Tenore di grazia viennese
Der brillante Tenor Adolf Dallapozza

Alle Wege der Musik führen nach Wien. Und viele Wege der Oper führen aus Wien in die musikalische Welt. Zur Gesangskunst insbesondere, die ihre Quellen unbestreitbar in Italien hat, doch ohne den Präsenzplatz Wien seit mehr als zwei Jahrhunderten kaum vorstellbar wäre – auch weil epochale Gesangskünstler/innen in großer Zahl ungeachtet ihrer Herkunftsbindungen historisch mit Wien verbunden bleiben. Um nur auf Tenöre zu schauen, erinnern wir exemplarisch: die Deutschen Winkelmann, Schubert, Völker, Lorenz, die Böhmen Walter und Slezak, die Dänen Schmedes und Rosvaenge, die Österreicher Tauber, Patzak und Friedrich, den Norweger Oestvig, den Briten Piccaver, den Rumänen Grosavescu, den Polen Kiepura, den Ungarn Pataky, den Bulgaren Mazarov, den Slowenen Dermota.

Ein solcher Überblick wird dominiert von den Stimmfächern Lirico spinto und Drammatico, also Jugendlicher und Heldentenor. Nur wenige Wiener Jahrhundert-Tenöre gehörten dem reinen, unverfälschten Lirico-Fach an. Selbst die beiden Wiener Lyriker mit der glanzvollsten Position in Wien nach dem zweiten Weltkrieg – Anton Dermota und Waldemar Kmentt – vermochten nach ihrer Etablierung auf dem Parnass behutsam, doch folgenreich Wege in dramatischere Wirkungsfelder zu beschreiten.

Die reinen Lyriker hingegen, auch nach Kriegsende in großer Zahl vorhanden und durchwegs von gutem Niveau, sprengten nur selten den weltstadt-regionalen Rahmen, stiegen kaum in die erste Reihe deutschsprachiger Tenorstars auf: Hugo Meyer-Welfing, Willy Friedrich, Wenko Wenkoff, Peter Baxevanos, Hans Decker, Max Lichtegg, Rudolf Christ oder der zu einiger Medienwirkung gekommene Karl Terkal. Die meisten gelten im Rückblick trotz vielen Auftritten am Wiener „ersten“ Haus, der weltweit renommierten Staatsoper, auch (und fallweise vorrangig) als Haustenöre der Wiener Volksoper, deren Bedarf an primär lyrischen Stimmen sich schon aus ihrem Kernrepertoire ergab.

Was danach kam, lässt sich, soweit eine „erste Reihe“ zur Rede steht, auf die Weltrang-Tenöre Dermota und Kmentt beschränken – der eine von fremdartigem melancholisch-exotischem Wohllaut, der andere mit goldschimmerndem Timbre und strahlendem „Do di petto“, der eine bis zu Florestan und Palestrina, der andere zu Pedro und Stolzing schreitend. Was sich sonst im Fach der Lirici in Wien einfand, zählte von Simoneau bis Wunderlich natürlich zur Europa- und Weltspitze, war aber nicht dauerfest in Wien, sondern kam meist als Abendgast.

Ein Debüt mit Langzeitwirkung

Umso bemerkenswerter, ja erstaunlicher, mag deshalb 1962 das Wiener Debüt eines jungen Tenors registriert worden sein, der genau dem Ideal des Stimmfachs entsprach, um das es hier geht: „Lyrischer Tenor“, auch Tenore leggiero und „di grazia“, in Kloibers Typologie mehr optimistisch als realistisch mit einer Tonspanne von C-D’’ positioniert – und charakterisiert als „weiche, bewegliche Stimme mit schönem Schmelz und großer Höhe“.

Mit der Höhe ist ein Optimum bezeichnet, das sich in der Praxis nicht häufig realisiert. Das C’’ ist vielen, auch erstrangigen Fachvertretern allenfalls in Jugendjahren erreichbar; ein D’’ beherrschen zuverlässig nur Ausnahmekönner. Dieser Tenor aber verfügte über solche Höhenregion mit geradezu organisch wirkender (wenngleich konzentriert trainierter) Selbstverständlichkeit, leicht, locker, schwingend, in beinahe lässig-spielerischer Grandezza. Schon damit setzte er Auftritt für Auftritt Standards, die in weitem europäischem Umgriff, so auch in einem Mekka der Oper wie Wien, Aufsehen machen mussten.

Dieser Tenore lirico mit Namen ADOLF DALLAPOZZA zeigte sich nicht nur als wahrhaft universeller Allessänger = Alleskönner, sondern auch als attraktiver Darsteller jugendlicher Mannsgestalten, mehr noch: über Stimme und Gesangskunst hinaus als Verkörperung all der Attribute, mit denen man junge Liebhaber, Charmeure, Naturburschen und Kavaliere zu charakterisieren pflegt. Solch eine singende Bühnenerscheinung war und ist die Idealbesetzung fürs ganze Reich der Barock-, Mozart-, Romantik- und Spieloper, für die Protagonisti der Opera buffa und die Rôles sentimentales der Opéra comique, dann vor allem – wir sind in Wien – für ein universelles Operetten-Repertoire.

Der Tenor Dallapozza, zunächst vielfach mit Comprimario-Aufgaben bedacht (neben dem Erstfach-Sänger Jean Cox gab er noch 1964 etwa den Arminio in Verdis I Masnadieri, dokumentiert auf HAfG 30304) fand in all diesen Genres und Fächern Aufgaben fast ohne Grenzen. Seine spezifische Einheit von jugendlicher Attraktivität, berückendem Lirico-Timbre und fabelhafter Leichtigkeit der Tonbildung bis in die Stratosphären eines, wie das populär heißt:  „C-Tenors“, die in Wien vor ihm nur der junge Kmentt offerierte – sie musste einen Star des Wiener Opern- und Musiklebens erschaffen.

Ecco un grazioso

Die zentrale Schaffens- und Erfolgszeit des Adolf Dallapozza liegt in der Phase vor der weltweiten Belcanto-Renaissance. Zu seinem Repertoire gehörten in einer Fülle von Lirico-Partien jeden Genres, jeder Provenienz und Ausrichtung auch Partien des engeren Belcanto-Repertoires: des romantischen Dramma lirico und der Opera buffa, von Rossini, Bellini, Donizetti, also jener Werke, die dem Tenor bei voller Ausdeutung der Partiturvorgaben eine Beherrschung des Canto fiorito, der Kunst des verzierten Singens, abverlangen. Tenöre, die in dieser Disziplin zu glänzen vermögen, waren in den 1960-80er Jahren erst langsam wieder im Kommen. Ihnen wird die Kategoriebezeichnung Tenore di grazia zugeordnet. Sie stellen auch die Idealbesetzung der Tenorpartien in den Barockwerken.

Erwägt man die engere Definition dieses Stimmfachs, erschließt sich die eigentliche Position des Instruments und Gesangsstils von Adolf Dallapozza. Der Begriff bedeutet wörtlich „Tenor von Anmut“. Er steht für einen Tenortypus, der zwischen dem Tenore leggiero (im Deutschen meist Spieltenor) und dem kräftigeren, körperhafteren Tenore lirico (also Lyrischen Tenor) liegt. Er zeichnet sich vor allem durch elegante („anmutige“) Phrasierung, durch Beweglichkeit, Flexibilität, Leichtigkeit von Tonbildung und Linienführung aus. Seine Faktur ist idealerweise schlank und weich, seine Färbung süß, samten, schwebend, dennoch substanzvoll. Seine Expansion in die Vollhöhe kann Umfärbungen zu metallischerem Gepräge in Perlmutt-, Silber- oder Goldklang erzeugen. Sein Legato soll, vor allem in der Mezzavoce, von sanft-strömendem Fluss, auf festem Gleichmaß des Atems, doch von feinem Vibrato belebt sein. Die Höhen sollen federleicht anspringen, mit blitzschnellem Zugriff, also perfekter Intonation, dann aber nicht zirpig-dünnfadig, sondern durchschlagend und raumfüllend. Verzierungen sollen auf langem Atem entwickelt, dann in virtuoser Flexibilität vorgeführt werden. Kurz: Der Tenore di grazia ist im Optimalfall die Verkörperung der klassischen Schule italienischen Ursprungs; er realisiert vorrangig das Ideal stilistischer Reinheit in Vielfalt.

Diese künstlerischen Fertigkeiten, standen bis in die 1980er Jahre nur einer kleinen Zahl mitteleuropäischer Tenöre zur Verfügung. Heute, da dieses anspruchsvolle Gesangsfach für ein wiederentdecktes Belcanto-Repertoire unverzichtbar geworden und reicher besetzt ist, erscheinen seine wenigen Repräsentanten in den Jahrzehnten zuvor fast als Raritäten, ihre Leistungen oftmals eher als Annäherungen – so etwa von Landi, Martini, Valletti, Monti, Alva, Bottazzo, Misciano.

Klassisches Instrument. Lehrbuchhafte Technik.

Es gab eine bedeutende Ausnahme, Tenore lirico e di grazia in Vollkommenheit mit zusätzlicher Option ins Zwischenfach, präsent und souverän in nahezu allen Stilen des Fachspektrums, doch vor allem Belcantist: den von Gran Canaria gebürtigen Austrospanier Alfredo Kraus. Doch die Charakterisierungen zum Typus im vorletzten Absatz – sie beschreiben recht genau auch die Eigenschaften, Ressourcen und Prägungen des Adolf Dallapozza. Er war die Wiener Version des Tenore di grazia – und insofern ein Zeitgenosse und Nachfolger des bedeutenden Canariers Kraus. Nur dass er diesen auch noch mit einem weiter gezogenen Rollenfundus, hinüber in andere Lirico-Fächer, übertraf. Insofern wurde er gerade durch Universalität zum Solitär.

Seine Naturstimme konnte mit samtenem Wohllaut prunken. Sie besaß nicht den Hauch fremder Individualität nach Art von Tito Schipas „dunstverhängtem Morgenlicht“ oder die „baskisch“-herbe Kolorierung von Kraus und Vanzo oder das melancholische Flair der Dermota-Stimme. Farbe und Klang entsprachen eher dem klassischen Maß des Leggiero-Ideals, näher bei Legenden des Golden Age wie Clément, Bonci, Giorgini. Übertragen auf Stil- und Sprachregeln deutscher Art, ist damit recht genau das Hörbild eines Mozart-Tenors nach dem „Wiener Mozartstil“ erfasst: Mittleres Schallvolumen, idealer Umfang (exemplarisch nach Kloiber), fabelhaft-leichte Höhen bis aufs D’’ und E’’. Dem entsprach der meisterliche Umgang mit dem Instrument nach lehrbuchhaften Kriterien: nahezu vollkommenes, souveränes Passaggio, elegante Phrasierung, integrierte Dynamik selbst bei effektvollen Akzentsetzungen. Und vor allem perfekte Intonation, praktisch ohne Einschwingphasen; hierin ist der Wiener Tenor bedeutenden Vorgängern wie Ludwig, Anders, Schock überlegen, kommt Wunderlich gleich.

Ein Wiener „von draußen“

Adolf Dallapozza wurde am 14. März 1940 in Bozen/Südtirol geboren (daher der Familienname), kam aber schon wenige Monate darauf nach Wien, wuchs dort auf, sozialisierte sich als das, was man einen echten Wiener nennt. Durch sein Elternhaus beeinflusst, suchte der Jüngling seinen Platz im kulturellen Metier. Er begann eine Einzelhandelsausbildung in einer Musikalienhandlung. Sein Traum war die Laufbahn eines Klaviervirtuosen. Seine Freizeit füllte er außerdem mit sängerischer Ausbildung, unter anderen bei der Wiener Gesangspädagogik-Koryphäe schlechthin: Elisabeth Rado, die auch Sängerprominenz wie Waldemar Kmentt, Fritz Uhl, Werner Krenn, Eberhard Waechter, Kieth Engen zur Bühnenreife führte.

Seine ersten Bühnenschritte machte der junge Tenor als Mitglied im Chor der Wiener Volksoper. Wie so etwas unausweichlich läuft: Seine schöne Naturstimme wurde entdeckt, ihr Besitzer ermutigt und angefeuert. Schließlich fand sich die Gelegenheit zu einem Vorsingen vor dem Volksoperndirektor (und bemerkenswerten Verismo-Komponisten) Franz Salmhofer. Der Tenor musste eine Langstrecke an Arien vortragen – dann erhielt er einen Elevenvertrag. Der führte ihn durch zahlreiche Klein- und Nebenaufgaben zu einem schnellen Protagonisten-Debüt als Ernesto in Donizettis Don Pasquale. Womit auch die Hauptlinie seines Werdens und Wirkens vorgezeichnet war: im Fach des Tenore di grazia.

Symbol beständiger Jugendfrische

Zehn Jahre lang war Dallapozza dann der zentrale, der erste Tenor der Wiener Volksoper, neben Gaststars von Rang und Ruf ein Zentrum des gerade damals ins Stadium seiner „großen Jahre“ tretenden, nur nominell zweiten Wiener Opernhauses. Die Volksoper, in der Nachkriegszeit zunächst eine Art staatliches Operetten-, Spielopern- und Musicaltheater, zeitweise Asylstätte der kriegszerstörten Staatsoper, entwickelte sich in den 1960ern zu einem Institut von Bedeutung, mit ehrgeiziger Spielpanerweiterung, namhaften Dirigenten und Regisseuren und einem attraktiven Sängerensemble aus bewährt-beliebten Wiener Opernstimmen, ausgewählten Gästen und herausragenden Aufsteigern. Mit einer Reihe sonst in Wien nicht gespielter Raritäten und Ausgrabungen, meisterlich produziert und begeisternd besetzt, konnte das Haus in Konkurrenz zur weltberühmten Staatsoper am Ring bestehen.

Auf dieser von breiter Popularität getragenen Musikbühne reihte der neue Tenorstar nun Erfolg auf Erfolg. So als Lirico autentico in allen Bereichen des Spielplans, mit Belcanto im Mittelpunkt, aber auch im deutschen, französischen, slawischen Repertoire und nicht zuletzt als Operettenbonvivant. Auf dem Feld des Lirico serioso war er wiederum in allen Sparten präsent, von Monteverdi bis Britten und Einem, vom Barock über Belcanto zur Spätromantik und klassischen Moderne. Herausragend stehen in der Erinnerung seine bravourösen Auftritte als Chapelou in Adams Postillon von Lonjumeau, mit rasant attackiertem, ganz aus der Legatolinie entwickeltem D’’, und sein famoser Tonio in Donizettis Regimentstochter, glanzvoll mit locker hingelegten C’’-Stakkatofolgen. So etwas hatte man selbst in Wien kaum je zu hören bekommen. Entsprechend rasend war jeweils der Beifall – und dauerhaft die Liebe des Wiener Publikums.

Perfektion mit Intensität und Flair

An seinem Stammhaus, der Volksoper, trug Dallapozza ein breites, universelles Repertoire als eine Art lyrischer Universalist. Was einen Großteil seiner Arbeit ausfüllte und seinen Stand in der Gesangshistorie wohl ungenau, ja unzureichend akzentuierte: Er war der führende Operettenheld in einem Genre, das den Spielplan des Hauses seit jeher großteilig bestimmt. Hier glänzte er in zahlreichen Produktionen, vor allem in den Werken der Goldenen Ära. So als konkurrenzlose Traumbesetzung des Vogelhändlers Adam aus Tirol und bei Offenbach, Strauß, Millöcker, Zeller, Zierer, Fall bis zu Lehár und Kálman. In den Johann-Strauß-Dauerbrennern Die Fledermaus, Der Zigeunerbaron oder Wiener Blut sammelte er Erfolge ohne Ende, in der Fledermaus souverän zwischen beiden Tenorpartien wechselnd. Als Operettensänger erreichte er auch seine größten Medienerfolge.

Als Mitglied des Volksopern-Ensembles, doch auch als Solo-Gast entfaltete der Tenor seit Beginn der 1970er dazu eine internationale Karriere, mit Auftritten an den Staatsopern München und Hamburg, an der Mailänder Scala, der New York City Opera, in Buenos Aires und Mexico City, in Tokio, Berlin, Zürich, Brüssel, Basel, Bologna, Köln, bei den Salzburger,  Bregenzer und Mörbischer Festspielen – und natürlich an der Wiener Staatsoper, wo er 1973 sein zweites Wiener Festengagement antrat. Dort ist er mit klassischem und romantischem Repertoire aufgelistet: als Mozarts Belmonte, Ferrando, Idamante, Beethovens Jacquino, Rossinis Almaviva, Verdis Cassio, Wagners Steuermann, dazu als Richard Strauss’ Narraboth, Matteo und die Tenorsänger in Rosenkavalier und Capriccio, weiter in Werken von Puccini, Leoncavallo, Smetana. An der Volksoper glänzte er auch als Händels Giustino, Donizettis Nemorino, Offenbachs Hoffmann, Puccinis Rodolfo, Thomas’ Wilhelm Meister, Massenets Werther. Als besonders wertvoll können heute die bisher nahezu unbekannten Mitschnitte aus Produktionen von Opernwerken Kienzls, Bittners und Sutermeisters gelten, die den Tenor auch als Spinto- und Charaktersänger von Wohllaut dokumentieren.
Ein „notorischer Zweiter“?

Damit ist Dallapozzas Medienkarriere angesprochen. Er zählt zu den meistaufgenommenen, meistgesendeten, meistpräsentierten Tenören des letzten Jahrhundertdrittels im deutschen Sprachraum – wozu seine attraktive Erscheinung nicht wenig beitrug. Ein langlebiger Schallplattenvertrag mit EMI brachte zahlreiche schöne Rollenportraits, zumeist in Werken der Klassik und der Spieloper, dazu eine Flut von Operetteninterpretationen in Gesamtaufnahmen, Querschnitten, Sammlungen, Recitals. In Radioarchiven, vor allem beim BR München und ORF Wien, häufen sich die Tondokumente von Auftritten aller Art, nicht zuletzt in Funkkonzerten. Auch im Fernsehen war er vielfältig präsent.

Trotz dieser Fülle wird die per Medien greifbare tönende Hinterlassenschaft der Leistung und Bedeutung des Sängers allenfalls teilweise gerecht. Er ist dem großen Publikum fast ausschließlich als Operettensänger im Bewusstsein – ein Großteil seiner Glanzpartien auf der Opernbühne wurde nie eingespielt oder in Mitschnitten veröffentlicht. Bei EMI hinterließ er Kabinettstücke, wahre Glanzleistungen in „zweiten Rollen“, so als Baron Lummer im Intermezzo und als Matteo in Arabella – einen grandioseren Interpreten beider Richard-Strauss-Partien gibt es, trotz Dermota, nicht im Aufnahmenkatalog. In der Studio-Aufnahme von Mozarts Idomeneo unter Schmidt-Isserstedt war er ein wundervoller Idamante neben bzw. hinter dem Jahrhunderttenor Nicolai Gedda, in Boskovskys Fledermaus-Aufnahme war es wieder so: Gedda war Eisenstein, Dallapozza Alfred. Immer, wenn es an die ganz wichtigen, die dominanten, die stargemäßen Partien ging, stand dem Wiener ein Weltstar im Wege, meist Gedda, dann Wunderlich; sogar der sängerisch exzellente, doch bei weitem nicht so glanzvolle Peter Schreier wurde ihm vorgezogen. So blieb es bislang bei einer Einordnung als gerngehörter Operettenstar, die fast einer Abstempelung gleichkommt.

Doch das ist nicht nur ungerecht, sondern gegenüber Spitzenleistungen in der Oper – Chapelou und Tonio etwa – geradezu absurd. Unsere Sammlung, die mit des Sängers und des Wiener Rundfunk-Ressortchefs Gottfried Cervenka Hilfe alle zugänglichen Quellen nutzen konnte, versucht, diese unakzeptable Rezeptionslücke zu schließen. Sie bringt zahlreiche Tondokumente aus Dallapozzas wichtigen, großenteils bezwingenden Auftritten erstmals auf Tonträger – und wird so hoffentlich zu einer Renaissance seiner Wirkung, nun auch auf bisher unerschlossenen oder ausgeblendeten Feldern beitragen.

Representante e Benveluto

Der unvermindert vitale, neugierig-aktive Kammersänger beging 2008 auf der Bühne der Wiener Volksoper als Eisenstein sein 50jähriges Bühnenjubiläum – in herausfordernder Frische und bezwingender Jugendlichkeit, mit unverminderter Stimmpracht und intaktem sängerischem Können. Ein Vielgeliebter, der durch Leistung und Persönlichkeit zum Repräsentanten wurde.

Er widmet sich nun der Formung junger Gesangstalente, nimmt wach und engagiert am Wiener Kulturleben teil – ein Wunder nicht nur begeisternden Künstlertums, sondern auch anscheinend immergrüner Jugendfrische. Er ist zu den First-Range-Tenören seiner Epoche zu zählen. Dies zu belegen, ist der Sinn dieser Edition. Die Herausgeber wünschen dem preisenswerten Künstler beständig wachsende Resonanz.

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© Klaus Ulrich Spiegel