Belcanto (von ital. bel canto = schöner Gesang
) Das Wort benennt eine stilistisch definierte Ära der
Opernkunst. Sie entstand als Folgewirkung des Hochbarock seit Beginn des 18. Jahrhunderts. Belcanto
wird auch als Sammeltitel für die Opern-komposition von etwa 1810 bis 1845 in Italien
verwendet.
Der Begriff bezeichnet weiter eine musikgeschichtlich bedeutsame, vielleicht die zentrale Stiltechnik des Gesangs, von der die Praxis professionellen Singens im Konzert und auf der Musikbühne nicht nur bestimmt, sondern geradezu definiert wurde. Diese Geltung bestand unumstritten in ganz Europa im 19. Jahrhundert als verbindliche Vorgabe für jederlei Gesang als Kunst.
Zentrale Basis für vollendetes Singen nach den Prinzipien des Belcanto ist das
Legato, die in einen geschlossenen, linearen Klangstrom integrierte Führung und Modulation der Singstimme. Elemente des Belcanto sind Messa di voce,
Appoggia-turen, Portamenti und dazu die virtuose Ausschmückung durch Koloraturen und Fiorituren.
Mit den späteren Opern von Giuseppe Verdi und in der gesamten Ära des sog. Verismo wurde der Belcanto verdrängt, u. a. weil die Sänger sich gegen einen ver-größerten Orchesterapparat
durchzusetzen hatten und ein als musikdramatisch
geltender, deklamativer Vortragsstil für moderner
= angemessener erachtet wurde. Die klassische Schule der Gesangskunst, die im Belcanto
das obligatiorische Maß gewesen war, wurde unter dieser Entwicklung zeitweise als Singen um des Singens willen
geradezu diffamiert.
Wir können Belcanto ästhetisch zweifach definieren: als Gesangsstil, der einer bestimmten Technik bedarf
— oder als Technik + Grammatik für einen Stil
. Der Begriff wird oft
fälschlich auf Sänger angewendet, die lediglich über eine schöne Stimme und eine ordentliche Gesangstechnik verfügen, ohne dass sie aber Werke
der Belcanto-Epoche interpretieren oder im Belcanto-Stil (= der Alten Schule
) singen.
Als Hochblüte des verzierten Gesanges (Canto fiorito) gilt die Zeit zwischen Ende
des 17. Jahrhunderts und Mitte des 19. Jahrhunderts. Als Idealtyp des Belcantisten galten zunächst die Kastraten (ital. Evirati), deren technische
und stimmliche Fähig-keiten bis in unsere Tage legendär geblieben sind. Mit ihrem Abgang von Bühnen und Podien war eine Entwicklung der Oper verbunden, mit der die Improvisationsfertigkeiten und
‑gelegenheiten der Sänger immer mehr eingeschränkt wurden, wobei der artifizielle Canto fiorito einem angeblich natürlicheren
Gesangsstil weichen musste. Den letzten und zugleich größten
Höhepunkt feierte der Belcanto zwischen etwa 1800 und 1850 in den Werken von Cimarosa, Rossini, Bellini, Donizetti, Mercadante, Pacini, Ricci und des frühen Verdi.