Extrakt eines Vorhalts an Diskurspartner Helmut Zeller,
Redaktionsleiter der Süddeutschen Zeitung / Ausgabe Dachau

Angies Dachau-Visite

Zu den Berichten über den Besuch von Angela Merkel in Dachau /
Süddeutsche vom 19. August 2013 / Seite 4 Profil

Wer etwas über die Verfassung, Aufgaben und Arbeit der Lagergemeinschaft Dachau, also der Vereinigung der Überlebenden des NS-Konzentrationslagers Dachau und engagierter Geschichtsarbeiter, erfahren will, wird im Netz etwa
bei diesem Link — gleichsam offiziös — informiert:

        http://www.ravensbrueckblaetter.de/alt/archiv/107/6_107.html

Die dortigen Mitteilungen erstaunen mich nicht schlecht. Vor allem der Satz:

Die Lagergemeinschaft nimmt Stellung gegen den Nato-Krieg im Kosovo, fordert eine schnelle und unbürokratische Entschädigung ehemaliger ZwangsarbeiterInnen, agiert gegen rechtsextreme und neofaschistische Strukturen …

Seit 1994 war ich als Nachgeborener, damals auch Dachau-Bürger, Mitglied im Präsidium dieser Lagergemeinschaft DAH. Darin sah ich eine besondere Ehre. Als Satzungsautor, Redenschreiber/Ghostwriter, Versammlungsorganisator, Referent, Besucherführer, Moderator und mehr war ich engagiert bemüht, dieser Ehre gerecht zu werden, was auch hieß: am historischen, pädagogischen und politischen Diskurs der LG nach innen und außen teilzunehmen. Beseelt von dem legendären Schwur der überlebenden Dachau-Häftlinge (der den histo-rischen Gelöbnissen anderer KZ-Überlebendengruppen glich), ging ich davon aus, die LG-DAH sei diesem zutiefst verpflichtet:


              Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg!
Und:
            Von deutschem Boden darf nie wieder Krieg ausgehen.

Im Jahre 1999, gleich nach Arbeitsaufnahme der neuen deutschen Bundes-regierung in einer als historisch bewerteten sogenannten RotGrünen Koalition, war es soweit gekommen, wie es sich kein Demokrat mit Erfahrungshinter-gründen während der Regierungen Adenauer/Blücher, Erhard/Mende, Kiesinger/Brandt, Brandt/Scheel, Schmidt/Genscher, Kohl/Genscher, also von
50 Jahren Bundesrepublik Deutschland, hätte vorstellen können. Von deutschem Boden ging wieder Krieg aus. NATO-Angriffskrieg, weder durch Aggression (lt. NATO-Statut) provoziert noch mandatiert. Völkerrechtswidrig, grundgesetz-widrig, bundesgesetzwidrig — veranstaltet von Sozen & Grünen wie Schröder /Scharping/Schily & Fischer + Damen. Die im Schwur von Dachau mitklingende Gewissheit: dahingefegt, annuliert, missachtet, verraten. Und das von Regieren- den, die aus der Denkwelt und Programmwertigkeit eben jener Schichten und Gruppen hervorgegangen waren, die aus dem Vermächtnis der NS-Opfer schöpften, in deren Geist also hätten denken, urteilen, entscheiden, handeln müssen.


Wer also hätte die gleichsam nächste, die zentrale, die selbstverständliche Reaktion eines Protests dagegen tragen und artikulieren müssen? Natürlich die Vertretung(en) der NS-Opfer, die Kriegs- und Shoa-Überlebenden, die Zeugen von Verfolgung und Widerstand.

Dessen gewiss, stellte ich zum Präsidium der Lagergemeinschaft Dachau sogleich den Antrag, dieses ungeheuerliche Ereignis auf die TO einer Sonder-sitzung zu setzen und eine kritische Resolution, zugleich einen Aktionsauftrag
an die gewählten Sprecher der LG zu beschließen.

Doch mein Begehren blieb unbeachtet. Es gab weder eine Sondersitzung, noch eine Bereitschaft, auf der folgenden regulären Tagung einen TOP Nato-Überfall auf Jugoslawien oder auch Kosovo-Krieg zu behandeln. Es gab auch keinen Beschluss, schon gar keine öffentliche Stellungnahme. Zahlreiche nachgreifende Gespräche, Diskurse, Debatten, die ich zu führen versuchte, blieben ergebnislos. Man sehe sich nicht aufgerufen, das Handeln der rotgrünen Bundesregierung, also unserer Leute, zu attackieren, hieß es. Dann berief man sich auf die Nie- wieder-Auschwitz-Parole des Herrn Joseph Fischer, wollte erklärtermaßen auch keine Konflikte mit Politikern, die wir für unsere Arbeit brauchen. Wir — das waren offenbar die Präsiden mit SPD-Mitgliedsbuch, darunter etwa eine Büroleiterin der Staatssekretärin Ulrike Mascher MdB, mitverantwortlich nicht nur für den Kriegsaufbruch, sondern auch für die in ihrem Wirkungsbereich kreierte sog. Riester-Rente, nichtsdestoweniger noch ein wenig später Vorsitzende des Fördervereins Internationale Jugendbegegnung und Gedenk-stättenarbeit Dachau (dem ich als Stellvertretender Vorsitzender seit Gründung, aber nur bis zur Amtsübergabe an Mascher, angehörte), noch später ungeachtet der Riesterei bis heute 1. Vorsitzende des größten bundesdeutschen Sozialver- bands VdK. Triumph der Heuchelei. Soviel zu Politikern, die wir brauchen, zur Glaubwürdigkeit historischer Dachau-Schwüre und zur Reputation höchst-geachteter LG-Präsiden.

Das ohnehin oft als störend radikal empfundene Präsidiumsmitglied KUS zog daraus die Konsequenzen, verließ (aus heutiger Sicht: leider ohne öffentliche Begründung, solidarisch, also nur privatim-diskret) das Gremium, in dem er keine Ehre mehr erleben zu können glaubte. Ein lieber Dankesgruß für verläss- liche Mitarbeit vom lieben Max, dem Präsidenten, folgte — jedoch keinerlei inhaltliche, gar politische Diskussion über Anlass und Begründung des Abgangs, gar über Vermächtnisse, Ziele, Aufgaben, Deklarationen, Wendemanöver.


Dass es seither irgendwelche wahrnehmbaren politischen Äußerungen der Lagergemeinschaft Dachau zu Themen und Anlässen gegeben hätte, die sich aus der Selbstverpflichtung zur Bewahrung und Vertretung des Vermächtnisses der Dachau-Häftlinge und des Widerstands gegen die NS-Diktatur ergeben sollten, ist mir bis heute unbekannt geblieben. Um so deutlicher meine Verblüffung auf die (Selbst?-)Darstellung der LAG Dachau im Netz — s. oben.

Seither sind Krieg, Aufrüstung, Waffenproduktion und ‑handel, kurz: das Militärische (Schröder/Fischer), also die Vollmilitarisiertheit der deutschen Außenpolitik und die Präsenz deutscher Truppenteile in aller Welt, Realität.
Dass die LG Dachau oder gar ihr Präsident Max Mannheimer oder wenigstens einsatzbelastbarere Stellvertreter dagegen vernehmlich Stellung bezogen hätten — wer’s erlebt hat, möge sich melden.


Ein aktueller Anlass im August 2013 veranlasste mich, auf diese Erfahrungen zurückzukommen und einem geschätzten Denk- und Diskurspartner — dem Leiter der SZ-Redaktion Dachau — ein paar kritische Hinweise zuzuleiten.
Sie folgen hier.

Die Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU, schwarzgelb koalierend) befindet sich zu einem Bierzelt-Wahlkampfauftritt bei der oberbayerischen CSU, am 20. August 2013, mitten im Bundestagswahlkampf, in der Großen Kreisstadt Dachau. Und der inzwischen mit Ehrungen und Verklärungen überhäufte LG-Präsident und Vize des Comité de Dachau, eben jener liebe Max, hatte die (später der Erfolgswirkung wegen bejubelte) Idee, diese Merkel, da sie schon mal da war, auf einen Sprung in die KZ-Gedenkstätte einzuladen. Und die hatte — wahl- kämpfend gut beraten — auch gleich erkannt, was ihr nützen kann, worin sie ja legendäre Großmeisterin ist. Sagte tief berührt zu. Als erste deutsche Regie-rungschefin, die in sprichwörtlicher Konzept- wie Grundsatzlosigkeit ein Gedenken an NS-Opfer mit einem Jubelauftritt auf lokaler Sauf- und Gröhl- Wiesn im Bierfestzelt locker zu vereinen weiß. Wer nichts vertritt und nichts bekennt, der kann sowas. Und diese Politikerin schon mal ganz und gar.

Ein bedeutsamer Schritt für die deutsche Vergangenheitspolitik. So die KZ-Gedenkstätte und so die Lagergemeinschaft. So ähnlich die vereinte Konzern- wie auch Boulevardpresse, immer mit dem Anlass auch emotions-
stark unterwegs zu neuen Krönungen, Preisungen, Verklärungen jenes Einfädelhelden, der die NS-Opfer als Präsident repräsentiert.


Captatio benevolentiae, obligatorisch:

Max Mannheimer persönlich begegnet zu sein und ihn nicht gern zu mögen,
ist ein Ding der Unmöglichkeit. Das bezeuge ich nachdrücklich. Seine uner- müdliche, von unbrechbarer Vitalität getragene Informations‑, Aufklärungs-
und Dialogarbeit als referierender Zeitzeuge verdient jede Bewunderung.

Doch immer wieder war und ist es auch eine Seelenhölle, erleben zu müssen,
dass der Vielgeehrte, der von rechtsauslegenden MPs wie Streibl & Stoiber ans Herz Gedrückte, Ordensbehängte, Namensgeber, Ehrenbürger, Würdenträger sich mit offenbar jedem Amtsinhaber wie Preisgeber gemein zu machen bereit ist, wenn es um Ehrungen und Lobpreisungen und Adaptionen — de facto: missbräuchliche Inanspruchnahmen, ja Verwendungen und Verwertungen — selbst durch ausgewiesene Repräsentanten eben des Ungeistes, der Leugnung und Inhumanität geht, die zu bekämpfen oder doch zu kritisieren die Lager-gemeinschaft nach ihren Statuten, Schwüren, Erklärungen aufgerufen, wenn nicht verpflichtet wäre.

Besonders bestürzend war erst 2012 die (nach Dutzenden CSUlern & Nazi- Gesinnungsfiguren) Kulturpreis-annehmende Umarmung mit dem Anführer der mit NS-Ehemaligen durchsetzten Revanchistentruppe namens Sudeten-deutsche Landsmannschaft. Es war nicht so, dass es dazu (bei allem Respekt vor dem Auschwitz- und Dachau-Überlebenden 93jährigen) nicht Informationenfülle und kritische Kommentare gegeben hätte — bemerkenswert jener im ossietzky. Doch darüber geht der Mainstream-Journalismus, die Regionalpolitik sowieso, rasch hinweg und schwafelt von Versöhnung. Wieder ein gelungener Schachzug der Ewig-Rechten, um den Billigpreis einer Geste.


Doch nein, es reicht noch nicht. Mannheimer holt Merkel (die man nicht holen musste, weil sie bereits zum Bierzelt auf Anreise war). Und das lässt die Blätter rauschen: Mit begeisterten = begeisternsollenden Portraitierungen, so am 19. August 2013 an prominentester Stelle des SZ-Hauptteils unserer Süddeutschen. Noch eine und noch eine nochmalige Würdigung des allerneuesten Coups des offenbar jedem noch so freundschaftlichen Kritik-Coment entrückten Nominal-Repräsentanten von Widerstand und Antifa und seiner liebenswerten Streiche. Ja, seine Einladung an die Merkel und deren bereitwilliger, weil sehr berührter Besuch: Was für ein wunderbarer Streich!

Mir scheint, in all dem Jubeltrubel sollte doch ein wenig inhaltliche Umfeld-beschreibung und Background-Erinnerung zumindest für die Aktenablage notiert sein.


Die Vielgeliebte führt eine Regierung, die den Waffenhandel international an äußerste Expansionsgrenzen geführt hat. Die ständig eskalierend Kriegsgerät in Spannungs- und Schlachtgebiete und dort an antidemokratische Regime liefern lässt. Die diktatorische Feudalreiche poussiert, nutzt, fördert. Die fortlaufend unmandatierte, immer wieder völkerrechtswidrige Einsätze deutscher Kriegs-truppen in Gang setzt, in aller Welt, außer jeder Verteidigungssituation (allein der Einsatz in Afghanistan hat lt. SZ vom 16.8.2013 bisher 17 Milliarden Euro gekostet; von den Krepiertenzahlen der geschundenen Zivilbevölkerungen wird geschwiegen, ebenso von der Weigerung dieser Regierung, Umweltzerstörungen weltbedrohenden Ausmaßes gegenzusteuern).

Eine Regierung, die in Person ihres Innenministers aktuell zu einer neuen Hetze gegen Armuts- und Elendsflüchtlinge aufbricht, noch mehr Migrantenabwehr, Abschiebung, Gewalt gegen die Ärmsten in Gang setzt als schändlicherweise bisher schon. Die die Kategorien der sogenannten Inneren Sicherheit, der Polizeigewalt, der Lausch- und Spähangriffe seit Jahren eskaliert - und nun gar scheibchenweise eingestehen muss, dass die Kooperation des Auslands-geheimdienstes mit den weltumspannend menschenrechtswidrigen Aktionen der US- und GB-Agencies ein nicht mehr quantifizierbares Ausmaß hat.

Eine Regierung, die im Unterlassungs-Verbund mit diversen, ihrer Kanzler-innenpartei zugehörigen Länderregierungen samt Diensten eine Neonazi-Mordserie ignoriert und teilweise gedeckt hat, überdies weiterhin auf mörde-rischen Neonazi-Rechtextremismus durchwegs Nachlässigkeit zeigt, gegen antifaschistische Aktivitäten aber volle VS-Power ausübt. Davon zu schweigen, dass maßgebliche Träger- und Partnergruppen eben der Lagergemeinschaft Dachau, Bewahrer des Erbes der NS-Opfer, z. B. die VVN-BdAf, ohne Limit kriminalisiert und als verfassungsfeindlich denunziert werden — alles durch die Regierung dieser Kanzlerin. Einer wahrhaft vom Erbe der NS-Opfer berührten Machthalterin!


Diese Kanzlerin hat der LG-Präsident in einem feinen Streich in die KZ-Gedenkstätte Dachau eingeladen. Dort wird sie ihre notorischen nichts aussagenden, nichts meinenden, nichts bewirkenden Spruchblasen absondern, und eine vielköpfige Journaille wird eifrig mitnotieren und mitfilmen, weil die Besucherin so tief berührt ist (wofür man sie ja landesweit kennt).

Das alles hätte selbstredend nie stattgefunden, wenn die Dame nicht höchst passend und angemessen just zu einem Wahlkampf-Bierzelt-Auftritt am Ort angereist wäre.

Wird der einladende, bubenstreicheslustige Präsident diese Machthaberin
nun aber im Geist und Auftrag des Erbes der NS-Verfolgten, im Sinne der Unterdrückten, Inhaftieren, Ermordeten, der Schwüre von Menschen, die ihr Leben für Demokratie und Rechtsstaatsfreiheit gaben, mithin der Opfer von Dachau und 1000 anderen Mordplätzen — wird er sie kritisch ansprechen?
Gar Einwände, Protest, Menschenrechtsforderungen zu ihrer Politik artikulieren? Die Frage mag beantworten, wer in dem Vorgang einen liebenswerten Streich sieht.

Hallo, Angie, Kanzlerin — nettes Ambiente hier!
Eindrucksvoll Ihre Berührt- und Betroffenheit. Ansonsten: Viel Spaß auch heute Abend.

KUS


Franz Rockinger, Gewerkschafter + LINKE-Politiker, 19.08.2013

Lieber KUS!
Danke für den Zwischenruf an H. Zeller. Ja, ich glaube, man muss das so sehen, wie Du es in Deinem Text darstellst. Wir leben offenbar in einer Zeit, wo jedes noch so ernsthafte Thema mit Hilfe der Medien von Politikern jeder Couleur zur eigenen Imageförderung okkupiert werden kann. — Vor ein paar Jahren hab ich mich darüber echauffiert, dass Frau von der Leyen auf den Flyern der Tafeln als Schirmherrin auftritt (frei nach dem Motto: Wer morgens mehr Armut erzeugt, kann am Abend mehr mildtätig sein). Der damalige Vorsitzende der Armen-speisungsorganisation (Tafeln) hat mir auf meinem bösen Brief hin in allen Punkten recht gegeben, aber konstatiert, dass seine Organisation eben leider nicht unabhängig von der Politik sei. Und das scheint mir bei der Lager-gemeinschaft Dachau leider auch der Fall zu sein.
Viele Grüße vom Franz


Christian Kohn, Kulturarbeiter, Agenda-Sprecher / Designer, 19.08.2013

Lieber Klaus,
danke, dass ich mitlesen durfte. Wieder einmal zeigt sich, welche Qualität
Merkel einzig auszeichnet: Machtkalkül in Reinkultur. Niemand beherrscht dieses Spiel auch nur ansatzweise in so abgefeimter, perfider und gleichzeitig
so bieder-harmlos verpackter Form wie diese Frau. Und eine zweite Sache
wird ebenso deutlich: Auch ein so bewunderungswürdiger Mensch wie Max Mannheimer ist halt nur ein Mensch, selbst durch schlimmstmögliche Eigen-erfahrung nicht gefeit gegen die eigene Eitelkeit befriedigende Vorgänge, Weitblick und Durchblick offensichtlich verschleiernde Umarmungstaktiken.
Ein Lehrstück! — Danke für das Teilhabenlassen und damit für Dein Wachheit und Kritikfähigkeit schärfendes klares Wort.
Liebe Grüße, Christian


KUS an Felicitas Amler & diverse Mitleser auf SZ 20.08.2013: http://www.sueddeutsche.de/politik/kanzlerin-merkel-in-kz-gedenkstaette-dachau-die-kanzlerin-und-der-coup-des-alten-1.1750600

Oliver das Gupta — der ist doch nicht in der SZ Redaktion Dachau, war bisher
in Innen + Kultur zu lesen, wenn ich’s recht erinnere: über BILD-Blome, Herz- bischof Zollitsch, Ratzinger, Pop-Sternchen. Gastiert er in DAH? Wurde er entsandt? Na, passt schon. — Jedenfalls: Alles wie vor dem Spiel abgesehen.
Die Kanzlerin durch Anspannung, Ernst + Würde verblüffend und ihrerseits verblüfft angesichts Humor und Schlagfertigkeit. Erst gelotst, dann animiert. Der Alte — ein rechter Filou, voll witzelnden Humors. Da jagt ein Coup
den nächsten. Fröhlichkeit auf den Gesichtern. Da freuen sich doch die Opfer im Massengrab, dass sie für sowas dienstbar sein dürfen. Überlebende aber wollen Angela Merkel sehen. Aufgeräumte Nonnen machen begeistert Merkel-Fotos.
                  Ihr Deutschen liebt diese Frau, nicht wahr? Und wie!

Na dann Prosit der Gemütlichkeit, gleich danach im Bierzelt. Die Dachauer
Sache gehört jetzt nicht mehr dämlichen Linken, die jahrzehntelang unter Diffamierungen gegen Widerstände und Behinderungen seitens jener dafür gekämpft haben, die sich jetzt bewegt und berührt das Erbe greifen — bzw. ausgehändigt bekommen. Chef(in)sache, auch dies. War offenbar überfällig.
Danke Max!
So sind alle voller guter Laune und guter Dinge. Nur ich hab wieder drein zu
meckern, der destruktive alte Miesepeter.
Der streckt nun vor soviel gutgelaunter Selbstgewissheit die rostigen Waffen. Sagt müde Grüße. Legt den Rückwärtsgang ein. Das war’s wirklich.


Felicitas Amler (fam) an KUS, 21.08.2013

Hallo Mann!
Im Übrigen stimmt das natürlich nicht: Dem couragierten Einsatz von Bürgern
ist zu verdanken, dass die KZ-Gedenkstätte überhaupt errichtet werden konnte.

Das genau eben nicht, eher sehr im Gegenteil, wie alle Dachau-Zeugen der 1960-1990er aus starkem Erleben wissen. Vielmehr ist dies allein den über- lebenden ehemaligen Häftlingen und ihrem Comité zu verdanken.
Und dann noch dies, wieder SZ: Max habe Merkel nicht eingeladen, weil sie eine CDU-Frau sei, sondern weil sie dieselben Ziele verfolge wie er.
Felicitas Amler
Redaktionsleiterin / Süddeutsche Zeitung Bad Tölz-Wolfratshausen


KUS an den Verteilerkreis, 21.08.2013

Betreff: DAH gutgelaunt — noch was drauf
Hallo Freundinnen und Freunde!
Vor lauter innerer Abwehr waren mir die beiden Super-Stolperer, auf die Feli mich hier hinweist, in der SZ-Lektüre nicht mal aufgefallen. Ich sende Euch ihren Hinweis als Nachtrag — s. Anhang.
Dass Max M. nach eigener öffentlicher Mitteilung dieselben Ziele verfolgt wie die Merkel — das setzt den Entwicklungen und den Spaßlaune-Events in der und um die KZ-Gedenkstätte seitens des Repräsentanten der NS-Verfolgten und NS-Opfer noch eine Krone auf. Und erteilt eine unmissverständliche Antwort auf meine Fragen unlängst zum Sachverhalt: Merkel-Regierungshandeln & Lagergemeinschafts-Auftrag.
Doch was errege ich mich noch? Die SZ setzt heute nochmal großformatig eine Seite 3 aus den Tasten von Nico Fried drauf, und da erfahren wir, dass sich im CSU-Bierfestzelt neben einschlägig ausgewiesenenen Polit-Cliquen in erster Reihe Frau Charlotte Knobloch die Ehre gab.

Wer jetzt etwas zu sagen hat, der trete vor und schweige!
                                                      (Karl Kraus / In dieser großen Zeit)

Christian Kohn — wie oben, 22.08.2013

Lieber Klaus,
auch ich habe heute besonders aufmerksam die Seite 3 der SZ gelesen. Das Grauen! Wie kann man nur darüber diskutieren, ob Gedenken und sog. tiefe Betroffenheit und Wahlkampf und Scherze (erst nach 2 Stunden der erste) zusammenpassen? Was für eine Frage! Ist denn jedes Schamgefühl, jeder Anstand, jeder gesunde Menschenverstand ausgestorben oder, weil ja Wahl- kampfzeiten sind, zur Seite geschoben? Die Menschen sind krank, deswegen hat der eben genannte gesunde Menschenverstand einfach keine Chance mehr. Das sind Endzeit-Zeichen. Und Frau Knobloch, von der ich persönlich noch nie viel hielt, und Herr Graumann, bei mir seit der Beschneidungsdebatte und seinen darin geäußerten Beiträgen ebenfalls untendurch, klatschen Beifall, sekundiert vom hochverdienten, in dieser causa aber leider weit danebenliegenden Max Mannheimer.
Das alles vor dem Hintergrund eines staatliches Versagen immer umfangreicher beweisenden NSU-Prozesses und gleichzeitig immer umfänglicherer Proteste in Berlin-Hellersdorf. Deutsche Wirklichkeit, aus Sattheit und Dummheit geboren, von der Politik schamlos benutzt. Wo bleibt der Aufstand der Anständigen, warum kein Wort des Bundespräsidenten? Wein hilft da irgendwann auch nicht mehr. Sch…!


Dr. Emmo Frey, Dachauer Stadtrat a. D., Chemiker + Verkehrswissenschaftler, Agenda-Sprecher in Dachau, Gründer der Dachauer Verkehrswende, KUS-Nachfolger im Vorsitz des Forum Republik. — 22.08.2013

Lieber Klaus,
den Bericht von Oliver das Gupta habe ich soeben gelesen, alles Friede, Freude, Eierkuchen? So ist’s doch recht - Herr Mannheimer hat die gleichen Ziele wie Frau Merkel? Ich nehme zu seinen Gunsten an, dass er Merkels Ziele nicht kennt und von ihrer desaströsen Politik nicht genug weiß. Eine Ehrung mehr für ihn. Er hat für drei gelebt und gelitten, soll man ihm also seinen heutigen Hang zum Rampenlicht verübeln? Ich bin mir sicher, dass Du das auch nicht tust, dafür aber völlig zu recht diese Berichterstattung zum Kotzen findest. Frau Teflon spult ihre vorgefertigte Rede runter, alle freuen sich, Überlebende und Betschwestern sind ergriffen, und Herr das Guptas trägt sein Teil dazu bei, Merkels Ansehen zu erhöhen! Seien Sie anspruchsvoll, Süddeutsche Zeitung? — Danke für Deine Meckerei, wenigstens Einer! — Morgen, am 22.8., wird es wohl im Dachau-Teil der SZ, in dem heute noch nichts vom Merkel-Besuch in Dachau stand, zwei Berichte geben, einen von der Gedenkstätte, den anderen vom Bierzelt. Ein bisschen gespannt bin ich schon, ob Helmut Zeller einen kritischen Ton findet, also über Deinen Text nachgedacht hat. Mal sehen.
Herzlich, Emmo.


KUS an Dr. Emmo Frey — s. oben — 23.08.2013

… Zum anderen: Ich muss leider in einem Aspekt zorniger und angefressener reagieren als Du. Ich nehme dem Max, der kein Dummkopf ist, seine Inhalts-losigkeit, Gefeiertsein-Gier und somit den faktischen Missbrauch von Gedenken und Opfer-Auftrag (war da mal nicht was von Lernort?) für extreme Personal-huberei und Personenkulterei im Gewande von Scherzbolderei doch sehr übel. 
    Natürlich auch allen, die es besser wissen müssen, nicht nur den peinlichen Berichtern, sondern den Offiziellen, den sich so billig entlastenden Klatschern, Jublern, Adabeis und der ganzen — wie Compagno Helmut Zeller das mal knochentrocken nannte: Gedenkmafia.
    Ich war mal ein engagierter Dachauer, der Mitbürgern was vom Vermächtnis erzählen wollte, auf Kombattantschaften baute. Motto: Die KZ-Gefangenen haben für Überzeugungen und Hoffnungen ihr Leben eingesetzt. Dann werden wir wohl einen Konflikt durchstehen.
    Haste gedacht. Der Allerweltsfreund & Spaßfaxenmacher im Präsidentenamt hat — bei allem Respekt, aller Empathie, auch Nachsicht, sei’s gesagt — den Bogen endlich überspannt.
    Nur sagen soll man es ja nicht, so wenig wie die grässlich-dumme Knobloch kritisieren — ohne sofort Diffamierungsjauche und uniforme Mainstream-Mitlauf-Rhetorik auf allen Medienkanälen auszulösen. Die sich da ihr Gallions-mäxchen halten und Festfähnchen häkeln, nur um sich und ihr Gewissen zu entlasten, die sind dann zu keinem Diskurs fähig, es kämen alle Ordensverleiher und Ehrenbürgerschaftsfädler und Schmeichlercliquiers über unsereinen — und die Antisemitismus-Kanone in Stellung …
    Das fehlte noch: Max nach Ude, Posselt, Merkel auch noch mit BILD Arm in Arm.

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© Klaus Ulrich Spiegel