Gesangstechnische Begriffe

 

Acciaccatura

Ornament: Eine kurze, auf dem Takteinsatz gesungene Note, die der Zielnote vorausgeht und diese harmonisch schärft.

 

Agilità

Geläufigkeit, Beweglichkeit für verzierten und virtuosen Gesang.

 

Acuto

Spitzenton, der die musikalische Phrase krönt.

 

In alto (In altissimo)

In der Höhe — meistens bezogen auf die 2- und 3- bzw. 4-gestrichenen C.

 

Appoggiatura

Vorschlag-Note(n) vor oder zwischen Melodietönen = Unterstützende Note(n) zur akustischen Akzentuierung und Steigerung der Spannung melodischer Linien.

 

Assoluta

Primadonna assoluta — eine Sängerin, die sämtliche Fächer beherrscht, also lyrische, dramatische und verzierte Partien zu singen vermag.

 

Arpeggio

Ein vokaler Harfen-Effekt: Teilung eines Akkords in rasch fallende oder steigende Notenwerte.

 

Aspirierung

Häufiger Gesangsfehler: Die Behauchung eines Vokals bei der Attackierung des Tons oder zwischen den Vokalen einer Koloratur. Verhindert korrekte Legato-Bindung.

 

Attacke

Der kernhaft feste (aber nicht harte) Anschlag eines Tons.

 

Auszierung

Das freie, improvisatorische Ausschmücken eines Gesangsstücks durch Fiorituren, Figuren, Koloraturen.

 

Belcanto

(wörtlich: Schöngesang) — ein Form- und Stilbegriff für die Gesangskunst der klassischen Schule, auch für die Vokalmusik des 18. bis Mitte des 19. Jahrhunderts.

 

Cabaletta

Virtuoser (in der Regel: schneller) Abschlussteil eine Arie. (auch: Stretta).

 

Cantilena

Langgezogene, fließende, ausschwingende Melodie.

 

Canto fiorito

(wörtlich: geblümter Gesang) — der reich verzierte Gesang in Barock und Belcanto, als Anspielung auch in der Romantik und Spätromantik, selten in der Moderne.

 

Cavatina

Die Arie, ursprünglich besonders Auftrittsarie: Im Belcanto meist Mittelstück eines Solo-Auftritts, nach Recitativo und vor Cabaletta.

 

Chiaroscuro

Wechsel von stimmlichen Färbungen: hell/dunkel.

 

Coloratura

(wörtlich: Färbung). Ein aus dem Deutschen kommender, italianisierter Begriff für Schmückung der Linie durch Teilungen, Kadenzen und Verzierungen.

 

Dolcezza

Süße und Sanftheit. Begriff für die lyrische Tongebung vor allem in elegischer Musik.

 

Dynamik

Ab- und Ausstufung der Lautstärke zwischen Pianissimo und Fortissimo.

 

Emission

Das kontrollierte Entlassen des Tons auf sanftem, stetigem Atem — ohne Druck / mit schwingender, beherrschter Beendigung.

 

Falsetto

Das höchste Register der Männerstimme mit dem Klang einer Knabenstimme. Falsett-Töne klingen wie geblasen, meist schwingungsarm. Auf korrekter Stützung ist eine Entfaltung mit enormer Virtuosität möglich — so bei Altisten und Countertenören.

 

Fermate

Langgehaltene Note (auch Corona genannt)

 

Fiati

Töne auf einem (langen) Atem.

 

Fil di voce

Ein fadenfein auf dem Atem ausgesponnener Ton

 

Filatura

Ausgesponnene Note am Ende einer Phrase.

 

Fokus

Brennpunkt. Verwendet für: Konzentration des Tons.

 

Gruppetto

Wichtiges Ornament: Gruppe von vier Noten — von einer höheren auf die Melodienote, unter diese und auf die Hauptnote zurück. Muss flüssig in die Linie integriert werden.

 

Intervall

Abstand zwischen zwei Tönen.

 

Intonation

Fähigkeit zum korrekten Anschlag des Tons auf exakter Tonhöhe.

 

Kadenz

Eingeschobene Abschlusspassage am Ende einer Arie, oft vor der Cabaletta. Mit der Funktion einer ausdrucksvollen Improvisation.

 

Legato

Grundlage künstlerisch vollkommenen Singens: Die Bindung der vokalen Linie mit lückenloser Ton-Integration. Prinzip: Nicht der Sprache Klang beigeben, sondern dem Klang Sprache zuführen.

 

Lirico spinto

Lyrisch und dramatisch gleichermaßen befähigter Sänger (meist Tenor und Sopran). Der deutsche Analog-Begriff ist Zwischenfach. Typische Beispiele sind die Tenor-Heroen Verdis und die Sopranheldinnen bei Richard Strauss.

 

Marcato

Markierung oder Betonung: Das feste (gehämmerte) Anschlagen einer Note ohne heftige Stößigkeit und/oder Atem-Nebengeräusche. Wichtig im dramatischen Gesang.

 

Melisma

Koloraturkette mit einem Vokal auf sehr langem Atem.

 

Messa di voce

Das Ausströmen der Stimme mit beherrschtem An- und Abschwellen des Tons.

 

Mezza voce

Die halbe Stimme. Sie soll kein gedämpftes Forte mit der Folge gefesselter Tongebung und auch kein kaschiertes Falsetto sein, sondern auf fester Atemstütze einen resonanten, leise leuchtenden Klang erzeugen.

 

Morbidezza

Schmerzliche, verhangene Einfärbung des Stimmklangs.

 

Morendo

Ersterbender, in feinem Hauch ausklingender Ton.

 

Parlando

Gesang im Sprechton, vor allem beim silbischen Tonsatz oder in Rezitativen. Wichtig: Das blitzschnelle Einschwingen der Stimme, damit die Sprache dem Klang zugeführt werden kann und nicht umgekehrt (s. Sprechgesang).

 

Passaggio

Das Schalten der Stimme durch die Register ohne Klangveränderung. Man spricht von Registerausgleich oder Register-Verblendung.

 

Platzierung

Die Hinführung und Konzentration des Tons auf der Atemsäule in den harten Gaumen und in die Resonanzräume des vorderen Kopfbereichs. Dient zur Formatierung des Tons und zur Entfaltung des Volumens.

 

Portamento

Ursprünglich: Das Tragen betonter langer Töne auf einem Atem = schwingende, atmende Tonführung. — Heute in engerem Sinn: Die gleitende Verbindung zwischen zwei Tönen, meist auf einen dominanten Ton zu.

 

Register

Gleichsam die Etagen der Stimme. Register haben ihre spezifische Färbung. Diese müssen aneinander angeglichen werden, damit ein einheitliches, bruchfreies Legato möglich wird (Leo Slezak humorig: Kein Hakeln beim Schalten).

 

Rinforzamento

Klangsteigerung, dynamische Intensivierung = dramatische Entfaltung.

 

Rubato

(Tempo rubato: gestohlene Zeit). Mittel der rhythmischen Gliederung
innerhalb einer Phrase, durch minimale Verzögerung oder Beschleunigung zwischen den Notenwerten bei exakt gleichbleibendem Taktzähler. Zitat
Bruno Walter: "Lockerung der Genauigkeit in Tempoführung und Rhythmus
zugunsten gefühlsbedingter Dehungen und Beschleunigungen."

 

Scooping

Englischer Begriff für tonlich indifferentes Angleiten von Tönen statt sauberer Intervallbildung (auch Crooning genannt, von engl. to croon = schmalzen, jaulen). Typisch z. B. für Popgesang, doch auch als Ausdrucksmittel im Blues/Jazz oder Synagogen-Kantoralgesängen.

 

Sforzato

Jähe, scharfe Akzentuierung oder stark betonter Akkord.

 

Sfumato

Metaphorisch für Duft & Atmosphäre (etwa bei den exotisch anmutenden Klängen der spätromantischen, meist französischen Oper, z. B. bei Massenet).

 

Smorzando

Schmachtende Phrase.

 

Sprechgesang

Nicht zu verwechseln mit Parlando! Rhetorisch-deklamatorischer Vortragsstil, etwa bei der Interpretation von Wagner-Opern. Von Bayreuth-Parteigängern am Jahrhundertbeginn als Absage an den italienischen (undeutschen), also den klassischen Vokalstil aufgefasst. Ohne korrekte Tonbildung ein gesangswidrig-problematisches, außermusikalisches Vortragsmittel.

 

Squillo

Durchschlagende, metallische Tonqualität — etwa in hohen Lagen.

 

Staccato

Gestoßene, präzise voneinander abgeteilte Töne in rascher Folge. Der Tonstoß soll nicht spürbar sein — Aspiration ist legatowidrig fehlerhaft.

 

Stamina

Durchhaltekraft, Ausdauer.

 

Stimmglanz

entsteht durch Beimischung der Kopfstimme zur Bruststimme in dynamischen Abstufungen durch die Register (je höher der Ton, um so mehr Beimischung von Kopfstimme) und durch perfekte Projektion des Tons in den Raum.

 

Tessitura

Lage und Gesamtumfang einer Gesangspartie und einer Stimme — bezogen auf die vorherrschenden Tonhöhen, also die durchgängige Ton-Etage.

 

Timbre

Farbe/Färbung einer Stimme — eine Naturqualität, gleichsam der akustische Fingerabdruck.

 

Tremolo

Starkes, unschön waberndes Wackeln einer Stimme. Symptom unsteter, unbeherrschter Atemführung, auch infolge Alterung des physischen Organismus.

 

Triller

Besonders anspruchsvolle klassische Verzierungsform: Schneller Wechsel zwischen einer Note und ihrer oberen — einen Halb- oder Ganzton entfernten — Nebennote. Zur Belebung der Kantilene (etwa bei Schluss-Akkorden) und als Demonstration gesangs-technischer Fertigkeit. Im Belcanto obligatorisch. Bei späteren Stilformen als Zitat oder parodistisches Element verwendet (z. B. bei Wagner: Brünnhildes Ewig war ich oder Hagens Mannenruf — wg. sängerischen Unvermögens meist nicht ausgeführt).

 

Vibrato

Das natürliche Schwingen der Stimme. Gibt dem Ton Leben, Intensität, Emotion. Kann bei perfekter Atemführung dynamisch als Stilmittel eingesetzt werden.

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© Klaus Ulrich Spiegel