. Seither - nach nunmehr fünf Jahren - ist nicht mehr als der Status quo ante zu verzeichnen, allerdings begleitet von durchaus eigenständigen Gruppenbildungen. Die Entscheidungsträger verfolgen keine auch nur ansatzweise kulturelle Zukunftsplanung, somit auch keinerlei Bildung einer kulturdienlichen Infrastruktur und schon gar keine Bürgerbeteiligung daran.
   Aus den lange kontroversen (und damit wenigstens noch lebendigen) Diskursen und
Denkprozessen ist bis Mitte 2016 weitreichende desillusionierte Resignation geworden,
die sich gelegentlich in Ironie ausdrückt - bei Anlass auch in kritischen Diskussions-beiträgen (wie der Kritik an einem Loriot-Denkmal, s. Menüpunkt KommKult III
auf dieser Website). Oder in glossarischen Randbemerkungen, wie u.a. den hier nach- folgenden.

Münsings "kulturelles Allzeithoch"
           oder Die normative Kraft des Faktischen
            Aus hochrangig positioniertem Münsinger Kultur-Anlass
               gerichtet von Dr. Michael Köhle an BM Michael Grasl, den 1. Bürgermeister
               der Goßgemeinde Münsing am Starnberger See:


  Lieber Herr Grasl,
ohne Zweifel gehört auch ein "Münsinger Ochsenrennen " zu den kulturellen
Äußerungen und Schöpfungen des homo sapiens.

   Welche komplexen inneren Verarbeitungen sich in solchen Brauchtums- und Traditionsphänomenen, denen sich die Gemeinde in ihrem Leitbild so eindrucksvoll verpflichtet hat, verdichtet haben, kann hier nicht erörtert werden. Fachlich könnte
hier von "naiver Reflexivität " gesprochen werden. Schade, daß sich die drei großen Humoristen unserer Gemeinde dazu nicht mehr äußern können!?

   Differenziertere Reflexionen (implizite und explizite) lassen ein Bedürfnis nach
einer übersichtlichen und hierarchischen Einordnung von kulturellen Äußerungen wünschenswert erscheinen – damit kulturelle Bedürfnisse und Wünsche bei Minder-heiten der Einwohner dieser unserer Gemeinde nicht gänzlich zu Randerscheinungen verkümmern.

    Anders ausgedrückt: Wir sollten wieder den Mut haben, eine Bildungs- und Kulturhierarchie zu benennen, diese zu werten, sie zu diskutieren und uns von dem Irrglauben, alle und alles sei doch gleich (zumindest im Bierzelt!?) endlich wieder verabschieden. Die Qualität von Kultur wird auch in Münsing nicht durch Masse entschieden: das bleibt tröstlich.
    Sie selbst stecken bei bei all diesen Fragen in einer erheblichen Zwickmühle, die
Sie sich aber in den letzten Jahren auch selbst errichtet haben. Wir, die wir uns hier redlich im oberen Bereich der Kulturhierarchie abmühen ,werden auf Sie als Bürger-meister dieser Gemeinde in nächster Zeit mit Unterstützungsforderungen zukommen,
die sich an dem Aufwand orientieren, den die Gemeindeverwaltung jetzt für das Kulturspektakel „Ochsenrennen“ erbringt. Um den Aufwand dafür abschätzen zu
können, möchte ich Sie bitten, diesen in den nächsten Wochen offenzulegen!

    Wir werden rechtzeitig vor dem kommenden Wochenende (in der schönsten Sommer- zeit!) zu unserem persönlichen kulturellen Schutz Münsing verlassen. Wir wünschen Ihnen einen guten Verlauf. Rechtzeitig zu den dann sicher anlaufenden Bier- und Wein- festen sind wir natürlich wieder in alter Frische zurück! Bis dahin freundliche Grüße
von Ihrem Mitbürger:

    Dr. Michael Köhle
    1. Vorsitzender der Franz-Graf-von-Pocci-Gesellschaft                                    24.8.2016

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© Klaus Ulrich Spiegel