Stimmen in Stuttgart
100 Jahre Württembergische Staatsoper

Die Nachkriegszeit — 1945 bis 1950

Die Phase des Wiederbeginns regionaler Kunst- und Kulturarbeit in großen deutschen Städten nach der totalen Kapitulation des NS-Staats am Ende des Zweiten Weltkriegs war von zwei Umständen bestimmt: Einerseits wurden Theater und Musik gleichsam zum Überlebensmittel für eine von Not, Hunger, Demütigung bedrängte Bevölkerung. Andererseits gab es fast keine Infrastruktur und damit keine zureichende Arbeitsbasis mehr. Alles lag in Trümmern. So gut wie kein Theater- und Konzertgebäude stand noch oder war wenigstens provisorisch bespielbar. Organisationsstrukturen waren zerschlagen. Nur Reste von Fundus waren unvernichtet geblieben. Das Personal war in viele Winde verstreut.

 

Nach dem Inferno:
Renaissance mit engagierter Kunst

So war kulturelles Leben nur unter extremen Umständen, mit dürftigsten
Mitteln und begrenzten Ressourcen möglich. Dennoch ereignete sich allerorten ein neuer Aufbruch, mit kaum glaublichem Engagement und ganz erstaunlichen Ergebnissen — oft schon ab Mai 1945. Das war so in Berlin, Hamburg, Köln, Frankfurt, Hannover, Wiesbaden, Mannheim, Nürnberg und, hochbeachtlich, in den extrem zerstörten Rhein- und Ruhr-Städten. Besonders faszinierend stellen sich in der Rückschau die jeweils versammelten Künstlergruppen dar. Wer überlebt hatte und in Metropolennähe verfügbar war, fand sich ein und über- nahm anstehende Aufgaben, oft wahllos, unabhängig von Eignungen und Fachzuweisungen.

   Konkret: Wo zuvor an einem Haus vier bis fünf Dutzend Ensemblemitglieder werkgerechte Besetzungen sicherten und zugleich prominent-populäre Stargäste integrierten, waren nun gerade noch zehn bis zwölf Solisten greifbar, die förmlich alles leisten mussten, fast en suite auf Bühne und Podium standen, dies bei Kälte, Knappheit, oft Unterernährung. Doch es kam zu Programmen und Produktionen auf respektablem bis hochachtbarem Niveau. Ein Kulturwunder, das dem vielgenannten Wirtschaftswunder in Westdeutschland weit vorausging.

Das Göttergeschenk:
Ein bespielbares Großes Haus

In Stuttgart ging alles ein wenig behäbiger, zäher voran. Träger und Entscheider zeigten zunächst vor allem Uneinigkeit. Politische und administrative Kräfte, bestimmt vom Gegensatz eingesessenen Personals und impulsstarker Rück- kehrer, alle im (nicht immer sachkundigen) ordnenden Zugriff der französischen Besatzung, kamen nur langsam zu Weichenstellungen von Bestand. Nach kurzem Vorbreitungs-Intermezzo mit dem Rundfunkmann Heinz Eschwege beauftragte der willensstarke neue Oberbürgermeister Dr. Arnulf Klett den berühmten Kammersänger Max Roth mit den Aufgaben eines Intendanten.
Der sicherte eine Bestandsicherung und erste Budgetierung.

   Doch bald nahm die württembergische Kulturverwaltung das Institut als staatliche Einrichtung in ihre Zuständigkeit: Der Chef der Kulturbehörde, Prof. Carlo Schmid (SPD / Mitglied der verfassunggebenden Versammlung der künftigen BRD) , setzte den früheren, von den Nazis verjagten Generalinten-danten Albert Kehm wieder ein. Mit Matineen und kleinen Kammerkonzerten begann das Stuttgarter Musikleben im Sommer 1945. Dabei fand sich eine Schar namhafter Stuttgarter Musiker und Sänger wieder zusammen. Auch das Staats-orchester gewann seinen alten Spielerstamm zurück, verstärkt durch erste Nachbesetzungen.

   Das Schauspielensemble, nach der Totalzerstörung des Kleinen Staatstheaters nun im noch bespielbaren Kammertheater, begann einen Spielbetrieb im August. Eine kleine Ballett-Compagnie offerierte im September einen ersten Tanzabend. Derweil hatten sich die Aufräumarbeiten im Großen Haus soweit vollendet, dass ein professioneller Spielbetrieb vorbereitet werden konnte.

Die berühmte Spielstätte, auch architektonisch ein Juwel ihrer Art, war einem Wunder gleich als einziges der großen Opernhäuser im deutschen Sprachraum unzerstört geblieben, wies nur Innenschäden und Brandspuren auf. Als einziges deutsches Staatstheater hatte Stuttgart alle Ressourcen für vollen Opernspiel-betrieb behalten. Und doch: Während Dutzende wichtiger Staats- und Stadt-theater in Werkhallen, Schulaulen, Kinoräumen oder gar unter freiem Himmel schon seit Mai wieder Musiktheater zu machen versuchten, kam es im Stuttgarter Großen Haus erst am 3. Okto­ber 1945 zur ersten Aufführung — der Fledermaus.

 

Recherchen und Versäumnisse:
Ein Kopf für eine Ägide

Als Retter erster Stunde hatte Intendant Albert Kehm Teile des Ensembles wieder versammeln können, so die Gesangssolisten Kapper, Clauss, Wissmann, Fischer, Bauer, Blessin, Buchta, Czubok, Roth, von Rohr, dazu den jungen Wolfgang Windgassen, bald die spielgewandte Hetty Plümacher, die Soprane Junker-Giesen, Arazym-Haape, Schnering, den universellen Tenor Anton John. Für die musikalische Leitung konnte er zwei bewährte Staatskapellmeister einsetzen: Alfons Rischner, seit 1938, und Josef Dünnwald, seit 1940 im Verband der Staatstheater. Rischner dominierte als routinierter Allesdirigent ein breites Werkspektrum von Wagner bis Operette (mit Beginn der Ära Schäfer wechselte er ganz zum Rundfunk). Dünnwald betreute souverän das italo-französische Repertoire (er blieb bis zu den 1980ern als 1. Staats­kapellmeister am Stuttgarter Haus aktiv).

   Der erfahrene Administrator Kehm sah sich stets als Mann des Übergangs.
Ihm wie der ganzen württembergischen Kultur-Öffentlichkeit war klar: Die Staatstheater brauchten einen Generalmusikdirektor. Wieder wirkten diverse Kräfte, teils in örtlichen Traditionsstrukturen etabliert, teils als externe Ratgeber gerufen, im Effekt eher gegeneinander als kooperativ an einer Lösung. Die mehrmals geschlossene, dann wieder ergänzte Vorschlagsliste begann mit exilierten welt- berühmten Pultgrößen wie dem großen Erich Kleiber (der 1945/46 noch keine Motivation zur Rückkehr hegte), schloss regional etablierte künftige Dirigierstars wie Hans Schmidt-Isserstedt ein (der erfolgreich die Spitzenposition in Hamburg vorzog), überging den bereit gewesenen arrivierten Hans Rosbaud — und gipfelte in noch weithin unentdeckten Zukunftshoffnun-
gen wie dem jungen Georg Solti. Dieser war nach einem triumphalen Gastdirigat mit Fidelio im Großen Haus sofort zum Favoriten avanciert. Als es aber der Entscheidungs-trägheit der zuständigen Politik und Verwaltung wegen nicht zu konkreten Angeboten kam, übernahm er kurzentschlossen die GMD-Position beim Bayerischen Staatsorchester und damit an der Bayerischen Staatsoper, womit die Basis seiner späteren Weltkarriere gelegt wurde.

   Schließlich kam eine nachdrückliche Empfehlung des Komponisten Carl Orff zum Zuge. Dieser hatte auf den bedeutenden, bis heute nicht in seinem Rang gewürdigten Musikwissenschaftler, Komponisten, Pädagogen, Schriftsteller und Dirigenten Bertil Wetzelsberger hingewiesen, welcher 1937 die Uraufführung seines Jahrhundertwerks Carmina Burana geleitet hatte und sich zur der Zeit als bayerischer Staatskapellmeister beim Wiederaufbau des Münchner Musiklebens engagierte. Wetzelsberger war auf der Suche nach einer Chefposition, die es ihm ermöglichen würde, diverse in der NS-Herrschaft verfemte Werke - wie z.B. Hindemiths Mathis der Maler - aufzuführen.

 

Zielführende Entscheidung:
Endlich ein General

Wetzelsberger brachte die Nerven auf, den zähen Meinungsbildungsprozess in Stuttgart abzuwarten. Schließlich erhielt er einen Vertrag für die Chefposition
ab 15. Mai 1946 — erstaunlicherweise aber nicht mit dem Titel Generalmusik-direktor, sondern als Generalintendant, eine Zuständigkeit, die alle Aufgaben und Kompetenzen des musikalischen Oberleiters aber mit einschloss.

   Seine Zeit auf dem Stuttgarter Chefposten erwies sich als segensreich. Sie umfasste gerade vier Spielzeiten — als Opernchef am Großen Haus wie als Leiter des Württembergischen Staatsorchesters. Mit seinem Wirken verbindet sich der Aufbau eines Basis-Ensembles aus bewährten Solisten, verstärkt durch neue Talente, zurückgekehrte Publikumslieblinge, bald auch erste Gaststars. Durch strategische Personalpolitik zwischen Bestand und Ausbau brachte er das Staats-orchester rasch auf internationales Qualitätsniveau. Er baute ein Bühnenreper- toire auf, in dem die populären Schlachtrösser des Opernspielplans wie die klassische Operette kassensicher vertreten waren, doch kontinuierlich auch ein Nachholangebot an Klassikern der Moderne ihren Platz hatten, behutsam ergänzt durch neue Werke — etwa von Strawinsky, Orff, von Einem, Reutter, dazu die Erstaufführung des Mathis und Uraufführung der Bernauerin.

   Wetzelsbergers kurze Stuttgarter Ära scheint im Rückblick hinter der folgenden strahlenden Epoche des Duos Walter Erich Schäfer & Ferdinand Leitner zu verschwinden. Um so wichtiger die Erinnerung an die beschwerlichen, von beschränkten Mitteln, manchem Verzicht, doch beeindruckendem Schaffensgeist geprägten Aufbaujahre, die der Schäfer-Leitner-Ägide erst den Weg bereiteten.

Spiritus Rector des Wiederaufbaus

 

Bertil Wetzelsberger (∗ 1888 ‑ † 1962) war ursprünglich Kunstwissenschaftler mit Staatsexamen und Promotion, dann Kompositions‑ und Dirigierschüler bei Franz Schalk und Arnold Schönberg. Stark beeinflusst war er durch Begegnungen mit Karl Kraus, Adolf Loos, Oskar Kokoschka. Nach ersten Gelegenheits-Dirigaten (als Engelbert W.) gelangte der Anfänger durch einen Ruf Bruno Walters an die Münchner Oper. Ab 1921 arbeitete er als Solokorrepetitor und Assistent von Richard Strauss an der Wiener Staatsoper.

   Der junge Dirigent setzt sich engagiert für die Musik von Pfitzner, Strauss, Strawinsky, Bartók, Hindemith, Weil und Krenek ein. 1921 wird er als Bart W. Kapellmeister am Landestheater Salzburg. 1923 geht er ans Opernhaus Düssel- dorf, 1926 ans Stadttheater Nürnberg. 1933 avanciert er zum Opernchef und Leiter der Museumskonzerte in Frankfurt/M., wenig später auch zum Leiter des dortigen Hoch’schen Konservatoriums. 1937 leitet er in Frankfurt die Urauffüh- rung von Carl Orffs Jahrhundertwerk Carmina Burana, 1940 in München die Uraufführung von Werner Egks Ballett Joan von Zarissa. Neben Clemens Krauss übernimmt er eine Kapellmeisterstelle in München, geht 1939 ganz an die Bayerische Staatsoper. Er wirkt nach Kriegsende maßgeblich bei der Wieder-aufnahme des Opernbetriebs im Münchner Prinzregententheater mit.

   Zur Spielzeit 1946/47 wird er als Musikdirektor und Intendant an die Württem-bergische Staatsoper berufen. Dort bringt er in deutschen Erstaufführungen Strawinskys Geschichte vom Soldaten, Orffs Agnes Bernauer und Hindemiths Mathis der Maler heraus. Er leitet den Aufbau des Repertoires mit einem Ensemble aus alten und neuen Kräften, dirigiert vielfältiges Repertoire  von Entführung über  Rigoletto bis Verkaufte Braut. Als beeindruckende Tat wird seine konzertante Aufführung der Akte 1 & 3 von Pfitzners Palestrina gewertet, in der das gesamte Kernensemble der Staatsoper mitwirkt. Wetzelsberger hat die Stuttgarter Chef- position bis 1949/50 inne. Danach arbeitet er nur noch als Gastdirigent, vor allem bei europäischen Klangkörpern, mit denen auch Tonaufnahmen entstehen, bei Rundfunkorchestern, schließlich auch als TV-Moderator.

   Wetzelsbergers lebenslanger Einsatz für die Werke der Spätromantik und der Moderne setzte Marksteine der neueren Musikgeschichte. Die Grabstätte des bedeutenden Musikers liegt auf dem Stuttgarter Pragfriedhof. Es ist kaum glaublich, dass sich Wetzelsbergers Spur in der heutigen Fachpublizistik und
in Tonträgerverzeichnissen kaum mehr findet.

 


Stimmen in Stuttgart

Die folgenden Kurznotizen zu Gesangssolisten der Stuttgarter Staatsoper in
den 1940er ff. Jahren folgen der Reihung in der Box Volume 1.

Folgende Kürzel werden verwendet:
WüStO = Württembergische Staatsoper
Ks = Kammersänger/in / G = mit Gastvertrag
UA = Uraufführung / DE = Dt. Erstaufführung

Am Ende jedes Absatzes werden die Jahre der Mitgliedschaft oder Gasttätigkeit an der WüStO genannt.
 

Marcel Wittrisch (∗ 1903 ‑ † 1955) Ks / Zwischen 1928 und 1945 Startenor der Staatsoper Berlin als Lirico und Spinto. Bayreuther Lohengrin. Mitwirkender in Ur- und Erstaufführungen von Wolf-Ferrari, Gotovac, Klenau, Wagner-Régeny. Internationale Karriere. Populärer Funk- und Plattensänger. Gastierte an der WüStO in dramatischen Partien (Max, Parsifal) und Operettenrollen (Eisenstein, Danilo). G / 1949 ‑ 1955.

Paula Kapper (∗ 1903 ‑ † 1963) Ks / 20 Jahre lang die zentrale jugendlich-dramatische Sopranistin der Stuttgarter Oper. Debütierte hier in der DE von Dvoráks Rusalka, schritt von Lirica leggiera zu Fidelio, Aida, Kundry, Ariadne. Sang in UA von Klenau und Dostal. Gastierte an deutschen und europäischen Bühnen. Später Gesangspädagogin an der Musikhochschule Stuttgart. Blieb seit den 1950ern als beliebter Gast, nun in Charakterpartien, dem Haus verbunden. 1929 ‑ 1960.

Engelbert Czubok (∗ 1902 ‑ † 1967) Ks / Der dominante Bariton für ein universelles Repertoire an der WüStO. Dreieinhalb Jahrzehnte lang im Mittelpunkt des Ensembles, mit einem Spektrum von Papageno bis Amonasro. War von Prag und Breslau nach Stuttgart gekommen. Blieb bis weit in die Ära Schäfer-Leitner als Erstfachsänger im festen Engagement. 1931 ‑ 1967.

Trude Eipperle (∗ 1908 ‑ † 1997) Ks / Die führende Sopranistin der WüStO, erst als Lirica, dann als Jugendlich-Dramatische. Gefeierter Gast großer europäischer Opernhäuser. Schon im Studium Elevin am Stuttgarter Haus. Über Wiesbaden und Nürnberg ab 1937 und erneut ab 1950 als Erstfachvertreterin fest an der WüStO. 1942 bei den Salzburger, 1952 bei den Bayreuther Festspielen. Internationale Gastauftritte. Zahlreiche Rundfunk- und Plattenaufnahmen. Ehrenmitglied der WüStO. 1937 ‑ 1940 + 1950 ‑ 1965.

Karl Schmitt-Walter (∗ 1900 ‑ † 1985) Ks / Führender Baritono nobile seiner Generation. Schüler von Trunk, Landauer, Reinmar. Kam über Saarbrücken, Dortmund, Wiesbaden an die Bayerische Staatsoper und ans Deutsche Opernhaus Berlin. Populär als Radiosänger. Plattenstar mit über 500 Schellack-Titeln. Zweite Karriere als Konzert- und Liedsänger. Gast an der Wiener Staatsoper, ständig auch an der WüStO. Weltberühmt als Beckmesser in Bayreuth. In Stuttgart vor allem als Don Giovanni, Dr. Falke, Graf Eberbach präsent. 1957 Professor an der Münchner Hochschule für Musik. G / 1953 ‑ 1963.

Hans Blessin (∗ 1914 ‑ † 1990) Lirico und Spieltenor von großer Spannweite, Stütze des Ensembles. Kam vom Opernhaus Düsseldorf, sang an der WüStO schier grenzenloses Repertoire, vom Buffo bis Verdi und Puccini, vor allem Mozart-Partien, später auch Comprimarii in Charakterfach und Operette. Gastierte im In- und Ausland. 1938 ‑ 1967.

Hetty Plümacher (∗ 1919 ‑ † 2005) Ks / Universaler lyrischer Mezzo und Spielalt. Seit Kriegsende an der WüStO. Komödiantin und Charaktersängerin in allen Genres und Stilen mit einem Spektrum von Monteverdi bis Egk. Europaweite Gastspiele. Mitwirkende der Festspiele von Bayreuth, Salzburg, Schwetzingen. Gefragte Konzertsängerin. Später Pädagogin an der Musikhochschule Stuttgart und am Salzburger Mozarteum. 1946 ‑ 1977.

Max Roth (∗ 1886 ‑ † 1961) Ks / Der große Heldenbariton der Stuttgarter Oper. Renommiert in großen Wagner-Partien (Sachs, Wotan, Holländer, Telramund, Kurwenal, Amfortas). Auch als Charakterbass erstrangig. Seit 1915 an großen Bühnen und bei Festivals, in Wiesbaden, Berlin, München, Frankfurt/M., Brüssel, London, Paris, bei der German Opera Company in USA und den Zoppoter Waldfestspielen. Ur- und Erstaufführungen von Krenek, Milhaud, Klenau, Höffer, Reutter. Seit den 1930ern zentrale Gestalt der WüStO, zeitweise kommissarischer Opernchef. Ehrenmitglied der WüStO. Nach dem Bühnenabschied Industriemanager. 1932 ‑ 1956.

Hanna Clauss (∗ 1912 ‑ † 2005). Soprano leggiero mit weitgespanntem Repertoire, Schülerin der legendären Maria Ivogün. Zunächst Operetten-Soubrette in Krefeld, Hagen, Plauen. Kam kurz vor Kriegsbeginn nach Stuttgart und entfaltete hier eine Opernkarriere mit großer Resonanz, blieb aber auch Operettenstar. Sang in UA neuer Werke von Nico Dostal. Ihr Opernspektrum reichte von Soubrettenrollen bis zur Pamina, Marenka, Frau Fluth. 1939 ‑ 1948.

Wolfgang Windgassen (∗ 1914 ‑ † 1974) Ks / Der zentrale Tenor der WüStO während der 1940er bis 1970er Jahre. Sohn des Stuttgarter Heldentenors Fritz W. Weltberühmter Wagnersänger. Zentraler Bayreuther Tenor der Wieland-Ära. Nach Anfängerjahren am Stadttheater Pforzheim und Kriegsdienst 30 Jahre am Stuttgarter Haus, erst als Charakter-Lirico, dann als Spinto und Drammatico, schließlich als Träger schwerer Heroenpartien. Weltweite Auftritte. Zahlreiche Tondokumente. Ehrenmitglied der WüStO. 1972 Operndirektor der WüStO. 1945 ‑ 1974.

Olga Moll (∗ 1913 ‑ † 1993) Ks / Die erste Koloratursopranistin der WüStO vor Ruth-Margret Pütz. Kam über Kiel, Rheydt, Magdeburg mitten im Weltkrieg nach Stuttgart und blieb dem Haus 20 Jahre verbunden. Erst aufs Koloraturfach konzentriert, seit Ende der 1950er auch als Lirica. Ihr Repertoire reichte von Königin der Nacht bis Zerbinetta. Sie gastierte an deutschen Staatsbühnen und u. a. in Zürich, Wien, Florenz, Paris, Lissabon. 1941 ‑ 1962.

Franz Sautter Buffo- und Leggiero- wie auch Charaktertenor, Vorgänger Alfred Pfeifles. In Oper und Operette vielseitig bewährt mit Charakteren wie Kilian, Goro, Parpignol bis Pedrillo und David. Im ersten Stuttgarter Nachkriegsensemble unentbehrlich. Auch als Radiosolist geschätzt. 1945 ‑ 1949.

Walter Hagner (∗ 1900 ‑ † 1987). Markanter Basso serioso e comico. Nach 25 Jahren Laufbahn an deutschen Opernbühnen seit Kriegsende an der WüStO, International als Gast (vor allem mit Wagner) gefragt. Auch erfolgreicher Konzertsänger. 1946 ‑ 1961.

Marta Fuchs (∗ 1898 ‑ † 1974) Ks / Stuttgarterin. Berühmte Mezzosopranistin, dann führende deutsche Hochdramatische. Staatsopern Dresden und Berlin. Isolde, Brünnhilde, Kundry in Bayreuth. Bedeutende Liedsängerin, u. a. in der Hugo-Wolf-Edition. In der Endphase ihrer Karriere in großen Wagner-Partien Gast an der WüStO. G / 1950 ‑ 1953.

Walther Ludwig (∗ 1903 ‑ † 1981) Ks / Illustrer Gast (kurzeitig auch Ensemlemitglied) der WüStO im Herbst seiner Starkarriere als vielbewährter Lirico, Mozart-Tenor und legendärer Konzertsänger. Ursprünglich (nach dem Bühnenabschied erneut) praktizierender Mediziner. Mitglied der Berliner und Wiener Staatsoper. Gast nahezu aller Weltmusikzentren, Festivals und Konzertpodien. Bedeutender Liedinterpret. Populärer Plattenstar. Professor an der Berliner Musikhochschule. G / 1951 ‑ 1953.

Lore Wissmann (∗ 1922 ‑ † 2007) Ks / Führende Lirica der WüStO in den 1940ern bis 60ern. Seit 1939 als Elevin am Stuttgarter Haus, erst Soubrette, seit 1946 Erste Lyrische mit universalem Repertoire. Auftritte in Bayreuth und weltweit. Ein Vierteljahrhundert lang eine der beim Publikum beliebtesten Sängerinnen des Hauses überhaupt. 1941 ‑ 1970.

Res Fischer (∗ 1896 ‑ † 1974) Ks / Schülerin von Lilli Lehmann. Verkörperte die Tradition des echten dunklen Contralto. Institution der deutschen Opernszene. Auftritte bei den Salzburger und Bayreuther Festspielen. Mitwirkende in Ur- und Erstaufführungen von Pfitzner, Weingartner, Toch, Hindemith, Wagner-Régeny, Orff. Ehrenmitglied der WüStO. 1942 ‑ 1965.

Ilsemarie Schnering (∗ 1909 ‑ † 1995). Beliebte Soubrette und Leggiera. Nach Stationen in Gotha, Oldenburg, Lübeck, Magdeburg, Königsberg, Breslau an der WüStO, erst als Abendgast, fünf Jahre mit Festvertrag, dann nochmals als Gast. Sang in Opern und Operetten, wechselte in den 1960ern zum Sprechtheater, spielte zahlreiche TV-Rollen (u. a. im Tatort). 1943 ‑ 1955.

Martha Arazym-Haape (∗ 1915 ‑ † ?). Die Stuttgarter Lirica der ersten Stunde nach Kriegsende. Schülerin des Jahrhundert-Tenors Alexander Kirchner. Kam über Brno, Reichenberg und Duisburg an die WüStO. Wirkte in lyrischen wie dramatischen Partien von Nedda über Cho-Cho-San bis Tiefland-Martha, verfügte aber auch über ein Mezzo-Register und sang zugleich ein zweites Repertoire von Mignon bis Carmen. Gastspiele an großen deutschen Opernhäusern. Leider kaum Tondokumente. 1946 ‑ 1951.

Ellinor Junker-Giesen (∗ 1912 ‑ † 2007) Ks / Drei Jahrzehnte lang die dominante Leggiera und Soubrette der WüStO, bewährt in einem grenzenlosen Rollenspektrum des leichten Sopranfachs. Kam über Zittau, Nürnberg, Krakau an die Staatsopern Dresden und Wien. Wechselte bei Kriegsende ans Stuttgarter Haus, zugleich mit Gastvertrag in München. Gastierte an internationalen Bühnen, bis nach Nord- und Südamerika. Gab mit ihrem Mann, dem Liedpianisten Hubert Giesen, zahlreiche Liederabende. 1946 ‑ 1978.

Paula Bauer. Universell einsetzbare Ensemblesängerin im lyrischen Alt‑ und Mezzo-Fach, Stütze des Ensembles. Hervorgegangen aus dem Stuttgarter Staatsopernchor, seit den 1940ern Solistin. Sattelfest in allen Repertoirebereichen — von kleinen und mittleren Aufgaben bis zur Amneris. 1940 ‑ 1961.

Alfred Pfeifle (∗ 1916 ‑ † 1986) Ks / Gebürtiger Stuttgarter. Kam über Freiburg, Hagen, Düsseldorf, Hamburg an die WüStO, galt als legitimer Nachfolger von Hubert Buchta. Wurde mit exzellenten sängerischen und komödiantischen Leistungen zum Publikumsliebling. Maßstabsetzender Pedrillo, Monostatos, Jacquino, Veit, Iwanov, David. Gast vieler bedeutender Opernhäuser und Festspiele Europas, so in Bayreuth. 1949 ‑ 1976.

Anton John (∗ 1910 ‑ † 1967). Einer der interessantesten Tenöre der 1930er bis 1950er Jahre. Bewährt in vielen Spinto-Partien, eigentlich dramatischer Charaktertenor. Sang u. a. Tamino, Florestan, Max, Parsifal, Radames, Canio, Hermann, Bachus, Palestrina. Wirkte später u. a. in Augsburg und Bern. 1943 ‑ 1950.

Maud Cunitz (∗ 1911 ‑ † 1987) Ks / Aus London gebürtige jugendlich-dramatische Sopranistin, Schülerin bei Stoja von Milinkovic. Nach Kriegsende im Kernensemble der Bayerischen Staatsoper München. War aus dem Nürnberger Opernchor über Gotha, Coburg, Lübeck, Magdeburg für fünf Spielzeiten ans Stuttgarter Haus gekommen. Internationale Karriere mit Festspielauftritten und Tonaufnahmen. Dramatisches Repertoire mit Verdi, Verismo, deutscher Romantik und Strauss-Partien. 1940 ‑ 1947.

Rosemarie Braun (∗ ca. 1910 ‑ † ?). Dominante Vertreterin des jugendlich-dramatischen Fachs mit einem Repertoire von Mozart über die Romantiker bis zu Wagners Sieglinde und Strauss’ Salome. Dazu die konkurrenzlose Operettendiva des Stuttgarter Hauses. Rare Tonspuren erweisen Soprangesang erster Qualität. Sie nahm früh Abschied von der Musikbühne, um sich ganz ihrer Familie zu widmen. 1949 ‑ 1954.

Marcus Nohe (∗ 1914 ‑ † ca. 2000) Lyrischer Bariton mit weitgespanntem Rollenrepertoire, auch in kleineren und mittleren Aufgaben, vor allem im italienischen Fach, so mit Shaunard, Silvano, Marullo, Antonio, Surin bis zu Humperdincks Peter. Auch als leichter Bassbariton eingesetzt. Kam mit Wolfgang Windgassen aus Pforzheim an die WüStO. Gastspiele an der Bayerischen Staatsoper und deutschsprachigen Bühnen. Ganz wenige Tondokumente. Beendete seine Laufbahn früh, um auf einen Kaufmannsberuf umzusatteln. 1945 ‑ 1950

Hilde Scheppan (∗ 1907 ‑ † 1970) Ks / Dramatische Sopranistin von internationalem Ruf. Erst Chormitglied, dann als Solistin über Darmstadt an die Staatsoper Berlin, dort 1935 bis 1954 im ersten Fach, seit 1936 in Bayreuth. Gast in Amsterdam, Hamburg, Dresden, München, Wien. Nach dem Weltkrieg am Opernhaus Zürich, dann an der WüStO. Hier vor allem als Glucks Iphigenie gefeiert. Seit 1957 Gesangspädagogin in Coburg. G / 1952 ‑ 1956.

Otto von Rohr (∗ 1914 ‑ † 1982) Ks / Schüler Hermann Weißenborns. Drei Jahrzehnte der unumstritten führende Bassist der WüStO. Gefeierter Favorit des Stuttgarter Publikums. Zugleich international renommiert, vor allem im deutschen und Wagner-Repertoire. Auftritte in allen großen Opernzentren der Welt. Ehrenmitglied der WüStO. 1941 ‑ 1980.

Stefan Schwer (∗ 1902 ‑ † 1990). Vielseitiger Tenore Lirico-Spinto (in Stuttgart Vorgänger Eugene Tobins). Vor allem in italo-französischen Partien mit Schwerpunkt Verdi präsent. Seit den 1930ern Erstfachsänger in Berlin und Hamburg, reüssierte in Stuttgart auch im Charakterfach. Gastierte an vielen europäischen Bühnen, häufig in Wien, auch in Bayreuth. Übernahm später Kleinpartien. 1949 ‑ 1978.

Hubert Buchta (∗ 1899 ‑ † 1986) Ks / Charaktertenor und Tenorbuffo. Urgestein der Stuttgarter Theaterszene — wendig, waschecht, witzig. 45 Spielzeiten mit über 120 Rollen in rd. 5.600 Vorstellungen. Uraufführungen von Hindemith, Egk, Orff. Repertoire ohne Grenzen. Exzellenter Komödiant. Legendärer Frosch in der Fledermaus. Ehrenmitglied der WüStO. 1928 ‑ 1974.

Ira Malaniuk (∗ 1923 ‑ † 2009). Eine der führenden Altistinnen ihrer Zeit. Schülerin der Opernlegende Anna von Mildenburg und des Jahrhundert-Basso Adam Didur. Star der Opernhäuser von Zürich und München, dann auch Wien. Seit der Wiedereröffnung der Festspiele in Bayreuth, 1951 bis 1954 an der Mailänder Scala, seit 1953 Covent Garden London. Auftritte an den berühmtesten Bühnen Europas. G / 1953 ‑ 1958.

Martha Mödl (∗ 1912 ‑ † 2001) Ks / Die Sängerdarstellerin schlechthin. Erst Altistin, dann Hochdramatische, dann fachüberschreitende Charaktersängerin. Gefeierte Wagner-Heroine. 15 Jahre in Bayreuth. Gast aller Weltbühnen — mit Brünnhilde, Isolde, Kundry, Gutrune, Fricka, Waltraute, Fidelio, Macbeth-Lady, in Strauss-Partien, Charakter- wie moderne Rollen. Zentralgestalt des Stuttgarter Winter-Bayreuth. Noch mit fast 90 Jahren in Vitalität europaweit auf der Musikbühne. 1953 ‑ 1981.

Gustav Neidlinger (∗ 1910 ‑ † 1991) Ks / Einer der großen Sängerdarsteller des 20. Jahr­hunderts, zentraler Bassbariton und Charakterbass der WüStO in den 1950er bis 1970er Jahren. Kam nach 20 Spiel­zeiten an der Hamburgischen Staatsoper für eine zweite Karriere nach Stuttgart, mit ständiger Präsenz in Bayreuth, auf Weltbühnen und in Aufnahmestudios — vor allem als Interpret der Wagner-Heldenpartien (wie Max Roth) und eines dramatischen Repertoires ohne Grenzen. Als Alberich des Jahrhunderts weltweit gefeiert und auf Tonträgern dokumentiert. 1950 ‑ 1977.

Gustav Grefe (∗ 1910 ‑ † 1997) Ks / Der Bariton-Utilité der WüStO, kam über Hagen, Bonn, Göttingen, Darmstadt nach Kriegsende ans Stuttgarter Haus, blieb für 35 Jahre, sang vielseitiges Repertoire zwischen Spielbariton, Nobile und Basso cantante. Gastierte selten, dann aber an Spitzenbühnen. War unbegrenzt einsatzbereit, von Top-Partien bis zu Comprimarii. Beim Publikum ob seiner Verlässlichkeit und Treue hochgeschätzt. 1946 ‑ 1983.

Maria Kinasiewicz (∗ 1922 ‑ † ?) Ks / Zentraler Stuttgarter dramatischer Sopran der späten 1940er und der 1950er Jahre. Kam gleich nach dem Bühnendebüt 1947 in Innsbruck und Gastauftritten an der Wiener Volksoper an die WüStO, wo sie das große Fach förmlich trug: Donna Anna, Idomeneo-Elettra, Eglantine, die Verdi-Heroinen, Senta, Gutrune, Ariadne, Färbersfrau, Tosca, Turandot, Santuzza, Wozzeck-Marie. Gastspiele in ganz Europa und Übersee. 1948 ‑ 1960.

Inge Borkh (∗ 1921) Ks / Weltberühmte dramatische Sopranistin, führende Salome und Elektra ihrer Epoche. Erreichte nach einem Jahrzehnt an Schweizer Bühnen ab 1951 die Opernhäuser von Wien, München, Berlin, London, NYC, San Francisco. 1952 Sieglinde in Bayreuth. 20 Jahre neben Mödl die dominante Hochdramatische der WüStO, u. a. mit Fidelio, Verdi, Strauss, Moderne. Trat nach 30 Jahren Opernarbeit auch als Schauspielerin und Diseuse auf. Veröffentlichte Memoiren: Ich komm vom Theater nicht los. G / 1952 ‑ 1972.

Alexander Welitsch (∗ 1906 ‑ † 1991) Ks / Aus Mazedonien stammender Charakterbariton mit Optionen fürs Heldenfach. Seit Mitte der 1930er am Stuttgarter Opernhaus, zeitweise auch in Königsberg, Wien, München, Hamburg, als Gast an den großen italienischen Bühnen (Rom, Milano, Palermo), in Spanien, Südamerika, USA. Sang die markanten dramatischen Operngestalten von Don Giovanni über Amonasro, Jago, Scarpia bis Boris Godunov. Viele Rundfunkeinspielungen. 1936 ‑ 1941 + (G) 1946 ‑ 1963.
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© Klaus Ulrich Spiegel