Edelfedern
Sprache & Schreibe der
Gegenwarts-Journaille
Die Mission der
Presse ist, Geist zu verbreiten
und zugleich die Aufnahmefähigkeit zu zerstören.
Vervielfältigung ist insofern ein Fortschritt,
als er die Verbreitung des Einfältigen ermöglicht.
Journalisten schreiben, weil sie nichts zu sagen haben,
und haben etwas zu sagen, weil sie schreiben.
Karl Kraus
Die beharrlich weiter wachsende Folge von
Beispielzitaten auf diesem SubLink
gibt keine Gesamtübersicht zu dem, was Tag für
Tag an Falsch-, Fehl-, Schlamp-
und Pein-Schreibe in deutschsprachigen Periodika,
Presserzeugnissen, Printmedien (Netzkommunikation inklusive) zu finden ist. Zum Nachweis der Gültigkeit jenes Diktums von Karl Kraus: „ … der Stil kann beweisen, dass einer ein Mörder ist“, kann sie dennoch
dienen.
Man kann dem nicht entgehen, muss
nicht danach suchen. Von der Postwurf-Anzeigenpost bis zu überregionalen „Qualitäts“-Tages- und Wochenzeitungen, vom Revolverblatt bis zur regionalen „Heimat“-Abopostille, vom Nachrichtenmagazin bis
zur Yellow Press, erst recht in Amts-, Verbands-, Fach- und Interest-Organen: Schon Headlines, Sky- & Sublines sind gespickt mit dem, was nach Eigen-Einschätzung der Urheber unter
„Edelfedern“ läuft – falschen Satzkonstruktionen, falschen Deklinatio-nen & Konjugationen, Beugungen, Bezügen, Zeitebenen, Partizipien, Konjunktiven, Wortbedeutungen. Inflationär breitet sich
derlei dann erst recht in Fließsatztexten aus. Dies gerade dort, wo einst sauberes, korrektes, wenigstens regelgerechtes Deutsch als Normalität gelten konnte, nicht zu reden von dem Ehrgeiz (bei
Gelingen verbunden mit ein wenig Stolz) einiger Redaktionen, die sich ehedem als Bewahrer, ja Bekenner einer niveauvollen, konkret: richtigen, kultur-geprägten, zugleich berufsbewussten
(und -bedingten) Schriftsprache Deutsch verstanden. Also des einfachen Nachweises professioneller Beherrschung der
journalistischen Arbeitsbasis Sprache.
Deren Niedergang beschränkt sich
nicht auf Grammatik, Semantik, Syntax, Inter-punktion. Er erstreckt sich längst auf Stildetails und Inhaltsaspekte – insgesamt also auf jene Fertigkeiten, deren Beherrschung für berufsausübende
Wortwerker als selbstverständlich gelten müsste.
Eine Reihe subjektiv ausgewählter,
doch typischer Anlassbereiche, dazu noch exemplarische Fall-Einzelbeispiele, geben den Stand heutiger Medienschreibe in groben Ausschnitten zu erkennen – vom Sammler hier nicht strategisch-planerisch
eruiert, sondern beiläufig, tagesabhängig, auf den Umgriff seiner Regel-Lektüren reduziert. Darum dominieren hier Fundsachen aus beiden täglichen Zeitungs-rezeptionen und auch aus diesen nur, was bei
interesse- und stimmungsabhängiger, oft flüchtiger Rezeption vors Leserauge kam, also ohne jede Tiefenrecherche sich von selbst aufdrängte. Dazu diverse Überraschungs-Trouvaillen von eher zufälligen
Blicken in andere Medien, aus Hotel, Reisezug, Wartezimmer, Probeexemplaren.
Ist man auch schmerzhaft mit den
nahezu täglichen Ärgernissen in seinen Leib- Informationsquellen konfrontiert, hat man so doch gesicherte Kenntnis davon,
dass es in anderen Kern-, Leit- und
Geltungsmedien ganz genauso zugeht. In
FAZ, DIE ZEIT, DER SPIEGEL, Die Welt, FR,
Handelsblatt, LOCUS, Cicero, RhP, WAZ, Tagesspiegel, in ARD&ZDF sowieso: überall dieselben Fehler, Verstöße, Ärgernisse. En suite.
Tagesfunde – ungezielt
seit Jahreswechsel 2014/15
„ … unter Christdemokraten
macht derzeit ein jeder - und es sind
interessanterweise vor allem Männer - ,was er
will.“
(Nico Fried / SZ-Hauptstadtredaktion Berlin - 5.11.2019)
„Das Parlament ist paralysiert, vorgezogene Neuwahlen stehen im Raum
wie der Elefant zwischen den Scherben des Porzellanladens.“
(Cathrin Kahlweit / SZ Ukraine-Report 3-2016)
„Carolin Kebekus gilt als Deutschlands vielversprechendste und talentierteste
Komikerin und Entertainerin.“ (WDR)
„ … wie Gerhard Schröder und Wladimir Putin den Petersberger Dialog
aus der Taufe hoben.“
(Stefan Braun / Süddeutsche Zeitung)
„Man müsse die Debatte entlang der Regeln führen … “
(Christoph Hickmann / SZ)
„ … Putin habe aus gesundheitlichen Gründen abgesagt.“ (Julian Hans / SZ)
Abgesehen davon, dass es in solchen Anlassfällen immer krankheitliche Gründe sind: Spricht
etwas dagegen, einfach und klar „wegen Erkrankung“ zu schreiben?
„Wie Vitali Klitschko die deutschen Okkupanten samt ihrer Helfershelfer
verharmlost …“
(Reinhard Lauterbach / junge Welt)
„ … dass die Redaktion des WDR die Ausstrahlung aus Jugendschutzgründen
in ihr Spätprogramm verschiebt.“ (Süddeutsche Zeitung / Medien)
„Gesundheitsminister Daniel Bahr sagte, CDU und CSU würden einen
anderen Ansatz verfolgen“
(Robert Rossmann / SZ)
Gemeint ist nicht, dass die es würden – also täten, wenn sie könnten. Sondern
(indirekte Rede, Konjunktiv 1), dass sie faktisch einen anderen Ansatz verfolgten.
(s. unten - Konjunktiv & Indirekte Rede)
„Er sollte signalisieren: Die beiden sind sich trotz aller anderslautenden
Spekulationen einig.“ (Susanne Höll / Süddeutsche Zeitung)
Also entweder: trotz allen anderslautenden … Oder: trotz aller anderslautender …“ (wenn es
denn schon der falsche Genitiv sein muss). Die erstgenannte Version wäre
die richtigere. Denn „trotz“ wird vom Dativ bestimmt: Man trotzt den Gefahren
und dem Geschick und sagt „trotzdem“, nicht
trotzdessen ...
„Der prominenten Gäste zum Trotz …
“ (TV-Kommentar WDR/3sat)
„Plan B statt deutschem Euro“ (jW / Schwerpunkt / Interview-Headline)
Wegen dem. Während dem. Statt dem. --- (s. unten: Dativ killt Genitiv)
„Tote bei Untergang von russischem Schiff“ (Head im Nachrichtensender ntv)
„Säbelrasseln zum Anfassen, das soll Putin schrecken“ (BR-Rundschau)
„ … gar eine Sekte, die bereits den Kindern Rassismus lehre.“
(Claudia Wangerin / jungeWelt)
„ … hatte der Parteitag Trittin aufs Schild gehoben“ (Daniel Brössler / SZ)
Da fragt man sich: Aufs Straßenschild oder Ladenschild oder
Klingelschild?
„ … gibt es keine internen Kungelrunden, in denen seismische Störungen schnell
zum Erdbeben hochkochen.“
(Peter Issing / DIE WELT)
Meisterstück knapp gefasster Dialektik:
„Grünes Licht für Vertragssperre“ (Daniel Brössler / SZ)
Eine Sperre hat freie Fahrt --- vom Ampelgrün freigegeben.
Dialektik vom Feinsten:
Stopp dem Stau! (Garmisch-Partenkirchener Tagblatt / Münchner Merkur)
Wie macht man das: einen Stau stoppen?
„Die militärische Option liegt auf dem Tisch.“ (Stefan „Nato“ Kornelius / SZ)
Triumph der Edelfedern-Kunst:
„Duell zu siebt“ – Süddeutsche Zeitung zur Unterhauswahl in Großbritannien
„ … gemäß griechischer Berechnungen.“ (ARD-Tagesschau)
„ … dank Schilder am Revers der Schaffner mit vollem Namen.“
(Jannis Brühl / SZ)
„ … dass SPD-Chef Gabriel auf ein Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung
dringt.“ (Tanjev Schulz / SZ)
Man kann es dringend oder dringlich machen, kann in etwas dringen = irgendwo eindringen.
Aber was Gabriel da macht, heißt drängen. Er dringt also nicht, sondern drängt auf ein VDS-Gesetz.
„Aller Unkenrufe zum Trotz: Organisatoren ... zufrieden“
(jW / Aufmacher-Headline Politik)
„Hallenbad auf der Kippe“ (SZ Region / Headline-Aufmacher)
„Badehaus noch nicht in trockenen Tüchern“
(Münchner Merkur / Region Nachrichten)
„Lieferung von atomar bestücktem deutschem U-Boot an Israel genehmigt“
(N24 Nachrichten)
Ein U-Boot genehmigt die Lieferung?
Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod. (B. Sick) – s. unten
„Die noch epochalere Begegnung der Präsidenten soll am Samstag
stattfinden.“
(Boris Herrmann / SZ-Politik, Korrespondentenbericht)
--- epochal, noch epochaler, am epochalsten - ?
„ … können die Augenzeugen sich entgegen ihrer vorherigen Aussagen
nicht mehr erinnern.“
(ARD / Pressetext zu Zero
Tolerance)
„Die Bilderstürmer haben entlang der Friese und Reliefs ausgediente Ölfässer
aufgestellt … “ (SZ Hauptteil / Paul-Anton Krüger / Nimrud-Report)
„(Milo Rau) versucht in The
Dark Ages nichts weniger als den Ursprung des
Bösen zu erkunden …“ (Tim Neshitov / SZ-Feuilleton /Theaterkritik)
Ein wahrer Klassiker: Der Rezensent sagt aus, Milo Rau erkunde den Ursprung des Bösen am
Allerwenigsten von allem, eben nichts weniger als ihn. Er meint das exakte Gegenteil dessen, was er aussagt: nicht weniger, also mehr, besonders viel, intensiv,
gründlich.
„CDU/CSU bemühen nichts weniger als die Daseinsvorsorge, um einen geforderten
Eingriff in das Grundgesetz zu vertuschen.“
(cwr / jW Tagesglosse)
Der linke Kommentar macht es nicht anders. Die C-Parteien bemühen „nichts weniger“,
also diesen Eingriff weniger als alles andere, also alles andere mehr. Man will das Gegenteil aussagen, merkt's leider nicht.
„Zwei, die sich nicht leiden konnten: Vogler und Rilke“
(Antje Weber / SZ-Region Kultur)
Wer wen? Beide, im Journaille-Neuschreib: „sich gegenseitig“? Oder jeder sich selbst,
gleichsam im kulturbetrieblich gern konstatierten Künstler-Selbsthass? Gemeint ist vermutlich jene Emotionslage, für welche die deutsche Sprache eine so schöne wie klärende (und darum im
Boulevardgelaber untergehende) Vokabel hat: einander.
„Mehr Aufträge – wenn China nicht querfunkt“ (Daniela Kuhr / SZ-Wirtschaft)
„ … nach Swindon gekommen, um seine Partei auf die nächsten drei
Wochen einzuschwören.“ (Christian Zaschke / SZ-Report England)
Wieder ein Inhaltsverfall in Richtung Wortbedeutungs-Entleerung: Bisher konnte
man inflationär die immer gleiche Wendung „schwört ein /schwor ein“ (wenn nicht
gar à la SZ bereits: „schwörte ein“) vernehmen, wenn ein gemeinsames Engagement vorzubereiten ist oder war. Also: „ …. Schwor die Gefolgschaft auf den Kampf ein, das Wahlprogramm ein, die
Kampagne ein, die Inhalte, Parolen, Ziele ein“.
Jetzt wird schon auf bloße Zeiträume eingeschworen, Wochen, Tage … Demnächst vielleicht auf Termine, dann Personen, dann Räumlichkeiten?
Unschlagbar, preisverdächtig:
„ … Burgenbloggerin im Mittelrheintal soll der strukturschwachen Region
auf den Zahn fühlen“
(SZ / Headline im Ressort
„jetzt.de“)
„ … die Beteiligten mühen sich, ein größeres Kompromisspaket zu stricken.“
(ZDF / heute)
Einmal davon abgesehen, dass die Vorstellung, Pakete ließen sich stricken, eine absonderliche, jedenfalls nicht
edelfedern-adäquate ist: Wieso wird unter und von Politikern, Wirtschaftsführern, Planern, Beiräten Stabsabteilungen andauernd „gestrickt“ – Konzepte, Strategien, Programme, Geheimpapiere oder
schlicht Pläne?
Hat schon je jemand eine Projektgruppe strickender Egg Heads am Werk gesehen?
Es ist so ähnlich wie in dem anschließenden Vorgang, bei dem die durch Stricken erzeugten Vorgehensweisen (wiederum: Strategien, Kampagnen, Aktionen …) dann ständig „gefahren“ werden. „Ma sagt ja
nix, ma redt ja nur." (= Regelkommentar zu
sowas von Felicitas Amler)
„ … während an der Konzernspitze ein bizarrer Machtkampf tobt“.
(ZDF / heute-Journal)
Dass im Akutjournalismus jeder Dissens, jeder Meinungsunterschied, jeder Konflikt, jede
Kontroverse, die eine Meldung wert sein könnte zum Weltbeben aufgeblasen zu werden hat und darum grundsätzlich „tobt“, ist tägliche Nachrichten-Erfahrung. Jeder Hergang, der zwei
Seiten = zwei (oder gar mehr) Meinungen betrifft, muss als Vorgang infernalischen Ausmaßes dargestellt werden. Das Metier kennt keine ordentlichen, kennzeichnenden Begrifflichkeiten mehr; es reckt
sich zwanghaft zu Superlativismen, die keine Differenzierungen, gar Nuancen mehr zulassen – und
eben damit sogar den extremen Begriff zum inhaltsleeren Gelaber verhunzen und entwerten. So hat selbst die kleine, stille Hinter-den-Kulissen-Intrige, gar eine Zwischen-den-Zeilen-Andeutung die
Ausmaße eines Orkans oder Taifuns, der eben tobt, also jede Grenzsetzung durchbricht, niederwirft, umstürzt, zersplittert, pulverisiert, destruiert, wie Orkane und Taifune das mit Bäumen,
Dächern, Mauern, Häusern, Dämmen machen. Jeder Funke: ein Flammendes Inferno. Jedes laue Lüftchen: eine Kontinentaldrift. Somit auch jedes Fünf-Worte-Knurren eines Einflusshabers: der Anbruch einer
neuen Ära. Wer darauf nicht sogleich kuscht, löst Vorgänge aus, die nur als Toben zu vermitteln sind. Selbst wenn das kleine Hin und Her, das folgen mag, gerade mal als seltsam, also etwa
„bizarr“ erscheinen mag – ohne Toben geht es nicht. Kein Wunder, dass so die Absurdität einer Bizarrerie (also maximal: Absonderlichkeit) na was schon: tobt.
Und tobende Bizarrerien
in einem, demselben Satz zum neuen Sprachfund werden.
Karl Kraus:
„Keinen Gedanken haben und ihn ausdrücken - das macht den Journalisten.“
„Auf der anderen Seite passen Nokia und Alcatel-Lucent gut zusammen“
(Caspar Busse / SZ
Wirtschaftskommentar)
Auf welcher Seite? Rechts, links – im (N)Irgendwo? Busse verrät uns so viel:
„Es gibt nur geringe Überlappungen.“
„Ein Millionär soll auf obskure Weise dazu bewegt worden sein, sein
Vermögen der Stiftung zu vermachen.“
(Katja Riedel / SZ-Panorama /
Subhead)
Zum transitiven und intransitiven Sinngebrauch eines Verbums. Man hat bewegt: ein
Objekt, eine Materie (ein Auto, einen Koffer, einen Rasenmäher und natürlich: sich). Einen Menschen, Handelnden, Geistbefähigten – den hat man
bewogen. Es ist dasselbe Elend wie bei geschwört, erwägt, geschindet, geschliffen, erleidet, gepreist … alles allfällig
in Ihrer SZ.
„Wen trifft es das nächste Mal -- Einen selbst?“
(SZ-Chefredakteur Kurt Kister zum Germanwings-Absturz)
„Gergiev, der zur Präsentation aus Zeitgründen nicht nach München kommen konnte … “
(Doktor Reinhard Brembeck, SZ-Feuilleton, der auch je eine
„Extremsopranistin“, eine „spartanisch herb komponierende und zutiefst gläubige“ Musikerin, dazu „Wagner- Schnipsel“ und eine „aus dem Mainstream herausstechend einzige Dirigentin“
entdeckt, zur MüPhilh-Saisonvorschau)
„Grünes Licht für die Maut“ (SZ-Headline in Politik, Nachrichten)
Das ist annähernd so wie „Stop dem Stau“: Eine Zugangsgebühr, im Effekt also
Freifahrtsperre, erhält „Grünes Licht“, somit freie Fahrt.
Noch schöner, im gleichen Dummschreib:
„Grünes Licht für die Mietpreisbremse“ (ZDF heute / Nachrichten)
„Todesstoß für mobile Verschlüsselung“ (SZ-Wirtschaft, Aufmacher-Head)
„Garniert hat er seine Darstellung mit Beispielen selbst leidvoll erlittener
Einflussnahme durch Wirtschaftsbosse – auch per nächtlicher Anrufe.“
(SZ Politisches Buch / 3.2.2015)
„Seine Frau hatte ihre Arbeit im Krankenhaus aus gesundheitlichen Gründen aufgeben müssen“
(Hans Holzhaider / SZ-Gerichtsreportage, Seite 3)
Und das, obwohl die Arbeit, die aus 'gesundheitlichen Gründen' endete, in einem Krankenhaus
geleistet wurde. Ob es daran lag, dass dieses nur für krankheitliche Anlässe zuständig war?
„Entlang der historischen Fakten …“
(jW / Medien)
Die Meisterdeutschler im SZ-Hochaus können es allemal noch
besser:
„Mindestens drei
Zusammenkünfte mitsamt ihrer jeweiligen
Gefolgsleute gab es“.
Süddeutsche / Ressort Sport - Johannes Aumüller / 19.3.2020
„Scobel: Solidarität auf dem Prüfstand.“
(3sat / Sendungs-Titel)
„Hartwich stellte vollmundige Werbeversprechen auf den Prüfstand.“
(HörZu / Programmankündigung)
Ein Prüfstand ist ein Gerät oder eine Vorrichtung, mit dem ein technischer
Gegenstand auf seine Eigenschaften reproduzierbar geprüft werden kann.
Zu einem Prüfstand gehört neben der mechanischen Ausführung zur
Aufnahme des Prüfgegenstandes auch die entsprechende Sensorik und
Steuerung, um die Eigenschaften generieren und Messwerte
protokollieren
zu können. Was man nach gängiger Journaillepraxis Tag für Tag so alles auf
den Prüfstand stellt, geht auf keinen Messwert.
„Die geplanten Trassen spalten inzwischen auch die Naturschützer.“
Wer wen?
(SZ-Bayern / Öko-Report)
„ … Bombenanschlag, der 32 sozialistischen Aktivisten das Leben kostete.“
„ … Beileid für den Anschlag von Suruc, der konsequenten Gegnern des
Erdogan-Regimes das Leben kostete.“ (Peter Schaber / jW
Schwerpunkt)
„Inhaltlich gibt der leitende Oberstaatsanwalt München I ein weniger
gutes Bild ab.“ (Wolfgang
Wittl / SZ / Bayern-Kommentar)
„Am Münchner Haus der Kunst sah er mutig der Vergangenheit ins Auge.“
(SZ Feuilleton / Aufmacher-Subhead)
„ … so wie die Gründung der Agentur für die Modernisierung der Ukraine
im Beisein internationaler Prominenz aus der Taufe gehoben wurde.“
(Cathrin Kahlweit, Ukraine-Putsch-Lobpreiserin &
Russland=Putin-Denunziantin
/ SZ-Politik)
„Als erste Kommune im Landkreis wird dort ein Jugendrat gewählt.“
(SZ-Region / D. Costanzo, Starnberg)
Auch eine liebe Journaille-Usance: die falsche
Partizipialkonstruktion.
„Von derartigen Erfolgen verwöhnt, sind Rückschläge umso
schmerzhafter.“
(SZ-Forum)
Ja, Bauchschmerzen soll man nicht auf die leichte Schulter nehmen.
Und Rückschläge schon gar nicht verwöhnen.
dto.:
„Damit begründete das Nachrichtenmagazin seinen Mythos vom
'Sturmgeschütz der Demokratie'. Obgleich heute längst ihr Bettvorleger,
hallt der Vorgang immer noch nach“.
(Robert Allertz / jW Schwerpunkt)
Ein Vorgang, der nachhallt, ist längst (= schon lange) zum Bettvorleger
mutiert.
auch nicht schlecht:
„Als konservativer Politiker gefiel es Mayer-Vorfelder, der bereits mit
31 Jahren persönlicher Assistent des … Hans Filbinger war ….
(Philipp Seldorf / SZ Sport)
Weil sowas so schön und klärungsklar ist, noch mal in Steigerung:
„Nürnberg hat sich nicht nach einer neuen Kulturstätte gesehnt. Doch
versprochen von Horst Seehofer, nutzt die Stadt die Gelegenheit nun zum
Rundumschlag.
(SZ / Region, Bayern, Aufmacher-Subhead)
Was hat Seehofer versprochen? Offenbar die Stadt Nürnberg. Wem er sie versprochen hat, bleibt offen. Doch darum, weil sie versprochen
wurde, nutzt die Stadt dies und schlägt jetzt rundum. Soviel zur Kultur, ihren Stätten und Kolporteuren.
dto.:
"In der Villa der Verstorbenen angekommen, geschehen dort seltsame Dinge."
(Presse-Ankündigung eines Horrorfilms in der ARD)
„ … des öffentlich-rechtlichen Fernsehsenders ERT beschlossen, der aus
Spargründen geschlossen worden war.“
(Cerstin Gammelin / SZ-Politik / Feature
Griechenland „Reformen“)
Wieder schwer im Kommen: Der dreistöckige
Hausbesitzer.
„Gericht verhängt Jugendstrafe über mehrfachen
Rückfalltäter.“
„Bis heute zählt der zweifache Oscar-nominierte Hollywood-Klassiker
‚Singin In The Rain‘ zu den beliebtesten Musicalfilmen.“
(SZ-Region / Kulturberichte & Service)
„Reiter verwahrt sich gegen eine öffentliche Diskussion über Standorte, bevor
die nicht auf ihre Realisierbarkeit geprüft wurden.“
(Ressortleitung
SZ-Region / zu einem Münchner Konzertsaalprojekt)
„Bevor nicht“ ist eine falsche (wenngleich notorisch im Gebrauch stehende) Redewendung, die
das Gegenteil dessen aussagt, was gemeint ist: OB Reiter will nicht über Standorte diskutieren – entweder: bevor deren Realisierbarkeit geprüft wurde / oder: solange diese
nicht geprüft wurde. Der Schreiber will sagen, Reiter verwahre sich jetzt gegen eine öffentliche Diskussion (und zwar solange keine Prüfung auf Realisier-barkeit stattgefunden hat;
dann mag er diskutieren). Doch faktisch sagt er aus, Reiter verwahre sich gegen eine Diskussion, bevor diese nicht geprüft wurde, was Unsinn ist, weil sie –
die Realisierbarkeit – ja bisher/derzeit noch der Prüfung harrt. Ergo: Erst wenn sie nicht geprüft sei, werde Reiter seine Verwahrung beenden. So offenbart
sich eine höhere Art von Schreibschwurbel.
„Die Mietpreisbremse soll in einigen Bundesländern mit Verzögerung
starten."
(dpa / Tagespresse 30.4.2015)
Wenn auch mit Verzögerung: Eine Bremse startet. Wie geht
sowas?
„Trotz interner Machtkämpfe und zuletzt schlechteren Umfragewerten freut
sich die AfD weiter über Mitgliederzuwachs.“ (SZ-Politik / Meldungsspalte)
Was denn nun: Genitiv oder Dativ? Vorsorglich mal beides im selben
Satz?
Weil’s so schön war, dasselbe am selben Tag noch einmal:
„Heinrich Bedford-Strohm, dem bayerischen Landesbischof und seit einem
halben Jahr Ratsvorsitzender der EKD … “
(Matthias Drobinski / Religions- & Kirchenexperte der Süddeutschen)
Der journalistische Boulevard-Komparativ, nur durch den Superlativ zu
toppen.
„Eindeutiger hätte das Urteil der Experten von Stadt, Staat, Bayerischem
Rundfunk und Orchestern nicht ausfallen können.“
(
SZ-Ressortleitung Region)
--- eindeutig – eindeutiger - am eindeutigsten
...
Wenn ein Kultursender sich analogisch gebärdet
...
Preiswürdig:
„Ein Foto des deutschen Fotografen Peter Lindbergh brachte den Stein der
Model-Ikonen ins Rollen.“
(arte / Ankündigung einer TV-Doku „Die Ära der Supermodels“)
„ … IP-Adressen von Computern, die gegen deutsche und europäische
Interessen verstießen.“ (Christoph Hickmann / SZ-Politik / Titelseite)
„Thüringens AfD-Sprecher Björn Höcke ist wegen seiner Äußerungen über
die NPD in der eigenen Partei in die Kritik geraten.“ (AFP-Meldung)
„Thüringens AfD-Fraktionsvorsitzender Björn Höcke versucht nicht, seinen
extrem rechten Kurs zu verschleiern …“ (jW / Bildunterschrift)
Der Mensch, der Höcke heißt, ist keineswegs „Thüringens AfD-Sprecher"! So wenig
wie Gerhard Schröder ungeachtet damaliger Pressemeldungen „Niedersachsens Juso-Vorsitzender“ oder Florian Streibl „Bayerns FW-Fraktionssprecher“ waren oder sind.
Es gibt Thüringens Ministerpräsidenten, Sachsens Staatsregierung, Hessens Wirt-schaftsminister, Münchens Oberbürgermeister. Doch Vereinigungen, Gesellschaften, Verbände, Fraktionen, Vereine – die
sind nicht Repräsentanzen eines Bundeslandes
oder gar Nationalstaats. Die thüringische AfD ist kein Staatsorgan.
Also ist sie nicht „Thüringens AfD“, ihr Pressesprecher schon gar nicht „Thüringens AfD-Sprecher“. Es handelt sich um den Sprecher der thüringischen AfD oder den Vorsitzenden der AfD-Fraktion im
Thüringischen Landtag.
Noch so eine Blüte:
„ … Münchens langjähriger CSU-Schatzmeister Hans Hammer.“
(Dominik Hutter / SZ-München-Lokales / 23.4.2020)
„Am Mittwoch hatte die Polizei in fünf Bundesländern Wohnungen von
vermeintlichen Mitgliedern der OSS durchsuchen lassen.“
(Markus Bernhardt / jW
Politikbericht)
Hatte die Polizei Wohnungen vermeintlicher OSS-Mitglieder durchsuchen lassen?
Oder hatten vermeintliche Mitglieder der OSS bestimmte Wohnungen durchsucht?
Transitiv – intransitiv, nach Belieben:
„Nach vagen Beschreibungen fertigt ein Spezialist ein Phantombild an,
das überall in der Upper Westsite aufgehangen wird.“
(Pressetext des TV-Senders VOX zur Serienfolge Law & Order)
Zweimal auf derselben SZ-Seite:
“Der bisherige Amtsinhaber Arthur König hatte aus Altersgründen darauf verzichtet.“
-- „Praxen, die aus Altersgründen aufgegeben werden …“
(beides auf SZ-Politik, Greifswald-Wahl & Ärztetag)
„Jedoch habe die Politik den achtsemestrigen Bachelor nicht mit Geld
unterlegt, so dass er gar nicht fahrbar ist.“ (OJO /
SZ Schule & Hochschule)
???
„23,0 – 15,9 – 22,6. Hinter den Prozentzahlen verstecken sich die CDU-
Ergebnisse in Brandenburg, Hamburg und Bremen.“
(Robert Rossmann / SZ-Politik /
Kommentar zu Landtagswahlergebnissen)
Der pure Unsinn. Das Gegenteil trifft zu: Die Ergebnisse verstecken
sich nicht
hinter den Prozentzahlen. Sie sind mit ihnen identisch, werden durch sie evident.
Und gleich nochmal – am gleichen Platz:
„Dahinter verbirgt sich der Verdacht, dass manche Waren nicht im israelischen
Kernland, sondern in der Westbank produziert werden.“
(Peter Münch / SZ-Politik / Israel-Besorgnisse der Merkel-Koalition)
Nein, im Gegenteil: Hier kommt der Verdacht, der sich
keineswegs verbirgt,
zum Ausdruck, hier wird er offenkundig.
„Beim Bier ist diese Gangart nicht ganz so
inflationär.“
(Und wieder: Die Locker-Brillanz der Jungprofis im
SZ-Münchenteil, hier
„Die Leiden des Spezitrinkers“ vom Nachwuchstalent K. Eisenberger (s. unten)
„Darin, dass Cameron sich mehr Entgegenkommen ausrechnet, als ihm
gewährt werden kann.“ (Daniel Brössler / SZ-Kommentar zu GB-EU)
Entgegenkommen ausrechnen – wie macht man sowas?
„In Offenhausen wurde ein Soldatengrab mitsamt seiner SS-Runen
jahrzehntelang gepflegt … “ (SZ-Region /Bayernteil /Aufmacher)
„Die Stellungnahme (Köster-Oppinion) gilt im Europäischen Parlament
als weitgehendste Beschlusslage gegen die derzeitigen Pläne zu den
Freihandelsabkommen TTIP/CETA.“
(Anmerkung auf NachDenkSeiten / zum Beschluss des
EP-Rechtsausschusses
über TTIP-Schiedsgerichte)
Progressio librarii: gehend, gehender, am gehendsten …
„Die Zahlungsunfähigkeit erscheint immer
unausweichlicher.“
(Der sonst hochzuschätzende Rainer Rupp in jW / Schwerpunkt zur
Euro-Zone)
„Ncht etwa, weil hier eine andere Partei eine negative Kampagne gefahren
hätte …“
(Stefan Braun /
SZ-Innenpolitik / FDP-Parteitagsbericht)
Kampagnen werden betrieben (soweit nicht nach Neuschreib: gestartet).
Wieso sie in den Medien immerzu gefahren werden – keine Ahnung.
„ … nach den jüngsten Erfolgen in Hamburg und Bremen spricht alles
dafür, dass Lindner & Co. viel Beifall einfahren werden.“ (der selbige Obige)
Im normalen Leben lässt sich Beifall erringen, erreichen, erfahren, erleben, auch gewinnen
oder auskosten oder, oder, oder – aber im Medien Neuschreib, da wird er eingefahren. Abgeleitet von der schon länger etablierten Medienquatsch-Schreibe „(Wahl)Ergebnis eingefahren“. Sprache
lebt – im Zweifel bis zur Verdummwesung.
„Ihre Erfolge könnten zwar auch daran liegen
…“ (nochmal der Obige)
Hoffentlich liegen sie dann warm.
„Verschwörungstheorien auf dem Vormarsch.“
(ntv / Pressetext)
„ … das schützte ihn vor der Verfolgung der Nazis.“
(SZ-Feuilleton über Django Reinhardt)
Nicht etwa durch die
Nazis?
„Entgegen aller Versuche, die Konflikte öffentlich herunterzuspielen,
scheint das Auseinanderbrechen der beiden Lager programmiert.“
(John Lütten / jW Politik)
„Da ahnte Guardiola noch nicht, dass auf ihn eine Debatte zurollt, die vor
allem von Allofs und Dufner intoniert wurde.“
(Benedikt Warmbrunn / SZ-Sport / Feature zum Bundesliga-Ausklang)
Eine Debatte wird
intoniert, woraufhin sie zurollt.
„Wider dem Davonstehlen vor der Geschichte“
(Leider, leider: Headline auf den NachDenkSeiten, zum Briefwechsel
Rudi Dutschke & Peter Paul Zahl)
„Im Bayerischen Nationalmuseum, dem unbekanntesten der großen Museen,
glänzt der Barock.“ (SZ-Feuilleton / Sub-Head über einem Bericht-Essay
des sonst großartigen Gottfried Knapp)
--- unbekannt, unbekannter, am unbekanntesten!
SZ-Edelfeder in der Rolle einer Chef- und Starfeder:
„Knapp zehn Jahre ist sie jetzt Bundeskanzlerin , mehr als die Hälfte davon
geht es immer wieder um den Staat ….“
„In neun Tagen droht Griechenland der Staatsbankrott.“
(Nico Fried /
Kommentarkasten „Im Profil“ / SZ-Meinungsseite 4)
Dass Griechenland in neun Tagen der Staatsbankrott drohe, ist Unsinn. Der Staatsbankrott droht dem Land seit
Monaten (seit nämlich eine deutsche Bundes-kanzlerin im Verbund mit EU-Austeritätsdoktrinären und „Troika“ es zugrunde „sparen“ lässt). Der Bankrott könnte in neun Tagen eintreten – doch dann
droht er
nicht mehr. Sondern dann ist eingetreten, was bis dahin lange gedroht hatte.
„ … richtet Weitling sein Hauptaugenmerk nicht auf ein sich in Deutschland
erst noch in Entwicklung befindliches Fabrikproletariat.“
(Alexander Brandenburg / jW – Kultur / Buchrezension)
„Nächste Woche proben BRICS und die Schanghaier Organisation für
Zusammenarbeit (SCO) im russischen Ural den Aufstand gegen die unilaterale
Weltordnung.“
(jW / Schwerpunkt / Sub-Head über einem
Bericht des sonst
hochzuschätzenden Reinhard Lauterbach)
Zu hoffen ist, dass statt einer Aufstandsprobe ruhige, überlegte, konzeptionelle Politik-schritte mit Langzeitwirkung und Bestand
in Gang gesetzt werden, der Quatsch vom Aufstand, der geprobt werde, also bloße Boulevardschreibe in den Kategorien und Formeln des konzernpressetypischen Propagandajournalismus ist. jW und
Lauterbach stehen in der Regel verlässlich gegen einen solchen. Warum also werden auch von Redakteuren ausgewiesen linker Medien andauernd die Sprach-Notzüchtigungen des kapitalistischen
Lohnschreibekartells adaptiert? (s. Stereotyp-Sentenzen /
unten)
„Erbe von reicher Obdachloser gesucht“ (SZ / Panorama / Meldungs-Headline)
Eine reiche Obdachlose sucht einen Erben? Oder wird der Erbe einer reichen Obdach- losen
gesucht? SZ-Leser haben die Wahl. Sie scheinen zu wissen, was gemeint ist. Schließlich sind sie aufgefordert, anspruchsvoll zu sein.
„Durch die rasch gewachsene Ortschaft war die Zustimmung zum Bau
einer eigenen Kirche groß.“ (SZ-Region / Bericht zum Kirchenjubiläum Schäftlarn)
SZ-„Thema des Tages“ / Prominenzplatz S. 2:
„Als Alexis Tsipras … nach Rom reiste, rechnete er sich viel Goodwill aus.
(Oliver Meiler / SZ
Rom-Korrespondent – in Standardform)
“Goodwill“ ist das englische Wort für immaterielle Vermögensposten = einen Image-Wertstand im Rechnungswesen bilanzierender Unternehmen - und im
Marketing
deren Ansehenswert. Der Begriff steht nicht etwa wörtlich übersetzt für „guten Willen“ i.S. von Entgegenkommen, Hilfe, Zugewandtheit. Ein Spitzenkommentator großer und bedeutender Medien sollte das
wissen - und die ihn redigierenden Partner in der Hauptredaktion ebenso. Mal abgesehen davon, dass sich weder das Eine noch das Andere „ausrechnen“ lässt. Ja, das "Weltblatt aus München“ – Stand
2015, Slogan: „Seien Sie anspruchsvoll!“
„ … statt sich an der nutz- und konzeptionslosen Deutschen Oper Berlin
zu versuchen, geschliffen werden soll also nicht etwa ein Hort bürgerlicher
Behäbigkeit.“
(Bertold Seliger / konkret Kultur - 7/2015)
... und der leichthin geschwörte Eid, den man zunächst gepreist hatte, war dann
ursächlich für das erleidete Verhängnis ...
„Glücklich strampelnd dem Stau auf der Spur“.
(SZ-München / Headline im Lokalteil)
Damit sich die Spur des Staus strampelnd verfolgen lässt, braucht dieser aber
erstmal Grünes Licht – oder?
„Am Samstag läuten wir den Countdown zur großen Schlagernacht
am Wörthersee
ein.“
(ORF-Vorschau-Ansage / 25.7.2015).
Einen "Countdown" (also eine Einleitung) einleiten - dies natürlich als "einläuten",
klar. Fehlt nur "grünes Licht". Dummgeschwurbel, Leerschaum. Erinnert wieder mal an den damaligen SPD-Fraktionschef Fritz Erler im Bonner Bundestag auf den Blubber-Kanzler Erhard: "Die
Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers waren heute wieder sehr reziplikativ. Sie werden fragen, was das heißt. Das heißt gar nichts, das
spricht sich bloß so schön."
„Am Tatort in der Rudower Straße wird dem Opfer gedacht.“
(Tanja Rest / SZ Panorama)
„Schwimmen auf Messers Schneide“
(SZ-Sport / Aufmacher-Headline)
„ Das Veterinäramt will die Kühe eines Bauern abholen, aus
Tierschutzgründen.“…
(SZ Panorama / Aufmacher-Subhead)
„Im Münchner Museumsquartier passiert kaum etwas. Doch nun soll
das Vorhaben ‚Kunstareal‘ Fahrt aufnehmen.“
(Stefan Mühleisen / SZ-Region/ Kultur)
„In den Hinterzimmern wird gefeilscht, an Paragrafen geschliffen,
Stimmen werden neu gezählt.“ (Oliver Meiler / SZ-Korrespondentenbericht)
„Wrack von vermisstem Flugzeug gefunden.“
(SZ Politik /Nachrichten / Aufmacher-Headline)
Sowas kommt dabei raus, wenn Meisterschreiber beharrlich den Dativ zum Tod des Genitivs
einsetzen. Was ist passiert? Hat ein vermisstes Flugzeug ein Wrack gefunden? Oder war das Flugzeug selbst die Fundsache, agnosziert durch ein Wrack? Vermutlich. Dann hätte es klarer, genauer,
richtiger heißen sollen: Wrack des vermissten Flugzeugs gefunden. Liegt näher, klingt richtiger, ist besser verständlich. Warum also wird verbohrt immer wieder mit falschem
Kasus getitelt?
„In der Schweiz soll es den Kuhglocken nun endlich an den Kragen gehen.“
(B5 aktuell – das Informationsradio des Bayerischen
Rundfunks / 23.8.2015)
„Bilanz der Straßenschlacht vom Sonntag:
Zwei Polizisten verletzt, zwei Menschen festgenommen.“
(ntv – der Nachrichtensender / 23.8.2015)
„Das Gesetz ist nichts mehr und nichts weniger als der Versuch,
(die Einheimischen) zu
besänftigen.“ (Susanne Höll / SZ Meinung, S.
4)
„Der DFB fechtet die Behauptungen des SPIEGEL an.“ (Nachrichten sport 1-TV)
„Solche Kraftreserven darf sich der Sechszylinder auf die Fahne schreiben.“
(sport 1 / TV Testbericht)
„Anstand und Aufrichtigkeit könnten Tausenden das Leben kosten.“
(Petra Hallmayer / SZ-Bayern, Kulturberichte)
„Die Stadt am See will sich auch diese Frau aus Travemünde mit ihrer
Familie ansehen
…“
(Peter Burghardt / SZ-Politik)
Wer bitte wen?
„Wer sich nicht sicher ist, auf welchen Werten die Europäische Union
gegründet ist, kann
nachschlagen.“
(Daniel Brössler / SZ-Politik)
„Albert Göring ist dann sehr darüber verwundert, dass er – natürlich
aufgrund seinen Namens – sofort verhaftet wird.“ (Bernd Graff / SZ-Medien)
„Als wenig erwünschter Ausländer kam für Salvatore Willy Brandts Amnestie
nicht infrage.“ (Willi Winkler / SZ-Feuilleton, im Nachruf auf Gaston Salvatore)
„All den Sportarten, denen sich nur alle vier Jahre eine große Bühne
bietet,
muss das einen Schrecken einjagen.“ (René Hofmann / SZ Meinung, S. 4)
„Zum Wunder, wie es seine Parteifreunde beschwört hatten, fehlt dann doch
noch eine ganze Menge.“
(Oliver Meiler / SZ-Korrespondent in Rom, zur dortigen Kommunalwahl Juni
2016)
„Als Thuli Madonsela eine Schülerin war, hing sie ein selbst gezeichnetes
Mandela-Portrait in ihrem Zimmer in Soweto auf.“
(Tobias Zick, SZ Seite 3, Südafrika-Report)
„Bis zum heutigen Tag läuft sie an fester
Fronten entlang.“
(Joachim Käppner / SZ-Meinungsseite 4)
" ... hat Löw für das Testspiel gegen Norwegen ... aus Verletzungsgründen
abgesagt."
(SZ-Sportredaktion / August 2016)
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“E tu, Brute?“ - Kaum zu glauben:
„Der gescheiterte Militärputsch ist jetzt Anlass, auf eine Tarnung von Willkür
weitgehendst zu verzichten“.
(Prof. Dr. Dr. h.c. Heribert
Prantl / Mitglied der Chefredaktion und
Ressortchef Innenpolitik der Süddeutschen Zeitung / 22.7.2016)
gehend – gehender – am gehendsten - ?
„Noch nie gab es in der Geschichte … einen größeren, umfassenderen,
weitreichenderen … Grundrechtseingriff …. “
(derselbe im SZ-Kommentar m 27-/28.1.2018)
reichend - reichender - am reichendsten - ?
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„ … mitsamt des Fremdenhasses.“
(Cathrin Kahlweit / SZ Kommentarseite 4 / über Orbáns EU-Politik / 10.10.2016)
„Heimatminister Markus Söder ist wirklich nicht mit einem mangelnden
Selbstwertgefühl geschlagen …“
(Katja Auer / SZ Bayern / 10.10.2016)
„Misogynie ist noch immer mehrheitsfähig. Vielleicht haben wir alle zu sehr
in unsere Filterblasen gelebt, vielleicht haben wir uns zu sehr in Sicherheit
gewogen.“
(Juliane Löffler / der Freitag / 11.11.2016 – zur US-Präsidentenwahl)
Ein beinahe schon trendiges weiteres Beispiel aus der Serie „die Bastionen
werden
geschliffen“. So wie die Partizipialform von ‚Bastion schleifen‘ geschleift heißt – so
lautet die von ‚sich in Sicherheit wiegen‘: gewiegt. Journalisten-Grundhandwerk,
sollte man annehmen.
Aber das ist ja nurmehr Denken (= Vermuten, Unterstellen) in traditionellen
Schablonen. Den lockeren New-Spell-Style repräsentieren gerade jene, die das
Maß setzen. In unser aller Süddeutschen: Ressortchefs und Korrespondenten,
la crème de la rédaction:
„Der Skandal um François Fillon, dem Kandidaten der oppositionellen
Republicains …“ Christian Wernicke, SZ-Korrespondent in
Paris
„Sessions musste am Donnerstag einräumen, dass er entgegen
früherer
Aussagen ein direktes Gespräch mit dem Botschafter Russlands
geführt hatte.“
„Die Zeitung schreibt, dass dort sicherheitsrelevante Dinge ausgetauscht wurden.“
3mal Stefan „NATO“ Kornelius, SZ-Ressortchef Außenpolitik
„Er könnte auf mangelnde Unterstützung gestoßen sein …“
Peter Münch, Wien-Korrespondent der Süddeutschen / SZ 8.10.018
Ein Klassiker. „Mangelnde Unterstützung“ gibt es nicht. Es gibt nur den
Mangel an
Unterstützung. Gäbe es „mangelnde Unterstützung“, somit Unterstützung, an der es mangelt,
die es also nicht gibt - dann kann man nicht auf eine solche stoßen. Es ist wie mit den
gerichtsnotorischen „versuchter Mord“ & „versuchter Totschlag“. Wenn diese versucht
wurden, fanden sie also nicht statt. Deshalb können sie auch nicht als Fakten festgestellt,
abgeurteilt, bestraft werden. Was sich konstatieren, beurteilen, ahnden lässt, das sind
Mordversuch und Totschlagsversuch, analog Raubversuch,
Betrugsversuch,
Vergewaltigungsversuch …
„Der Fisch soll
denken, da schwebt Futter …“
Süddeutsche Zeitung - BU zum Aufmacher auf „Seite drei“ / 1.12.2018
„Er … wurde zu 15 Monaten auf Bewährung verurteilt
für seinen Bericht
über einen PKK-Führer – einem hervorragenden Stück Journalismus …"
Nikolaus Piper, Chefideologe des Wirtschaftsteils,
lt. Impressum:
„Leitender Redakteur“ der Süddeutschen Zeitung
„So sei Deutschland
entgegen der Beschlüsse der Nato zu winzigen
Erhöhungen
bereit“ wieder mal Brössler - SZ-Politik / 12.7.2018
„Liebeskummer ist oft der Startschuss zu neuem
Glück“
3sat-„Kulturzeit“-Kommentar
(4-2017)
„Großer Verführungskünste braucht es gar nicht mehr …“
Andreas Zielcke, Kulturredakteur, im SZ-Feuilleton in einer Rezension
über John Grishams Roman Das Original.
Sagen will er: Großer Verführungskünste bedarf es …
oder:
Große Verführungskünste braucht man gar nicht mehr.
‚Le style est l’homme‘.
„Hoher Ex-Manager von VW in Haft“
Titelseiten-Aufmacher Head der Süddeutschen Zeitung am 28. September 2017
Entweder ist einer ein „Hoher Manager“ - oder er ist ein „Ex-Manager“.
Ein „hoher Ex-Manager“ ist ein Gebilde, das nur das Unvermögen
großredaktioneller Edelfedern belegt, sich korrekt auszudrücken.
„Seehofer läutet Umbruch in der CSU ein.“
Titelseiten-Aufmacher der Süddeutschen Zeitung am 24.11.2017
„(Die Ukraine) gedenkt dem Revolutionsjahr auf eigene Art.“
Sub-Headline auf der SZ-Seite 100 Jahre
Oktoberrevolution / 2.11.2017
Das
notorisch falsche Deutsch in der Süddeutschen Zeitung hat
mittlerweile Headline-Status erreicht.
„Fünf neue Cabrios stehen in den Startlöchern.“
ntv - der Nachrichtensender - Headline 5.3.2018
„Pächterwechsel auf Berghütten sind meistens selten.“
Süddeutsche Zeitung - Region 9.
5. 2018
„Meist seien es immer die gleichen Leute ...“
ebd. 14.5. 2018
„Für die Beine bleiben demnach lediglich
Handlangerfunktionen.“
Philipp Selldorf / SZ-Sportkommentar - 23.6.2018
„Das Magazin für die dritte Lebenshälfte“
Subtitel und Anzeigen-Headline des Großverlags Gruner & Jahr
für das Printmedium Brigitte-wir / Juli 2018
Stilprobe, brillant:
„Iran bastelt an seinem regionalen Einfluss.“
Stefan ‚Nato‘ Kornelius, SZ-Ressortchef Außenpolitik / Meinungsseite,
1.8.2018
Kaum überbietbar:
"Gepaart mit seiner Körpersprache,
nämlich den Kopf gesenkt,
die Schultern hochgezogen, als könne er jederzeit nach vorne preschen,
rief das die Wachmannschaft auf den Plan.“
SZ Region / Gerichtsbericht 7.9.2018
„Der
ehemals sozialistische Politiker … wählte die sanftmöglichste
Formulierung.“
Nadia Pantel / SZ-Auslandsbericht, Politik - 10.10.2018
möglich - möglicher - am möglichsten - ?
Der inhaltliche Akzent liegt nicht auf „möglich“, sondern auf „sanft“.
Korrekt wäre also: „sanftestmögliche“.
„Dass die Saat aufging, ist gewiss nicht nur Haiders
zweifelhafter Verdienst.“
Peter Münch / SZ-Leitartikel, Meinungsseite - 10.10.2018
Gen. -[e]s, Pl. -e. Das Genus bei Verdienst schwankt je nach Bedeutung:
der Verdienst
im Sinne von „Lohn, Gewinn, Profit“, das Verdienst im Sinne von „respektable Leistung“,
ggf. mit Positiv-Wirkungen. Dass der rechtspopulistische Agitator Haider auch pekuniäre
Verdienste, also Profite, eingestrichen hat, dürfte klar sein. Hier aber sind die zweifelhaften
Wirkungen gemeint. Korrekt müsste es also heißen: „
… Haiders zweifelhaftes Verdienst.“
„Durch Qualität zu
überzeugen, ist vielversprechender, um Kunden
zurückzugewinnen …“
Werner Bartens / SZ-Leitartikel, Meinungsseite - 11.10.2018
versprechend - versprechender - am versprechendsten - ?
In Komparativ und Superlativ ein
„viel“ einzubauen, offenbart doppeltes Schwachdeutsch.
Denn gesteigert werden soll ja nicht das „Versprechende“, sondern das „Viele“. Dessen
Komparativ heißt „mehr“, sein Superlativ „meist“. Bartens meint also, Qualität sei
mehrversprechend (bei weiterer Steigerung: meistversprechend). Warum schreibt er
nicht Klardeutsch: „verspricht mehr“ - ?
„Und in Erlangen hängen … fast gar
keine Plakate mehr - allgemeinem
Vandalismus wegen“.
Olaf Przybilla / SZ-Wahlbericht Bayern - 10.10.2018
Der Dativ ist
dem Genitiv sein Tod. In solch abstruser
Verdrehungsform äußert sich
(inzwischen en suite) das Weltblatt der Anspruchsvollen, indem es die Millionen-Falschformel
„wegen dem“ in Normalität setzt. s. unten: Dativ killt Genitiv
Kein Bauhaus in Bayern?
Kultusministerium entzog sich bundesweiter Initiativen.
Mitteilung im SZ-Feuilleton / 5. März 2019
„Heiko Maas fordert stärkere Gleichstellung von Frauen.“
Headline bei ARD/TS/SZ 7. März 2019
„Auch die in Umfragen hochgehandelte Partei ‚Identität‘,
die neben ultranationalistischer Positionen auch die Freigabe von
Cannabis gefordert hatte …“
Alexandra Förderl-Schmidt / SZ vom 12. April 2019
SZ-Aufmacher:
„Die Deutsche Bank zahlt ihren Managern
wieder
einen Boni. Zwei bekommen
sogar mehr als der Chef.“
Headline-Verweis Ressort-Titelseite Süddeutsche am 23. März 2019
SZ-Alltag mit
Spitzenschreiber/inne/n:
„Sie wolle die Situation nicht bewerten, bevor Strache
nicht
eine eigene Erklärung abgegeben habe …“
„Sie fügte hinzu, dass sie es erstaunlich fände,
dass dieses Video … veröffentlicht wird.“
Nadia Pantel, SZ-Korrespondentin in Paris / Politik,
21.05.2019
Entweder: „bevor Strache eine eigene Erklärung …“
Oder: „solange Strache nicht eine eigene Erklärung …“
Und: „erstaunlich fände sie es“, wenn eine bestimmte Voraussetzung
bestände oder entstanden sei.
Solange sie etwas Bestehendes ausdrückt, finde sie dies erstaunlich.
„Auch ging es um ein Treffen der völkischen AfD-Gruppierung
‚Der Flügel‘, bei dem die erste Strophe des
Deutschlandliedes gespielt und
von manchen Teilnehmern auch gesungen“ wurde.
SZ Ressort Region Bayern Johann Osel
- 27.8.2019
„Gegen Jakob wurde wegen sittlicher Übergriffe gegen Frauen
ermittelt.“
„Auch seine sittlichen Vergehen waren stadtbekannt.“
SZ Ressort Region-Bayern / Olaf Przybilla - 28.8.2019
Gemeint sind zweifelsfrei unsittliche Übergriffe und Vergehen.
„Das lag an seiner Detailversessenheit, aber auch an seinem
Mitspracherecht und seiner verwandtschaftlichen Bande.“
SZ Ressort Wirtschaft / Max Hägler & Angelika Slavik - 28.8.2019
„Es steht also zumindest die Möglichkeit im Raum …."
dieselben im selben Beitrag / SZ 28.8.2019
Eine Möglichkeit besteht oder
scheint oder gibt es oder erscheint oder mag sich
aufdrängen. Wie, wo, wann und wodurch sie in einem Raum steht, bleibt rätselhaft
bzw. eines der vielen Specials zeitnaher Medienschreibe.
„Nach dem ersten Heimspiel des FC
Union Berlin machte ein Foto
die Runde, das aufhorchen ließ.“
SZ Ressort Sport / Javier Cáceres / 29.8.2019
„Eine der feinsten, originellsten und furchtlosesten Stimmen
der deutschen
Literatur“ (FAZ / Literatur -September 2019)
Das nach eigener
und öffentlicher Zuordnung maßgebliche Medium der gehobenen
Schichten, die FAZ, hinter der „immer ein kluger Kopf“ steckt, ausgerechnet in
seinem Literatur-, also vorrangigen Bildungsthementeil mit falschem
Deutsch
Wenn jemand
furchtlos ist, dann ist oder schreibt er oder sie ohne Furcht.
Keine Furcht vorhanden - das drückt die Silbe als Wortteil „-los“ aus.
Wenn aber etwas „los“, also nicht existent, ist, kann es nicht noch „loser“ oder
"am losesten" sein“.
„Oka Källenius, neuer Daimler-Benz-Vorstandsvorsitzender,
musste ein 870 Millionen Euro schweres Bußgeld
einstecken …“
(SZ Ressort Wirtschaft / Stefan Mayr - 11.11.2019)
Nein - im Gegenteil!
Er - bzw. sein Unternehmen - musste dieses Bußgeld entrichten = bezahlen.
Die ewig gleiche
Schlampschreibe
- längst Print- & Digital-Medienalltag, auch hier x-mal notiert:
* „… trotz eines Verbots durchgeführt worden war und
wegen dem neun Politiker zu langen Haftstrafen verurteilt wurden.“
jW 16.10.2019
„wegen“ & „während“ bestimmen den Genitiv.
Es heißt korrekt nicht wegen (bzw. während) dem
- sondern „dessentwegen“ und „während dessen“.
* Diese sei schon bei sehr viel schwerwiegenderen Straftaten
ausgesprochen worden.“ jW ebendort
Wiegend - wiegender - am wiegendsten ?
Nicht das „Wiegen“ ist Gegenstand der Komparativierung - sondern das Gewicht.
Die korrekte Wendung heißt „schwerer wiegend“, wenn nicht gleich
stilistisch besser „schwerer gewichtig“.
* „Schöpfer eines vollständigeren Afrika-Bildes“
SZ Profil, Headline 13.10.2019
Wenn etwas vollständig ist, hat es alle ‚Stufen bis zu „voll“ erstiegen.
Voller als voll geht nicht.
„Sein Instinkt hat ihn nicht getrügt.“
Süddeutsche Zeitung / Medien / TV-Vorschau 2.3.2020
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„Diese 80 Kandidaten haben die Münchner
gewählt“
Nein, im Gegenteil: Die Münchner
haben 80 Kandidaten gewählt!
Süddeutsche Zeitung / Region - Doppelseiten-Head,
20.3.2020
„ Nicht nur die Kampagne, auch die OB-Kandidatin
greift die Junge Union offen an.“
Süddeutsche Zeitung / München -Heiner Effern, Lokalpolitik, 30. März 2020
Nicht alles, was deutsche Grammatik erlaubt,
ist im Sinne informationeller Klarheit plausibel.
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„Nürnberger Zeitenwende:
Der Abtritt von SPD-Oberbürgermeister Maly ändert alles.“
Süddeutsche Zeitung / Ressort Bayern / Aufmacher 15./16.2.2020
„ … weil die Ultras die Kulisse lieferten fürs gute Geschäft.
Und mancherorts sogar aus der Angst heraus. Es gibt Offizielle, die davon erzählen, dass sie sich fürchten würden, mit Hardlinern
in Kontakt zu treten.“
Klaus Hölzenbein, SZ-Ressortchef Sport / 2.3.2020
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Wandlungen der Ordnungszelle:
„Betrunken, mit Alkohol in der Hand und einem Kind im Auto
hat
die fränkische Polizei
einen Mann aus dem Verkehr gezogen.“
dpa - 5.4.2020 (SZ-Bayern)
SZ-Inserenten können es ebenso gut:
Ressort SZ-GEDENKEN am 5. April 2020
„Nach tapfer ertragener Krankheit nehmen wir in tiefem Schmerz Abschied
von unserem geliebten Ehemann, Vater, Schwiegervater und Großvater ...“
Und wie lange waren wir krank?
„Nach langem, tapfer ertragenem Leiden rief Gott meine geliebte
Mutter zu sich.“
Woran mag Gott wohl gelitten haben?
„Viel zu früh und völlig unerwartet nehmen wir Abschied
von meinem geliebten Mann, unserem Papa, Sohn und Neffen
…
Wir können unsere Trauer nicht in Worte fassen.“
Eben!
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„Zum Vergnügen steigt Hugh am Strand in eine Geisterbahn -
und kommt mit abgeschlagenem Kopf wieder
heraus.“
ZDF-Programm-Aviso 12.5.2020
Nicht doch eher ohne?
Noch eine Edelfedern-Basis:
„Kanzler Kurz‘ Angstmache hat seinen Zweck erfüllt“
Headline in der
„österreichischen Times“: DER STANDARD - 27.4.2020
„Linda Zervakis, 45,
Tagesschau-Sprecherin, kann seit der Maskenpflicht
im Öffentlichen Nahverkehr noch unbehelligter durch Hamburg fahren …“
Süddeutsche Zeitung, Ressort Panorama, 18.08.2020
Wenn etwas, das nicht existiert oder stattfindet,
mittels Erhebung in den Komparativ
als noch ver-nichtexistentert erscheinen soll - wo ist der Zeitungsleser dann gelandet?
Sicuramente: im Hort redaktionellen Sprachkunst-Alltags, dem Weltblatt aus München.
„Die reaktionären Filterblasen werden wohl mangels potentiellem
Publikum etwas schrumpfen.“
Süddeutsche Zeitung / Netzkolumne 18.1.2021
„Präsident Biden wird entgegen der Gepflogenheiten
ohne Anwesenheit seines Amtsvorgängers vereidigt.“
ARD Tagesthemen / 20.1.2021
„Beide Seiten werfen sich
nun vor, das Ende mit ihrer Starrköpfigkeit
befördert zu haben.“ SZ Politik /3.2.2021
Nein! Die beiden Seiten werfen sich nichts vor. Sie beschuldigen einander.
SZ-Meisterstücke am 8. März 2021
"Sie geht danach einfach nicht mehr einkaufen.
Wird also
noch unsichtbarer.“
Isabel Pfaff auf Meinungsseite 4
„Impfstoff aus den USA könnte für die EU zum Eigentor werden“
Headline im Resort „Politik“ (Leitung Stefan Kornelius)
Linke Medienmacher - im Ressort „Deutsch“
den Edelfedern des Kapitals notorisch auf der Spur:
„Grünes Licht für die Ampel“
Headline der Tageszeitung jungeWelt überm Politik-Aufmacher
zu den Landtagswahlen vom 14. März 2021
„Der Innenminister plant engmaschigere Kontrollen"
SZ Headline beim Ressort Thema des Tages / 31. März
2021
maschig - maschiger - am maschigsten
- ?
„Produktentwickler Peter Lege fühlt beliebten
Ferrero-Produkten auf den Zahn“
HÖR ZU, „das erste deutsche TV-Magazin“,
über eine ZDF-Marktcheck-Sendung / 6. April 2021
„Österreichische Bühnen stehen in den Startlöchern“
ARD-Kulturzeit / 18. Mai 2021
„Beim Schleich-Fernsehen steht der Sommer in den Startlöchern.“
TV-Spielfilm / 24.6.2021
„Auf den ersten Blick passt dieses Bild nicht zusammen.“
Nadia Pantel / SZ Meinungsseite 4 / 22.6.2021
Top-Edelfeder:
„Sanktionen dienen auch der Selbstachtung und des
Selbstschutzes.“
Stefan Kornelius / SZ-Meinungsseite 4 - 24.6.2021
„Der Kölnerin Gönül Örs wurde vorgeworfen, …
Banner aufgehangen zu haben.“
SZ-Politik / Meldungsseite 6 / 25.6.2021
SZ-Headline-Klassiker
„Ein zutiefst christliches
Unrecht“
So übertitelt blattbreit die Süddeutsche Zeitung
am 3./4. Juli 2021 ihre Rubrikseite „Forum“
Gemeint ist das Gegenteil:
Nach dem nicht nur bei der
SZ, sondern in der gesamten Politik-
& Medienlandschaft notorischen Vorbild von der „humanen
Katastrophe“
wird hier gedankenlos getitelt, was korrekt heißen könnte:
„Eine unchristliche Rechtsprechung“.
„Erster Schnee läutet Adventszeit ein.“
ntv, der
nachrichtensender / ganzabendlich - 30. November 2021
Und wieder SZ-Edelfedern - diesmal Ressortstars vom SPORT
„… bis zu jenem mit 360.00 Euro vergüteten Beratervertrag
ohne erkennbare Gegenleistung, wegen dem vergangene Woche sogar
die Staatsanwaltschaft zur Razzia vorbeischaute“
Ressortchef Claudio Catuogno zu DFB-Skandalen / 11.03.2022
„Es waren ja Kochs brave Amateure, die Neuendorf im Herbst
aufs Kandidatenschild gehoben haben.“
Thomas Kistner & Johannes Aumüller dto. / 11.03.2022
„Die sich ins Heckteil des Schiffes geretteten Männer …“
HÖR ZU, das deutsche TV-Magazin /
19.3.2022
Kaum zu glauben, dass solches in einer Filmkritik der Süddeutschen
in Verantwortung des achtenswerten Fritz Göttler erschienen ist:
„Wie Klopapier heften sich zwei alte Bekannte an die
Hacken des Mitzwanzigers Joschka …“
Sofia Glasl / SZ Film / 2. Juni 2022
„Der naheliegendste und
wahrscheinlichste Weg ist, dass die Partei …“
SZ Politik / Michael Neudecker - 9./10. Juni 2022
liegend, liegender, am liegendsten - ?
"Gegenüber des Hauses
der Familie Tutar befindet sich das örtliche Parteibüro
Tomas Avenatius / Mittelost-Korrespondenz-Bericht / SZ
10.02.2023
SZ-Ressort Meinung (Seite 4) : Edelfedern Newcomer
„Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erleben“,
besagt ein Sprichwort“.
So hebt unter dem Rubrum „REISEN“ am 2./3. Juli 2022 ein Kommentar der aus der Sonderbeilagen-Redaktion zur SZ-Meinungsträgerin aufgestiegenen
Johanna Pfund.
Redigieren scheint beim Weltblatt aus München schon lange Zufall.
Pfunds falsch zitiertes „Sprichwort“ ist die Eröffnungszeile zu dem Urian-Poem von
Matthias Claudius (1740-1815), dessen Wortlaut wie folgt beginnt:
Wenn jemand eine Reise tut,
so kann er was erzählen,
drum nehm ich meinen Stock und Hut
und tät das Reisen wählen.
Aufgewachsen in
Norddeutschlang, spielt Fisch immer schon
eine große Rolle im Leben des Reporters Dirk Steffens."
ZDF / X-Extra / Sa.
12.03.2023
" ... hatte die französische Regierung
entschieden,
seine Rentenreform mittels des Verfassungsartitekls 49/3
durchzudrücken."
Kathrin Müller-Lancé / SZ Politik / 21.03.2023
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bei
– die universale Präposition, mit der sich alle anderen ersetzen
lassen:
zu/zum/zur, mit, auf, unter, über, zwischen, neben, durch, gegen, wegen ….
„Streit bei Trackingverfahren eskaliert.“ (Nachricht in der Süddeutschen)
„Bei Wachstum rückt das Land gerade an die Spitze der EU-Staaten“
(Thomas
Urban / SZ Außenpolitik)
„Kontrahenten einigen sich bei Atomsperrvertrag“ (SZ-Politik / Titelheadline)
„Bundesregierung rudert bei E-Autos zurück.“ (ntv – der Nachrichtensender)
„Berlin bleibt bei Reparationen hart.“ (SZ-Außenpolitik / Aufmacher-Head)
„ … fordert ein Anreizsystem bei Kauf von Elektroautos“ (Daniela Kuhr / SZ)
„ … um die Städte und Gemeinden bei Kosten der Unterbringung von
Flüchtlingen zu entlasten.“ (Frankfurter Rundschau /
Politik-Nachrichten)
„Eine Sittenkomödie, bei der es vor Sittenlosigkeit nur so wimmelt.“ (WDR)
„Wir brauchen beim Mindestlohn eine Beweislastumkehr“
(Reiner Hoffmann / DGB-Vorsitzender, zu dpa)
„McKinsey kam zu dem Ergebnis, dass beim Ausbau des Internets der
Freistaat nicht gut aussieht.“ (Frank Müller / SZ-Region Bayern)
„Kompromiss bei Gleichstellungsstreit“ (SZ-Region / München)
„Frankreich: Massive Proteste bei Arbeitsmarkt-Reform“
ARD-Tagesschau / Head 26. Mai 2016
„Dauerstreik bei Kitas droht.“ (SZ Nachrichten / Headline)
„Polnischer Politiker erhofft Durchbruch bei Waffenlieferungen an Kiew“
(jW / Aufmacher zur Feuerpause im Donbass-Konflikt)
„Bei Klimaschutz streitet die Allianz mit der Industrie.“
(SZ Wirtschaft /Subhead)
„Kurz zuvor war sogar die Blockade bei der Vorratsdatenspeicherung von
den zuständigen Ministern aufgelöst worden …“ (Nico Fried / SZ-Meinung)
„Bei Gewehren für die Kurden ist wenigstens nicht Geld das Motiv.“
(Meister brillanten Formulierens: Joachim Käppner / SZ-Meinung)
„Vor allem beim Mindestlohn habe man sich gestritten.“
„Wochenlang hatte die Union die Arbeitsministerin beim Mindestlohn scharf
angegriffen …“
„ … langfristig würde die SPD das Leugnen der bürokratischen Probleme
beim Mindestlohn Wirtschaftskompetenz kosten.“
(Thomas Öchsner / SZ-Wirtschaft in SZ-Politik)
„Der Leiter der Geretsrieder Realschule … lenkt bei Mietpflicht für
Schulschränke ein.“
(SZ-Region / Kasten-Headline)
„Grüne und SPD rudern bei Sicherheitsdiensts-Zuschuss
zurück“
(SZ / Region / München)
„Die deutsche Entwicklung laufe in die völlig falsche Richtung, vor allem
bei der Rolle der Präsidenten.“
(SZ / Schule und Hochschule)
„Die Post erhöht die Dividende, will aber bei den Löhnen sparen.“
(SZ / Thema des Tages)
Man spart an etwas.
„Demokraten bremsen Präsident Obama bei Freihandelsabkommen
aus.“
(SZ-Politik /
Headline)
Tatsächlich haben Obamas Parteifreunde nicht den Präsidenten gebremst,
gestoppt, aufgehalten oder gar „ausgebremst“. Sondern eine Mehrheit für seinen Gesetzentwurf zur Beschleunigung der Verhandlungsführung zu TTIP verhindert. Bremsen ist eine Handlung, die einen Lauf
oder Ablauf stoppt, aufhält, beendet. Das macht man während eines Ablaufs. „Bei Freihandelsabkommen“ gibt es nichts zu bremsen, schon gar nicht
auszubremsen.
„Beim Personal ähneln die Jobcenter einem Gemischtwarenladen.“
(SZ-Wirtschaft / Headline in einem Kastenzum Arbeitsmarkt)
„Sozialgericht Karlsruhe muss über Sanktionen bei Hartz IV urteilen.“
(SZ-Politik / Sub-Head zum
Gerichtsbericht)
„CDU bleibt hart bei Homo-Ehe“
(dpa)
„CSU: Juncker fehlt bei PKW-Maut der Durchblick“ (SZ-Titelseite /Aufmacher)
„Ihrem Wahlprogramm treu bleibend, lehnt die Syriza-Regierung jede weitere Verschlechterung bei Löhnen und
Altersbezügen ab.“
(Helke Schrader / jW Korrespondentenbericht)
„Geldgeber fordern Reformen bei Renten und Mehrwertsteuer.“
(SZ-Titelseite Head)
„Pazifik-Anrainer erzielen keine Einigung bei Freihandelsabkommen.“
(N24 / Tagesnachricht)
„Auch in Deutschland haben Menschen das Gefühl, von den Eliten
hereingelegt zu werden, etwa beim Euro oder bei der Einwanderung.“
(Spitzenedelfeder Nikolaus Piper, Chefideologe des neoliberalen
Gesamtkurses
der Süddeutschen Zeitung)
„Rathaus zerstritten bei Wohnungsbau“ (SZ Region / Aufmacher 15.10.2015)
„Bei käuflichem Sex gehen die Weltanschauungen weit auseinander.“
(Constanze von Bullion / SZ-Politik zum Protituiertenschutzgesetz)
Anschaungen, Meinungen, Urteile hat man nicht bei, sondern über
etwas.
„Eine Umfrage zeigt die Nöte der Kommunen bei
Flüchtlingen“
(Headline SZ-Politik)
„Frankreich: Massive Proteste bei Arbeitsmarkt-Reform“
(ARD-Tagesschau / Headline 26.5.2016)
„Keine Bedenken bei belgischen
Atommeilern“ (Headline SZ Politik / 10.7.2018)
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starten – das neue
Universalverbum
für beginnen, anfangen, in Gang setzen, antreten, schaffen, initiieren,
kreieren,
ergreifen, verfolgen, betreiben, aktivieren, auslösen, eröffnen …
Neuerdings zudem meist transitiv gebraucht: Man startet nicht selbst (i.S. von setzt
sich in Gang, bewegt sich fort) – sondern startet etwas, ein Objekt. So der sinnwidrige
Alltagsgebrauch. q.e.d
„Mitte November starten griechische Einheiten die
Gegenoffensive“
„Anfang April lässt Hitler das Unternehmen Marita starten“.
(Stefan Ulrich / Süddeutsche
Zeitung)
„Das Gute-Laune-Programm starten!“ (Ratschlag in Springers DIE
WELT)
„ … indem Russland weitere Militärübungen startete.“
(Julian Hans / = "der Lügenhans" / Süddeutsche
Zeitung)
„Rudy Tauscher startet ein Brauhaus in Manhattan“
(SZ-Wirtschaftteil / Head)
„Die katholische Kirche startet ihre diesjährige Misereor-Kampagne“
(dpa /
Tagespresse)
„Prinz William startet seinen neuen Job als Militärflieger“ (N24 Nachrichten)
„NDR und NachDenkSeiten starten gemeinsamen Zuschauerrat“
(Aprilscherz-Head auf den NDS / 1.4.2015)
„Fracking startet zunächst nur auf Probe“
(Head in Springers DIE WELT)
„Freibad Frankfurt-Hausen startet in die Saison!
(Hessischer Rundfunk)
„ … startete das japanische Militär einen Erstschlag.“ (ntv / Historie- Doku)
„ … startet die Kanzlerin ihren diesjährigen
Sommerurlaub“ (BILD)
„Heute startet die Spargelsaison offiziell“ (BR-Rundschau / TV-Nachrichten)
„Das Wochenende startet diesmal meist regnerisch" (SZ-Region / Wetter)
„Wegen der Stationierung russischer Raketen auf Cuba startet US-Präsident
John F. Kennedy eine Seeblockade“ (SZ-Politik / Konfliktchronologie)
Immer wieder: Man startet eine Blockade, also Einhalt, Sperrung, Beendigung.
Wie man sowas wohl macht?
„Die Große Koalition startet eine Vortragsreihe zum Bürgerdialog …“
(gesamte deutsche Tagespresse nach dpa-Meldung)
„Kunstprojekt startet in den Ämterdschungel“
(SZ-Region / München)
„Das war bei den begeisternden Spielen 1936. Ein paar Jahre später startet
die Katastrophe“
(N24 – der Nachrichtensender)
„ … hätte die Bewerberauswahl demnächst starten müssen.“
(SZ Region / München)
„ … so wird die Maut des Bundesverkehrsministers im Lauf des Jahres 2016
an den Start gehen.“ (Daniela Kuhr / SZ-Politik, Parlamentsbericht)
„Morgen startet der Tag freundlich.“ (Servus-TV / Wetterbericht)
„Am 3. Mai hat die Deutsche Welle (DW) eine Website mit Informationen
zur Pressefreiheit
gestartet.“
(SZ Medienseite)
„Die automobile Leistung startet derzeit bei 163 PS.“
(Michael Specht / SZ „Mobiles Leben“/ Testbericht Jaguar XE)
„Das 68. Festival von Cannes startet mit einem Sozialdrama.“
(SZ-Feuilleton / Head Filmfestspielbericht)
„Der Tag startet teils freundlich, teils grau in grau.“ (SZ Wetterbericht 21.5.15)
„Ein gutes Dutzend Organisationen hat in Sachen Vorratsdatenspeicherung einen Aufruf an die SPD
gestartet. Worum geht es dabei?“
(jW / Thema-Interview, Fragestellung)
„Schon gibt es erste Forderungen, im Landesverband einen Mitgliederentscheid
zu starten.“
(Josef Kelnberger / SZ-Politik /
Länderreport)
„Le Monde hat seine Serie nun trotzdem gestartet.“
(Julian Hans, der „Lügenhans“ / SZ
Literatur)
„Erstens startet dieses Wachstum nach Jahren von Stillstand und Rezession
von einem niedrigen Niveau aus.“
(Sebastian Schoepp / SZ-Auslandsbericht
Spanien)
„Dokumentationszentrum Flucht und Vertreibung startet 2021“
(Süddeutsche Zeitung / Politik / Headline 04.01.2021)
So geht das - open
end.
Letzter Schrei, um nicht zu sagen
‚Brüller‘:
Unsere notorische Süddeutsche, 2. August 2017,
Sub-Headline:
„Ronaldo startet in Steuerprozess mit
Unschuldsbeteuerung.“
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Deutschsprech der Wehrhaftigkeit – u.a. immer wieder Brössler:
„Der Einsatz der Bundeswehr in Syrien ist militärisch und
symbolisch richtig!“
Symbolisch! Hoffentlich ist das den bombenwerfenden und
bei Anlass kanonenfütternden Bundeswehrsoldaten bewusst.
Derjenige, der sowas predigt und im erstaunlicherweise immer noch
angesehensten Quali-Bildungs-Führungsblatt auf Meinungsseite 4 verbreitet, weiß, was deutschem Ansehen in der Welt gut tut, scheiß auf die Verschleude-
rung von Rüstungs-, Waffen- und Kampf-Millionen wie auch die Hingabe prospektiver Soldatenleichen. Deutschen Fühlens und Symbolisierens ist er
mächtig, dieser Europakorrespondent. Leider nicht so sehr der deutschen Sprache (s. mehrmals oben und in der Folge). Auch im Kontext zu diesem seinem „Einsatz“-Aufruf beweist er’s
wieder:
„Die Europäische Union ist in ihrer
Geschichte nichts weniger
gewesen als eine Verteidigungsgemeinschaft.“
(Daniel Brössler / Süddeutsche Zeitung / 27.11.2015)
Nichts weniger – also eine Verteidigungsgemeinschaft gerade nicht. Nichts weniger als diese. Also diese am
allerwenigsten. Und so fragt man sich: Muss
die EU das jetzt ausräumen, ändern, konterkarrieren? Ist das die Symbolik, die
dem Brössler mit samt dem Militärischen so richtig erscheint? Nö, er meint
wieder mal nur das Gegenteil dessen, was er schreibt. Edelfeder.
Dativ killt Genitiv
„Ich bin überhaupt keine Freundin von irgendeinem Krieg, aber …“
(Rebecca Harms, olivgrüne Paradekriegerin &
Russland/Putin-Hasserin,
Fraktionsvositzende B‘90/Grüne im EU-Parlament)
„Delegationen aus allen EU-Ländern versammelten sich, um den Opfern
zu gedenken …“ (dpa / SZ & Tagespresse nach den
Charlie-Hebdo-Morden)
„Wegen uns können die Spiele ruhig weitergehen.“
(Münchner Merkur / Sportteil)
„Während den Wahlkämpfen war er immer gut drauf.“
(Berliner Zeitung über Helmut Kohl)
“Aufgrund von langen Erfahrungen konnte das örtliche Handwerk sich auf
bewährte Strategien stützen.“ (MM / Dachauer Nachrichten / Lokalwirtschaft)
„Wenn sich Griechenland nicht bewegen will: Wegen mir kann es gern zur
Drachme zurück wechseln.“
(FAZ zitiert Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble)
„Statt teurem Rogen hat das Land nun einen neuen Finanzskandal.“
(Susanne Höll / SZ Politik / über Fischzucht im Saarland)
„USA: Proteste nach Tod von Schwarzem.“ (jW / Meldungs-Titel)
„Besuch bei den Nachfahren von einem, der als Kriegsheld verehrt wird.“
(SZ Politik / Aufmacher-Subhead)
„Übernachtungsquoten infolge dem Aufschwung gestiegen.“
(Münchner Merkur / Tourismusbericht)
„Das sind die Freundinnen von mir.“ (sowas im Laufe eines Drehbuchs
dutzendfach: Dialogkunst in ZDF-Fernsehserien-Folgen, hier: „Der Bergdoktor“).
„Vor wenigen Wochen hatte sich Aubameyang eine gelbe Karte wegen
irregulärem Jubel eingefangen‘.“ (Klaus Hoeltzenbein / Ressortchef
SZ-Sport)
„ … meist dienstags, wegen angeblichem Prozessbetrug im Fall Kirch.W
„ … klagte die Münchner Staatsanwaltschaft Fitschen und Ex-Kollegen
wegen versuchtem Prozessbetrug an.“
„ … hat Breuer, der mal eine große Nummer … war, nichts als Ärger
wegen seinem TV-Interview über Kirch.“
(Dreimal aus ruhmvollen Tasten der SZ-Wirtschaftsredaktion – in concert.
Aufmacher zum DB-Prozess: Hans von der Hagen, Klaus Ott, Stephan Radomsky)
„Mit List und Wagemut kann sich de Neuville den Intrigen und dem Verrat
erwehren“.
(Bayerisches Fernsehen / Filmankündigung)
Holocaust-Überlebende im Gespräch mit
ZDF-Boulevardmoderator Lanz:
„Ein wenig Angst, sich das anzuschauen. Ja, wegen Ihnen, Markus
Lanz.“
(jW / Medien / TV-Vorschlag)
„ … findet ein Mini-Gipfel statt, der Slowenien helfen soll, dem Chaos
Herr zu werden.“ (Daniel Brössler / SZ Politik)
„Michael Rediske, Vorstandssprecher von 'Reporter ohne Grenzen', stimmte
mit dem Bundesvorsitzenden des Deutschen Journalisten-Verbandes, Frank Überall, überein, dass es diesem Schritt nicht bedurft hätte ..."
(ARD Tagesschau / Meldung zum
Fall Erdogan-Böhmermann / 17.4.2016)
„Nach dem Attentat in Charlottesville bedient sich Donald
Trump den gängigen
Diskussionstricks der Neonazis.“
(SPIEGEL-online -Vorspann zur Kolumne von Sascha Lobo / 16.8.2017)
Virtuosen am Werk:
„ … habe das Amtsgericht Kempten auf Antrag der Staatsanwaltschaft gegen
zwei Asylsuchende Strafbefehl wegen illegalem Aufenthalt erlassen - wohl
wegen eines… Kirchenasyls.“
jW Politik - Sebastian Lipp - 12.8.2017
„Trotz staatlicher Kaufanreize, trotz starkem
Umweltbewusstsein der Bürger
dümpelt die E-Mobilität … vor sich hin.“
Süddeutsche
Zeitung - Forum 12.8.2017
„wegen“ und
„trotz“: bevorzugte Anwendungsanlässe beliebigen Austauschs von
Genitiv und Dativ-Formen. Die wahren Virtuosen packen derlei gleichrangig in einen
Satz, zu alternativem Lesegebrauch. Oder wird nicht doch eher manifestes
Nichtwissen im Scheißdrauf-Wortgebrauch demonstriert? Beliebigkeit ist ja ein
Zentralfaktor des modernen Boulevard-Verlautbarens.
Konjunktiv 2
(Konditionalis)
für Konjunktiv 1
(Indirekte Rede)
„Der Vento sei ein Mittelklassewagen in Indien … Das Stufenheck würde doch was
hermachen.‘“
(Elisabeth Doster / SZ-Wirtschaft /
über ein Statement von Angela Merkel zur VW-Markenpolitik)
„Es ginge ihnen nicht ums Geld, betonten die Ungeduldigen …“
(Joseph Hanimann / SZ-Medien)
„Regelmäßig fiel ‚Die Rechte‘ durch Provokationen auf. Zum Beispiel wollte
sie von der Stadtverwaltung wissen, wie viele Juden in Dortmund leben
würden
…“
(Markus Bernhardt in jW / Politik / 10.2.2015)
„Er beklagt, dass viele Konservative reflexartig die Polizei verteidigen
und Afroamerikaner dämonisieren würden.“
(Matthias Kolb / SZ-Medien)
„Wirtschaftsverbände argumentierten dagegen, dass es so einen Arbeitnehmer
gar nicht gäbe“
(Drei
Böcke in einem Satz, alle Achtung: Thomas Öchsner / SZ-Wirtschaft)
„ … das Leugnen der bürokratischen Probleme beim Mindestlohn würde vor
allem Wirtschaftsminister Gabriel zu spüren bekommen.“
(Was werde – nicht würde – Gabriel zu spüren bekommen? „das
Leugnen“? Oder
eher eine Wirkung davon? – Robert Rossmann / SZ-Politik / zur Lage der GroKo)
„Das PEN-Zentrum gab bekannt, sechs Autoren würden sich an der
Darstellung von Muslimen … stoßen“. (Würden sie das? Natürlich tun
sie es
schon – deshalb die Meldung. / SZ-Feuilleton – Kulturmeldungen)
„Everding reagierte mit Trauer und Bestürzung auf das Aus. Besonders
leid täte es ihm um die 150 Mitwirkenden.“ Armin Gruene / SZ-Region
Kultur)
Damit es Everding leid täte, müsste zuvor eine Bedingung erfüllt sein. Dann
täte
es ihm leid. Doch weil es ihm bereits aus vorliegendem Anlass leid tut, kann er in indirekter Rede nur sagen: es tue ihm leid.
„Nicht nur der Boulevard, sondern auch die renommierte NeueZürcherZeitung
würde dabei den Ausbau des Geheimdienstest unterstützen.“
(SZ-Kultur / Meldungsspalte)
Wie oben, ad infinitum: Die NZZ würde den Ausbau mangels Konditionen nicht
erst unterstützen, sondern sie tut es nach SZ-Meldung bereits. Was berichtet wird.
Und also heißen muss: … werde … unterstützen.
„Ich habe so mit achtzehn „Die Blechtrommel“ gelesen, vermutlich weil ich
gehört hatte, der Roman wäre nicht nur bedeutend, sondern skandalös.“
(der
Autor Franz Dobler in seinen Post-Günter-Grass-Notizen)
„Die US-Seite habe doch ein Abkommen nach dem Vorbild von Bad Aibling
angeboten – und dort würden sich solche Zusicherungen finden.“
„Die CIA winkte bei Schindler ab – sie würde kein No-Spy-Abkommen
unterzeichnen“ (zweimal Georg Mascolo / SZ-Politik / NSA-Recherche)
„Horst Heldt sagt, es ginge ihm blendend.“
(Philipp Seldorf / SZ-Sport, Bundesliga)
Es ginge ihm blendend, wenn =
falls was geschähe?
„ … fühle er sich von sogenannten Parteifreunden härter attackiert als von
AfD-Gegnern. Und das würde etwas heißen.“
(Josef Kelnberger / SZ-Politik / Feature zum AfD-Konflikt)
Gemeint ist: Das heiße etwas. Oder: wolle etwas
heißen.
„Nun sei er Rentner und würde die Sommermonate mit seiner Frau in ihrem
Dorf verbringen.“
(Karin Leukefeld / jW Politik-Report aus Beirut)
Also auch die fabelhafte Nahost-Korrespondentin Leukefeld: Modus-Wechsel in ein
und demselben Satz. Ständig und überall: Indirekte Rede und Konjunktiv in fröhlicher Beliebigkeit. Der Rentner verbringt die Sommermonate tatsächlich im Dorf seiner Frau, er braucht nicht erst
Konditionen, die ihm das ermöglichen würden. In einer indirekten Rede folgt auf „sei“ ein „und werde verbringen“ bzw. „und verbringe“.
„Nachdem verlautbart wurde, die griechische Regierung hätte sich mit den
Gläubigern geeinigt …“ (Heike Schrader / jW
Korrespondentenbericht)
Hat sie eben (damals noch) nicht. Auch nicht in indirekter Rede.
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Genitiv killt Dativ (gelegentlich auch
Akkusativ)
Die tägliche Ausbeute in allen News-Medien
allerorten:
dank des
Man dankt des Geschickes, seines Vaters, ihres Chefs …
entgegen des
Man wirkt des Eindrucks entgegen, urteilt entgegen der Tendenzen
…
entsprechend des
Man handelt entsprechend des Befehls, entspricht der Anweisungen
…
gemäß des
Die Polizei verhielt sich absolut gemäß der Vorschriften …
Gemäß des Regierungswillens gab es keine Alternative …
laut des
Laut der Gesetzestexte sollte der Entwurf längst vorliegen …
samt des
Die Kanzlerin erschien samt des kompletten Kabinetts …
neben des
Neben des Ministervortrags kam auch der Beirat zur Wort
entlang des
Man wandert an des Ufers entlang ….
„Entlang der historischen Fakten …“ (jW /
Medien)
„ ... was sie entlang der Frontlinien sahen“ (Christian Mayer / SZ-Gesellschaft)
gegenüber des
Man stellt sich gegenüber des Hauses auf ….
zuliebe des
Die Bäuerin hatte ihres Sohnes zuliebe geschwiegen …
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Der Klassiker --- weithin bereits Umgangssprache:
„ … wider besseren
Wissens.“
z.B. Kia Vahland im Hauptkommentar der Süddeutschen am 21.11.2017
"Eine kaum bedeutende Holztafel also wurde in einer
beispiellosen
PR-Kampagne wider besseren Wissens zum Meisterwerk verklärt ... "
Aufhebung der Reflexivität – Sprachverhunzung zeitgemäß
= von Werbeslogans ins „seriöse“ Mediendeutsch übernommen, dort fortzeugend immer neue
Scheußlichkeiten gebärend.
Ein reflexives Verb drückt jene Tätigkeit eines Subjektes (Sprechers) aus,
welche sich auf es (ihn) selbst bezieht. Reflexivität ist ein Sonderfall der Handlungsrichtung eines Verbs (Diathese): sich etwas sichern,
sich bekleiden, sich zeigen, sich informieren, sich bewerben, sich engagieren, sich anmelden, sich aufstellen, sich klarmachen
…
Sprache lebt? Ja - zum Beispiel per Verstammelung.
In epidemischer Ausbreitung so:
„ Einmalige Vorteile sichern! “
(Längst gängiger Slogan – Sparkasse / Lotterien / Dienstleister)
„ Jetzt bewerben. “ (Stellenanzeigen von AWO und Siemens-Konzern)
„ Nun aber rasch informieren! “ (Aufruf der Versicherungswirtschaft)
„ Unser Rat: Pünktlich anmelden. “ (Bayerischer Rundfunk / B3)
„ Engagieren bringt den Erfolg! “ (Headline WAZ-Beilage)
„ Angesagt ist: Frühzeitig einbringen. “ (Aviso zur Wettbewerbsteilnahme)
„ … besser vorausschauend erkundigen. “
(Haushalte-Information des Bayer. Innenministeriums)
„ … von Anfang an klar positionieren “ (ZDF / heute-journal)
„ … heißt es: zum Start aufstellen“ (ARD Sportreporter Gerhard Delling)
„ Warum nicht fünf Jahre lang über Garantie freuen.“
(VW Garantie Report
2015)
Neueste Errungenschaft in der Assekuranz-Werbung:
„Jetzt kümmern!“
Der Irrsinn zeugt sich fort:
„Jetzt für den Ticketalarm registrieren!“ (Slogan der eventim-Services)
Beim LOCUS brechen alle Dämme:
„Einfach gesund ernähren!“
(Supplement-Ankündigung von FOCUS, Juni 2015)
Meine Süddeutsche lässt sich nicht lumpen:
„Wappnen für den Ernstfall“
(SZ-Hauptteil Politik / Headline /
13.12.2017)
Schon gar nicht:
" Wohlfühlen "
(Titel eines SZ-Supplements zu Freizeit & Wellness)
Zum Gipfel:
"Nur keine Blöße
geben"
(Aufmacher-Healine auf der SZ-Seite MEDIEN - 31.1.2020)
"Warum mit weniger zufrieden geben?"
(Werbeslogan für Automobile der BMW AG / Frühjahr 2021)
"Zuhause fühlen wie noch nie"
(ARD Sendetitel / November 2021)
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Wie das Medium, so seine Konsumenten
„Von seinen Leiden erlöst nehmen wir Abschied von Günter Gallas
...“
Todesanzeige am 25. November 2017 in SZ-GEDENKEN, wo sich Woche für
Woche zwischen ca. acht bis 15mal in ein und derselben Ausgabe die so
stereotyp-abgedroschene wie extrem-verlogene Sentenz findet:
„In Liebe und Dankbarkeit nehmen wir Abschied …“
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Hinweis
an Kultur-, Musik- & Beilagen-Redakteure i.Hs. Süddeutsche
Zeitung
Wer gemeint haben könnte, die im fehlerhaften Gebrauch
des
Grundwerkzeugs des Journalismus - also der deutschen Sprache - bis
zur Schlagzeilen-Reife gelangte Süddeutsche habe mit zum Beispiel
" ... haben die Grünen ihn aufs Schild gehoben"
(aufs Straßenschuld oder Ladenschild
oder Klingelschild - ??),
einen Höhepunkt erschrieben, der sieht sich am 21. Juni 2018, in kaum
mehr steigerbarer Aufmacher-Positionierung - diesmal gleich im Kulturteil -
Sonderausgabe "Opernfestspiele" - einmal mehr headline-belehrt:
"Die Versuchung eines reinen Tors "
(Stadttors - Fabriktors - aktuell Fußballtors --
???)
D e r T o r - i.S. von Narr, Naiver, Argloser, Unwissender .... -
dekliniert sich wie unten tabellarisch angeführt. Wer berufsmäßig mit
seiner Muttersprache werkend umzugehen hat, sollte/müsste das wissen.
Wer es nicht weiß, sich aber Wagners PARSIFAL meint titelnd & einführend
annehmen zu sollen, könnte einen Blick in dessen Libretto werfen, wenn
schon nicht in Wagners Schriften oder Tausende von Rezensionen, Notate
& Sekundärliteraturstücke. Man braucht nur nachzulesen ...
Wie weit mag die Versammlung von Edelfedern in dieser sich selbst so
nennenden Autorenzeitung derlei wohl noch treiben? - Fragt sich deren
Leser (seit 1960), Werbeleiter (1965-1972), Freelance-Mitarbeiter ( -1986):
Klaus Ulrich
Spiegel
Deklination von "der Tor":
Singular
Nom. der Tor
Gen. des Toren
Dat. dem Toren
Akk. den Toren
Plural
Nom. die Toren
Gen. der Toren
Dat. der Toren
Akk. die Toren
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Aus Verlautbarungen der SZ zu ihren
Leserbindungs-Services.
Süddeutsche Zeitung Leserreisen
* "Daneben blickt die polnische Region auf eine 700-jährige Kulturgeschichte zurück ...
"Besucht werden so geschichtsträchtige Orte wie Eckeldorf (Wojnowo) die Wallfahrts-
kirche im Ort Heilige Linde oder das ehemalige Führerhauptquartier Wolfsschanze.
"So einzigartig wie ihre Landschaft, so vielseitig
auch die masurische Küche.
* "Hinter so manchem Alpengiganten im
Norden eröffnet sich nichtsahnend ein
famoses Panorama.
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Boulevard-Satzbau,
notorisch:
Sinn- und erkenntnisfrei. Hochbeliebt vor allem in
Bildunterschriften:
Attraktion der Satzverdrehung. Voranstellung der Satzaussage –
das gilt offenbar als chic.
„Haben gut lachen: Die streikenden Metaller nach der Urabstimmung“
(jW / Kapital
& Arbeit)
„Moderiert: Markus Lanz“ (HörZu / TV-Programmkommentar)
„Kennt im Fußball alle Stimmungslagen: Holger Badstuber“
(SZ-Sportteil)
„Stellte sich mutig der Übermacht betrunkener Randalierer: Walter Vogt“
(SZ-Regional/München)
„Musste lange auf einen Oscar warten: Westernlegende John Wayne“
(Magazin
stern)
„Will nicht einen, sondern Milliarden Euro zurück: Bayerns Finanzminister
Markus Söder.“
(jW / Kapital & Arbeit)
„Kommen auf dem Gipfel der Amerikas zusammen: US-Präsident
Barak Obama und Kubas Präsident Raúl Castro.“ (jW / „Rotlicht“)
„Verwandelte zwei Elfmeter, aber das reichte nicht: Gladbachs Max Kruse“
(SZ Sport / Pokalspiel-Kommentierung)
„Hat mit seinem Erstlingsroman die französische Literaturlandschaft
erschüttert: der 22jährige Soziologiestudent Éduard Louis“ (jW- Feuilleton)
„Hat alles im Griff: Florian Janik“ (SZ Bayern / OB-Listung)
„Gab die erste Geige freiwillig ab: Lothar de Maizière …“
(jW / „Thema“: DDR 1990)
„Sieht so gar nicht nach Öko aus: Max Schlereth im Foyer …“
(SZ-Region / Leute)
„Kennen sich (nicht einander?) schon aus dem Elysée: Joe Kaeser und Gerhard
Cromme nach Gesprächen mit dem französischen Prädidenten…“
(Leo Klimm / SZ-Wirtschaft)
„Ließ einst mutmaßliche Schwarzgeldgeschäfte durchgehen und ist heute
Sonderaufklärer bei der Bundeswehr: Klaus-Peter Müller.“ (SZ Wirtschaft)
„Wirkt plötzlich wie ein vergilbendes Dokument aus einer lange
vergangenen gold-schwarzen Zeit: Das Dortmunder Trio …“
(SZ Sportbericht zur Bundesliga)
„Beobachten die Geldübergabe: Ritter und Stark.“ (HörZu / Tatort-Bericht)
„Schweigen sich beharrlich an: Ted und Marion.“ (HörZu / Bildtext)
(Schon wieder: Nicht etwa „einander“?)
„Steht auf Kunst: Das amerikanische Multi-Talent Cory Arcanger …“
(SZ-Region / Kultur)
„Greifen jungen Tänzern unter die Arme: Simon Aladag und Mira Würm.“
(Vielleicht effektiver: unter die Füße?) (SZ-Region / Kultur)
„Haben sich nichts zu sagen: Eddie und Gwen“ (HörZu / Film-Aviso)
sich! – ich mir dagegen eine Menge, aber das mache ich still mit mir
ab.
„Gibt Stoff: Tanja Beck.“ (SZ-Panorama)
Das Ressort Panorama in
der Süddeutschen offenbart immer öfter:
Vorbild BILD
„Bringt Schwung ins britische Parteiensystem: Die Chefin der Scottish
National Party.“
(jW / BU in „Rat und
Tat“)
„Hat den Richtungskampf bei Podemos gewonnen: Pablo Iglesias.“
(Thomas Urban / SZ-Politik / Korrespondentenbericht)
„Wird doch nicht an die USA ausgeliefert: Dmytro Firtasch.“
(Cathrin Kahlweit / SZ „Seite drei“)
„Sorgte schon mit ihrer Vorliebe für Dirndl für Debatten: Dorothee Bär.“
(SZ-Online über Staatssekretärin CSU-MdB Bär im FC Bayern-Trikot im
Bundestag)
„Haben große Träume: Joe und die Künstlerin Mandy.“
(ARD / Presseankündigung zum Filmdrama
„SoulBoy“)
„Heimste zahlreiche Auszeichnungen ein: Musikfilm-Doyen Rudi Dolezal.“
(Servus-TV / Pressemitteilung Aviso)
„Kritisiert das Rettungssystem für Griechenland, ohne Klartext zu reden:
Bundesbankchef Jens Weidmann.“
(jw / Kapital & Arbeit)
„Hat gut lachen – und die Haare schön: Lionel Messi nach seinem traumhaften
Sololauf über den halben Platz, der zum 1:0 für Barça führte.“
(SZ-Sport /zum Bericht über die Copa del
Rey)
„Wohnt noch in Hamburg: Pegida-Kandidatin Tatjana Festerling.“
„Hofft auf den Amtsinhaber-Bonus: Kandidat Dirk Hilbert.“
„Wollen hoch hinaus: Markus Ulbig (CDU) und Eva-Maria Stange (SPD).“
(dreimal nebeneinander: SZ-Politik / Bericht zur OB-Wahl in Dresden)
„Hechtet den Bällen weiterhin für Manchester United hinterher:
Torwart David De Gea.“
(SZ-Sportteil / Ressort Fußball)
„Spielen sich auf Pressekonferenzen die Worte zu wie ein erprobtes Doppel:
die Grünen-Fraktionschefs Bause und Hartmann.“
(SZ-Bayern /
Landtags-Situationsbericht)
Gesteigerte Leistung – mit Ausbauperspektiven:
„Will den Einfluss der Tour-Veranstalter beschränken, aber deshalb nicht
gleich einen Krieg anzetteln (,sondern ein positives Ergebnis in Verhandlungen erreichen, wobei sich die Beteiligten mit Respekt begegenen sollten … usw. usf.): UCI-Chef Brian
Cockson“
(SZ-Sportteil / Ressort Rennsport)
Ausbauzustand:
„Schreitet voran in Richtung seines Ziels Präsidialsystem mit viel Macht
für ihn: der türkische Staatschef Erdogan.“
(Bildunterschrift: SZ Politik / 7.12.2016)
Gipfelleistungen:
„Will die Regeln für die Kapitalmärkte ein wenig verändern, aber nicht
so viel deregulieren wie der US-Präsident: Jerome Powell, neuer Chef
der US-Notenbank.“
(Bildunterschrift: SZ Wirtschaft / 6.2.2018)
„Hatte in seinen acht Jahren als rustikaler HSV-Profi einst erheblich
mehr Wirkkraft als heute in kurzer Amtszeit als Bundesligatrainer:
Bernd Hollerbach.“ (Bildunterschrift: SZ Sport / 2. März 2018)
„Wollte mehr für den Klimaschutz tun, doch musste dieses Vorhaben
nach innerparteilicher Kritik entscheidend abschwächen: Australiens
Regierungschef Malcolm Turnbull.“
(das Weltblatt
aus München am 22. August 2018)
„Rennt sich schließende Türen ein: Langzeit-Landrat Thomas
Karmasin“
(dto. Headline im Ressort "Region" am 23. Juli
2020)
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So geht das Tag um Tag, Ressort für
Ressort:
„Traf im Hin- und Rückspiel gegen seinen alten Club:“ / „Finden unerwartete
starke Unterstützung:“ / „Entdeckte wichtige Geheimnisse:“ / „Langweilen
sich und schmieden Reisepläne:“ / „Rechnet mit den Mördern seiner Eltern
ab:“ / „Glaubt an die große Liebe:“ / „Tappen im Dunkeln:“ … Es reicht!
Die Sprachverhunzung ist alltäglich, ozeanisch, immer gleich. Ödet an.
Keine neue Erkenntnis.
13. Dezember
2017 / Süddeutsche Zeitung, "Panorama":
„Wirken wie eine Kopie des Istanbuler Galaturm, sorgen aber nicht
wegen ihrer Schönheit für Schlagzeilen: die Villen im Tal der Türme“
BU blattbreit - inkl.
Vernutz-Formel: "für Schlagzeilen sorgen" -
s. unten: Stereotyp-Sentenzen)
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Stereotyp-Sentenzen
Die zum Erbrechen immer gleichen abgestandenen
Redensarten
Seminar unter dem Titel:
„Politik im Kreuzverhör – Wahlversprechen auf dem
Prüfstand …“
(SPD Bayern / Georg-von-Vollmar-Akademie / 2014)
Jedes Wort eine abgenutzte, abgenudelte, verbrauchte, in Ideen- & Gedankenlosigkeit
versteinerte Begriffshülse. Und überdies reiner Unsinn: Politik kann, anders als ein Angeklagter, kaum im Kreuzverhör stehen – nicht mal in einem Eröffnungsverhör. Versprechen wiederum können auf
keinen Prüfstand gestellt werden (auch dieser ein völlig vernutzter, seinem Ursprung komplett entratener Terminus aus der Fertigungs- und Anwendungstechnologie, dessen Bedeutung kein Verwender noch
zu kennen scheint). Und was eigentlich ein Kreuzverhör ist, weiß unter all den Wortmüllwendern auch niemand. Die Begriffe sind zu Sprechblasen erstarrt, mit denen stets anderes gemeint wird,
als sie aussagen.
„ Grünes Licht für …“
Wofür es im Journalistenjargon nicht alles „grünes Licht“ gibt! Sogar für Stopps,
Begrenzungen, Sperrungen, Abschaltungen. Also selbst fürs genaue Gegenteil des Gesagten. Und keiner stört sich dran.
„ ... werden zur Kasse gebeten.“
„ … wird von seiner Vergangenheit eingeholt.“
„ … beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit.“
„ … muss man Geld in die Hand nehmen.“
„ … kommt immer mehr unter Druck.“
„ …. ist in die Schlagzeilen geraten.“
„ … müssen den Gürtel enger schnallen.“
analog: " ... müssen tiefer in die Tasche greifen."
" ... stürmte die Charts." / " ... schlüpfte in die Rolle."
„ … rüttelt an der These (Erkenntnis, Gewissheit, Annahme) …
„ Der Beschluss (der Plan,
die Vereinbarung, der Vorschlag, die Drohung)
ist vom Tisch.“
„ … die sich Chancen auf die Staatskanzlei nach der Landtagswahl
ausrechnet.“
Wie sich die in journalistischen Texten Tausenden Akteuren tausendfach zugeschriebene
Fähigkeit realisiert, Chancen auszurechnen , ist ein Mysterium.
„ … proben den Aufstand.“
Inflationär, ja nahezu ausschließlich verwendet, wenn irgendwo ein Widerspruch
oder Widerstand, eine Gegenbewegung, ein Protest ahn- oder spürbar wird – ohne
dass irgendwer unter den Schreibern eine Ahnung davon zu haben scheint, worauf diese Wendung beruht(e). Nämlich auf dem Titel eines Bühnenstücks von Günter
Grass: Die Plebejer proben den Aufstand, das von einer Theaterprobe im Berliner Ensemble (während der Volksproteste am 17. Juni 1953 in Ostberlin & DDR) handelt,
bei der Shakespeares Coriolan eine Parallele zu den demonstrierenden Arbeitern der Baustelle Stalinallee und der Theaterleiter/Regisseur, im Stück genannt „der Chef“,
eine Anspielung auf die Rolle Bertolt Brechts darstellten. Der analoge Gebrauch der Wendung mag irgendwann als lustige Anspielung gemeint gewesen und als witzig empfunden worden sein. Heute ist er in
seiner ozeanischen Ausschließlichkeit, reflexions- und gedankenfrei, nur mehr nervende Leerformel und Belanglosigkeit – umso mehr, als keiner der millionenfachen Anwendungsfälle irgendeinen Bezug
herstellt oder auch nur ahnen lässt.
„ … hing seinen Job an den Nagel“
Ozeanisch verbreitete Dummdeutschformel. Abgesehen vom falschen Gebrauch des intransitiven
Verbs (es muss richtig transitiv heißen: hängte), ist die Fähigkeit, umso mehr die Üblichkeit, einen Job oder Beruf an den Nagel zu hängen, so abwegig, dass
nur der Fehlgebrauch einer recht anders lautenden Redensart zugrunde liegen kann: „etwa einen Hut an den Nagel hängen“ (also ein Utensil ablegen, deponieren) = eine Tätigkeit beenden/ aufgeben. Die
umgangssprachliche Wurzel: Früher wurden viele Geräte, Hüte, Kleider usw. an Wandnägeln aufgehängt, wenn sie nicht gebraucht wurden. Aus dieser Übung entwickelte sich schon vor Jahrhunderten die
Redensart,
die im gegenwärtigen öffentlichen (Presse-/Werbung-)Deutsch zu absurdem Quatsch verhunzt wurde und wird.
„ … wie vom Erdboden verschwunden“
Auch ein Klassiker. Die Banalität der Aussage kommt aus ihrer Tautologie: Jedes Verschwinden
ist per se eines von der Erde, vom Ambiente, also auch vom Erdboden.
In der Abnutzung der Wendung, deren Sinn und Inhalt niemandem mehr auch nur
eine Sekunde des Merkens wert erscheint, enthüllt sich ihr nunmehriger Quatsch.
Die ursprünglich-sprichwörtliche Version hatte den Wortlaut „wie
vom Erdboden verschluckt“. Damit war ein irrealer Vorfall,
ein Bild bezeichnet, das als Extrem und damit als Analogie so klar wie wirksam war: Verschwinden in einem Nichts von Zeit, Raum, Wahrnehmbarkeit. Nur das Ereignis „verschwunden“ ist feststellbar =
existent, der Rest ein Rätsel – wie vom Erdboden verschluckt. Um bei der Analogie zu bleiben:
Der Sinngehalt der Redensart ist verschwunden, wie von Hirnschwäche verschluckt.
„ … Alarmglocken schrillen / … schrillten die Alarmglocken“
Glocken läuten, klingen, schallen, dröhnen – schrillen aber nicht. Nicht mal das
poetisch-verniedlichte Toten- oder auch Zügenglöcklein schrillt. Wenn es denn schon Alarminstrumentarien sein müssen: Alarmklingeln schrillen, sofern sie nicht eben klingeln. Das lässt die
journalistischen Ozeanik-Wortwahlen unberührt, ihre Benutzer kalt. Und darum schrillen allerwegen, täglich wohl zehntausendmal, in der Tages-mediensauce – die
Glocken.
„ … der Tag von Potsdam die Nacht über Deutschland
einläutete“.
bedeutungs-analog:
„ … den Startschuss zu Deutschlands dunkelster Zeit
gab“.
Ohne solche Aufblase-Sentenzen geht es nicht: Immer wird etwas eingeläutet oder
mit Startschuss eingeleitet (gegenwärtig eher: gestartet, s. oben). Tage und Nächte werden eingeläutet (obwohl sich weit und breit keine Glocke bewegt), Zeiten mit
Startschuss versehen (obwohl weit und breit kein Startfeld kauert, kein Starter wartet, keine Startpistole griffbereit ist). Dummdeutsch in Reinform – und darum inflationär
in Mediengebrauch: "Startschuss zu einer dunklen Zeit" (die ja ihrerseits ein abgenudeltes Stereotyp bildet).
Illustration dazu - alle Tage wieder:
"Kampf gegen das Corona-Virus - Startschuss für die Maskenpflicht"
Headline in
DER SPIEGEL - 27.4.2020
„ (sich) neu erfinden“
Alle erfinden sich neu oder müssen sich neu erfinden. Gleich ob Fehlentwicklungen,
Karriereknicks, Niederlagen, Erfolglosigkeiten vorliegen - die Lösung besteht im
„sich neu Erfinden“. Das verordnen die Laberschreiber rundum allen und jedem –
vom Minister über die Theaterintendanz bis zum Fußballteam. Eine im Ansatz mal durchaus intelligent gewesene Wendung, durch ozeanische Dauer- und Überall-verwendung längst zur nervenden Öde-Floskel
abgebraucht.
„ … aus der Taufe
gehoben"
Das Ritual einer Taufe vollzieht in Regel und Kernbedeutung die Aufnahme in eine Aberglaubensgemeinschaft, meist verbunden mit einer
Namensgebung für den Täufling. Ableitungen mit eher ironischer Zusatzbedeutung haben eine neue Objekt-Benennung etabliert, so bei der Namensvergabe für ein Schiff, Gefährt, Gebäude, mitunter auch für
ein Zoo- oder Haustier. Im analogiesüchtigen Alltagsjournalismus hingegen haben das Verbum „taufen“ wie seine Substantivierung „Taufe“ in grotesken Abschweifungen wieder Neu- und
Außerdem-Verwendungen zugewiesen bekommen
– ach nein, das klingt nach bewusstem Vorgang, plausibler ist die Annahme eines schleichenden Bewusstseinsverlustablaufs, mithin denkfreien Adaptionsprozesses, der am Beginn noch sinnvolle
Parallelität, dann vielleicht augenzwinkernde Verfremdung signalisiert haben mag, aber wie so viele sonstige Sprechmüll-Figurationen (man denke an „Aufstand proben“ oder „Zeit einläuten“) irgendwann
in die Breite wucherte, Slangqualität erlangte und dann ähnlich wie „nichtsdestotrotz“ in die Labertextfabri-
kation einwachsen konnte. Doch das reicht den Edelfedern meist nicht: Nun wird nicht mehr einfach „getauft“, sondern vornehm spruchblasig „aus der Taufe gehoben“, was angesichts all der
universell-beliebigen Objekte dieses hochtrabend apostrophierten Handelns besonders abstrus, lächerlich, unsinnig erscheint. Im Edelfedern-Geschwurbel werden aus der Taufe gehoben: Vereinigungen (wie
die neue Sozialdemokraten-Allianz), Kongress- und Begegnungsveranstaltungen (wie der „Petersburger Dialog“), Tondich-tungen und Sinfonien, Firmen-Niederlassungen, Förderprojekte, Forschungsvorhaben,
Militärbündnisse, Wirtschaftsunionen und Währungsverbünde, Preis- und Titelträger, Fakultäten und Institute ... Es sollen auch schon Fußball-Arenen und Weltraum-Missionen aus der Taufe gehoben worden
sein*). Wer da wen tauft, also mit welchem Ritual aus welcher Zuständigkeit an wen welche Namensetiketten vergibt, welche
Taufpaten dem Vorgang beiwohnen, gar Patenschaftsverpflichtungen übernehmen,
und welcher Sinn derlei Aktionen innewohnen könnte – alles Leerhülsen, ohne Geist und Gehalt, weil ja schon die Wortwahl nichts als Leerformel war. Dennoch und offenbar untilgbar: Der berufsgerechte
(oder: -bedingte) Zero-Thinker & Vain-Writer
will doch nicht auch noch bedenken, was er so in die Tasten mistyped, wenn er nur bewährte Stereotypicals repetieren kann.
*) „ … die knifflige Partitur, die Wilhelm Furtwängler 1928 aus der Taufe hob.“
(Wolfgang Schreiber / SZ-Feuilleton, 7.9.2015)
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Meister der Feature-Sprache und
-Schreibe
– hier konjunktivisch
perfekt:
SACHA
BATTHYANY, Süddeutsche Zeitung, Ressort Außenpolitik
(beispielhaft am 20.
Februar 2017)
„Im Wahlkampf forderte er seine Anhänger auf, Journalisten auszubuhen.
Sie würden zur ‚niedrigsten Sorte Mensch‘ gehören.“
„ … deutete der Präsident am Wochenende nicht nur entgegen jeder Realität
an, es hätte in der Nacht zuvor eine Terrortat in Schweden gegeben.“
„ … sprach von ‚feindlichen Medien‘, die ihre eigene Agenda verfolgen würden.“
„ Der Senator machte darauf aufmerksam, welche wichtige Rolle Journalisten
in einer Demokratie spielen würden.“
„Bernstein, der Watergate-Journalist: Trump würde einen weiteren Keil
in
die amerikanische Bevölkerung treiben …“
„ … sprach er schon ganz allgemein von der ‚Lügenpresse‘, die
Verschwörungstheorien verbreiten würde.“
Beherrschung von Basisfunktionen des Wortwerkers ist im SV erkennbar keine
Bedingung zum Ein- und Aufstieg als Redakteur oder Korrespondent mehr.
Dafür soll es der Nachweis eines Uni-Abschlusses sein. Korrektoren sind offenbar abgeschafft. Ja: „Seien Sie anspruchsvoll“!
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Kleine Sünderlein
Der „Steuersünder“ treibt sein Wesen so lange, wie
es Steuern gibt, und hält damit die Strafjustiz am Laufen. Er ist aber auch ein immer-währendes Ärgernis für Sprachfreunde …, die daran erinnern, dass der Begriff
Steuersünder „reine Propaganda“ sei und dazu diene, „eine Straftat zu verschleiern“. In der Tat kennt das Strafrecht keine Sünder, sondern nur Straftäter, und zu diesen
gehören nun mal auch Leute, die gegen die Steuergesetze verstoßen. Wer Steuerbetrüger als Steuersünder bezeichnet*), gibt der überaus populären Vermutung Raum, Steuerverkürzung sei ein Kavaliersdelikt. Im Hintergrund rauscht dazu das ähnlich populäre Lied „Wir sind alle kleine
Sünderlein / s’war immer so, s’war immer so“. So recht der kritische Leser hat, so wenig sollten wir freilich über- sehen, dass die Sünden ihrerseits einen, wie Theologen es ausdrücken, Abbruch
personaler Beziehungen zwischen Mensch und Gott bedeuten. Ein Kavaliers-delikt oder gar eine Gaudi ist das auch nicht.
(Hermann Unterstöger / im SZ-Sprachlabor, 27.8.2016)
*) wie es die SZ unlimitiert ständig tut, vor allem im Wirtschaftsteil, doch auch
etwa über den Steuerkriminellen U. Hoeneß, FC Bayern.
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Irrsinns-Krönung
Geschichte schreiben / bzw. geschrieben
Geschichte schreiben die Historiker. Punkt. Nun
ja, in Grenzen – etwa zur Zeitgeschichte – tun das noch Reporter, Protokollanten, Schriftführer (obwohl die eher aufzeichnen, notieren, vermerken). Im Übrigen wird Geschichte gemacht, beeinflusst,
gestaltet, erlebt, erlitten, gedeutet, gefälscht ... usw. Und sowas ist durchwegs auch gemeint, wenn im täglichen deutschen Blätterwald oder Wellenmeer „Geschichte geschrieben“ wird.
Irgend-wann hat die Lohn- & Bedarfsschreiber-Community, von der Nachricht bis zum TV-Serien-Drehbuch, die scheinbar moderne, für chic geltende Wendung kreiert, dann multipliziert, dann
ausgebreitet, dann inflationär wortmüllend in den Alltagsschreibsprech infiltriert. Seitdem wird überall und von jedem personalen oder institutionellen oder profanen oder materialen Daseinsbereich
oder Gegen-stand oder Produkt oder Vehikel, na was: Geschichte geschrieben.
Die Folge:
Dummdeutsch-Krönung en suite. Reines
Grauen.
Ubiquitär und ozeanisch.
Zum
Beispiel:
„Das Münchner Olympiastadion hat Sportgeschichte geschrieben.“
(tz München / Lokalsport)
„Bocuse-Kreationen haben Kulinarik-Geschichte geschrieben.“
(LOCUS / Highlife & Society)
„Dieses Jahr haben wir Bundesliga-Geschichte geschrieben“
(Ralph Hasenhüttl / Coach des FC Ingolstadt 04)
„Nächsten Sonntag wollen wir Cupgeschichte schreiben.“
(Ulrich Hoeneß, Steuerbetrüger, Präsident des FC Bayern München)
„Soll Prostitution weltweit legal werden? Die Antwort könnte Geschichte
schreiben.“
(Gustav Seibt / SZ-Feuilleton / Aufmacher)
„Deutsche Orte, die Geschichte schrieben“
(HörZu, das erste TV-Magazin / Serientitel)
"Debatten, die Geschichte
schrieben"
(Der Standard, Wien)
Es geht noch dämlicher:
„Gedanken, die Geschichte
schrieben“ (ORF / Ö 2 - Kulturmontag)
gesteigert:
„Momente, die Geschichte
schrieben.“ (Pressetext des Profitsenders
RTL)
kaum überbietbar:
„Bilder, die Geschichte schrieben“
(ZDF Info-Kanal / Feature-Serientitel)
Sozusagen Doppelschwachsinn:
„Die Gruppe 47 hat Literaturgeschichte geschrieben.“
(3sat / KulturZeit)
Die Spitzengarnitur der deutschen Nachkriegsliteraten schrieb Literatur und
machte
so Literaturgeschichte. Geschrieben wird/wurde diese aber von Literarhistorikern
und im übertragenen Sinn noch von Literaturkritikern.
„Am kommenden Wochenende könnte in Minsk Geschichte geschrieben
werden“
(Stefan „Nato“ Kornelius / Süddeutsche Zeitung)
„Deutsche können gut Fußball spielen und Bier trinken. So weit so gut,
aber eigentlich können die Deutschen noch sehr viel mehr. Egal ob es um
Physik, Sport oder Literatur geht, gibt es Deutsche, die man auf der ganzen
Welt kennt. Hier ist unsere Top Ten deutscher Persönlichkeiten, die Geschichte
geschrieben haben.“ (eHow Deutschland / Online-Nachschlagewerk)
Es folgen aufgelistet Naturwissenschaftler, Musiker, Maler, Romanciers/Lyriker,
Sportler, Politiker. Unter 12 genannten Persönlichkeiten kein Historiker, überhaupt
niemand, der irgendwann irgendwie über irgendwas Geschichte geschrieben hätte.
„Sie haben Geschichte geschrieben – die Frauen der deutschen
Gewerkschaftsbewegung.“
(Verlag Psychosozial / Buchtitel und Pressemitteilung)
„Drei Jauch-Kandidaten haben Geschichte geschrieben.“
(RTL Pressemeldung zur TV-Show „Wer wird Millionär?“)
„Diese Auto-Hersteller haben Geschichte geschrieben.“
(DIE WELT / Headline im
Wirtschaftsteil)
„Plätze, auf denen Geschichte geschrieben wurde. Von Kiew über Kairo
bis Istanbul: Auf zahlreichen Plätzen weltweit wurde Geschichte geschrieben.
Wir zeigen sie in einer Bilderserie.“
(Augsburger Allgemeine / Aus aller
Welt)
„In diesen Hotels wurde Geschichte geschrieben. Von weltpolitischen
Entscheidungen und Eskapaden prominenter Zeitgenossen. Lesen Sie hier …“
(Rheinische Post / Reisebeilage)
„Diese Cafés haben Geschichte geschrieben. In Palma de Mallorca.
Entdecken Sie … “
(Freizeit-Zeitung / Report Mallorca)
„BEN-Bühne hat lokale Musical-Geschichte geschrieben.“
(Main-Echo / Ressort Stadt + Kreis Aschaffenburg)
„Ein Jahr danach: Es wird Geschichte geschrieben! Das Halbfinale gegen
Brasilien. Was für ein Spiel! Mit sage und schreibe 7:1 fegt die deutsche
Nationalmannschaft … “ (Südkurier / Rückblick Fußballjahr)
„Autos, die Geschichte geschrieben haben. VW Bulli. Der Bulli ist und bleibt
seit seiner Premiere 1950 eine Legende. Er bot von Beginn an vielfältige
Einsatzmöglichkeiten – als Kleinbus, Nutzfahrzeug …“
(Berliner Zeitung / Themenbeilage)
„Lobo – ein Wolf schreibt Geschichte.“ (Servus Österreich / TV-Nachrichten)
„Brigitte Faßbaender brilliert mit den Kindertotenliedern, die sie wie niemand anderes sang und
damit Musikgeschichte schrieb.“
(Naxos / PR-Texte)
„Von Leo Tolstoj für Anna Karenina erfunden, im Ulysses von James Joyce auf
die avantgardistische Spitze getrieben – der sogenannte Bewusstseinsstrom
hat Literaturgeschichte geschrieben.“
(Michael Saager / konkret /„buch &
markt“)
„Es geht in Riga, wo mit ziemlicher Sicherheit keine Geschichte geschrieben wird, doch um
Geschichtsschreibung.“
(Daniel Brössler / SZ-Politik / zum EU-Gipfel)
„In dem Bordell, das deutsche Rechtsgeschichte schreib …“
(Verena Mayer / SZ-Panorama)
„Hier begegnen sich die Welten – mit dem Banner, das Geschichte
schreibt.“
(SZ-Region/ Aufmacher-BU)
Kein Ende:
„Legenden für eine Nacht – Hotels, die Geschichte
schrieben.“
Süddeutsche Zeitung / Aufmacher Seite 1
über Zeitungs-Titelkopf (23.3.2017)
„Prost! - Wenn Bier Geschichte schreibt.“
(ntv – der Nachrichtensender / Magazinbeitrag)
„Martin Schulz, der mit seinem 100%-Ergebnis
Parteigeschichte
geschrieben hatte, stellte sich als große Selbsttäuschung heraus.“
Mike Szymanski / SZ-Meinung zu SPD-Nahles, 4-2018
Man kann solchen Dummquatsch wirklich nicht mehr hören & lesen. Schulz hatte überhaupt nichts „geschrieben“, schon gar
nicht „Parteigeschichte“. Eine solche hätte er ggf. gemacht, und das wäre bereits eine Großleistung gewesen. Er hat aber auch nichts „gemacht“, außer sich vor- und zur Wahl zu stellen und
auf ein Abstim-mungsergebnis zu warten. Dieses haben ihm die Delegierten des SPD-Parteitags 2017 (2) mit 100% beschert. Wenn also überhaupt jemand, dann waren sie es, die Parteigeschichte machten.
Dies aber nicht als kollektiv handelnde Größe, sondern in einer Adddition von 605 Einzelhandlungen. Wenn das Parteigeschichte war, dann hatte ein Moment der unkoordinierten Gleichhandlung
sie herbeigeführt. Das ewige abgelutschte Medien-Metapherngelaber steht einem inzwischen Unterkante-Oberlippe.
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Besonders ekelhaft: Die Ex-Menschen
„Hans Korte trauert um seine Exfrau.“
„Rolf Eden feiert mit seinen Exgespielinnen“
„Die Kanzlerin trifft Exminister wieder.“
„SPD-Kreisverband lädt Exmitglieder ein.“
„Reitlehrer beerbt Exgeliebte."
„Ex-Grünen-Politiker protestiert“
Am 15. April 1979 starb in Hamburg der deutsche Schauspieler, Bühnenmime, Regisseur, Autor, Synchronsprecher, als Filmakteur
zeitweise prominent und
beliebt gewesene Harry Meyen. Er war bis 1975 mit dem deutschen Weltstar Romy Schneider verheiratet. Die Ehe verlief und endete unglücklich. Meyen, der Romy Schneider das Sorgerecht für den
gemeinsamen Sohn überlassen hatte, war, wohl auch infolge sich mehrender Misserfolge, in schwere Depressivität gefallen. Er wurde erhängt aufgefunden.
Hi, fein, der Presseboulevard hatte seine Aufmacher-Story. Wer erwartete, dass
die deutsche Kulturschande BILD
das Ereignis zu einem alle Konkurrenten über- trumpfenden Scoop aufblähen werde, lag richtig. Doch zu diesem Zweck konnte
den Gossenblattlern der auch an Bekanntheit zuletzt stark abgebaute Meyen nicht reichen. Erst seine Rolle als ehemaliger Ehemann der Weltberühmtheit Romy Schneider musste den „Aufhänger“
(welch BILD-affine Wortwahl!) tragen. Und so erschien die BILD-Titelseite mit der 15-cm-Headline:
ROMY'S EXMANN TOT.
Mit obligatorisch falsch geschriebenem Genitiv, versteht sich.
Abscheulicher, widerlicher, ekler hat selbst BILD
kaum je einen tragisch verstor- benen Menschen zu Medien-Müll verarbeitet. Sein Name: nur ein Nullwert, nicht schlagzeilentauglich. Die
drübergehängte Bezugsgröße: übergriffig dreist per Nick-name in Beschlag genommen und schmierig bedreck-fingert, als sei die prominente Schauspielerin ein Redaktionsmaskottchen, analog "Kaiser Franz"
und "unser Benedikt". Dazu die Konnotation mit „Ex-“: der nun wehrlose Anlassgeber verkocht zum seiner letzten Würde beraubten Stück Billig-Food. Nicht zu übersehen auch der willkommene
Stammtisch-Beiklang vom "Ex-Mann", also einem, der nicht mal ein richtiger Mann (mehr) war.
Man hätte meinen können, wenn schon ein einschlägig ausgewiesenes Revolverblatt sich in solchen Kloaken suhlt, dann werde sich
wenigstens ein relevanter Teil der Rezipienten, jedenfalls von Medienarbeitern aus dem „Quali“- und Serioso-Segment der Branche, abwenden.
Doch nein! Mag man BILD im
eigenen Weltblatt auch demonstrativ belächeln,
sogar ironisieren (zu Zorn und Abscheu reicht es nie, so „unter Kollegen“): Eine griffige, ja knackige = zitierfähige Formel, wie nur BILD sie kann (bei anderer Gele-
genheit etwa GNADE, MONIKA! oder WIR SIND PAPST! oder HAU AB,
BLATTER!),
die kann man doch nicht am Rande des Boulevards liegen lassen, die muss man noch verbraten = erst zitieren, dann als Eigenprodukt wieder- & weiter-verwenden, dann in den Normal- &
Universalgebrauch überführen. Eines Tages ist sie „sprachschöpfe-risch“ zu einem Teil der sich gängig-tätig verändernden, wie es heißt: „lebendigen“ deutschen Sprache geworden, wie „Kids“, „geil“,
„nichtsdestotrotz“. Und so liest sich‘s heute in medienalltäglicher journalistischer (und darum Normal)-Gängig-schreibe: „seine Exgattin“, „Ihr Expartner“, „unser Ex-Chef, „euer
Exvorsitzender“, Ex-Mann, Ex-Frau, Exbegleiter, Exgeliebte, Exvermieter … bis zu „Sex mit der Ex“.
BILD macht dumm? Ja sicher. Und deshalb:
BILD macht, prägt, erzieht, lenkt, belügt, bevormundet, formt Deutschland.
Drum sind die Ex-Erscheinungen längst umganssprachlich im Schwange, allüberall in der sogenannten seriösen Qualitätspresse - so auch in meiner SZ, überregional & lokal.
Master
Class – Kulturkritik
„ … konnte Luca Pisaroni als sein Freund Guglielmo mit baritonaler
Stabilität punkten.“ (Helmut Mauró / Opernrezension / Süddeutsche Zeitung)
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„Die drohende Pauke ist die Basis, auf der Petrenko Menetekel des Unheils
errichtet.“
„ … mit fulminantem Drive, den Siegfried-Ryan allerdings mit einem die Phrasen
ausdellenden Tenor konterkariert.“
„Siegfried, der sich als zukünftiger Erlöser vorsorglich ein Schwert und eine
Kalaschnikow gebastelt hat … “
„ … lässt er Wotan seinen in Prologelage und Blowjob ausartenden
Frieden machen.“
(aus Bayreuth: Reinhard J. Brembeck / Süddeutsche Zeitung)
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„ Wir senden heute Wolfgang Amadeus Mozarts Oper LE NOZZE DI
FIGARO
– Die Nacht des Figaro “
(Anmoderation im Programm NDR Kultur des Norddeutschen
Rundfunks - 1/2016)
„ Nun hören wir den Tenor mit der Romanze des Enzo ‚Cielo e mar' aus
Ponchiellis Musikdrama LA GIOCONDA: "Himmel und Erde “
Ansage in einem Sängerportrait des Tenors Sándor Kónya im Programm
B4-Klassik des Bayerischen Rundfunks (seit den 1980ern bisher 4mal so
gesendet)
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„Auf den Spuren der geschichtlichen Hintergründe“
(Headline / SZ – Das politische Buch)
Hintergründe, die Spuren hinterlassen, auf die man sich dann begibt.
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„Sieben Jahre lang hat der sterbliche Liedermacher Tannhäuser mit der
unsterblichen Pornoqueen Venus durchgevögelt, jetzt kann er nicht mehr.“
„ … kauert er in der hellen und tunnelartigen Lusthöhle seiner
Gespielin“.
„ … trifft er auf das
aseptische Bordell der Venus, majestätisch im tief
ausgeschnittenen, weißen Abendkleid, mit dunkler Stimme und handfester
Erotik ausstaffiert.“ (Wer trägt das Abendkleid - der sterbliche
Liedermacher?)
„Er erwehrt sich der immer
wieder urplötzlich und fordernd aus dem
Orchestergraben aufsteigenden chromatischen Lockungen des Sexus.“
„ … und dann eben auch
ein bisschen undurchhörbar.“
„ … lässt sich als
Opernregisseurin kaum auf das ihr sichtbar unvertraute Gebiet
der Personenführung ein, sondern würzt mit fabelhaften Tänzern das Geschehen.“
„ … so kommt der himmlische
Gnadenakt, der die von Wagner und Tannhäuser
verzweifelt erhoffte Erlösung mit der Unwahrscheinlichkeit eines Deus ex machina
in Szene setzt, nicht nur für den Sängermeister und Elisabeth zu spät.“
Wie meinen? -
(dies alles von der nicht nur eitel-kapriziösen, sondern offenkundig
auch sexmanischen Experten-Edelfeder Reinhard J.
Brembeck / SZ-Feuilleton)
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„ … abfahrende Laufstege behindern Sicht und Verständnis, eine halb nackte
und halb schwule Boygroup turnt dazwischen genauso wie die Belegs
chaft eines Hausfrauenbordells.“
„ … die all seine (Brittens) Opern bis zu seinem offen schwulen Letztling ‘Death
in Venice‘ zu Fallstricksammlungen für Regisseure machen.
(Eine „offen schwule“ Oper – sowas
gibt nur beim „Experten für Kunstgesang“
und offen sexfixierten Reinhard Brembeck –
SZ-Feuilleton)
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„Jeder Vokal, der nicht bei drei auf den Bäumen ist, wird ewig in die Länge
gezogen“.
„Verglichen mit seinem letzten recht okayen Album … “
(Rafik Will / jW Feuilleton)
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„Da verabschieden die drei (befremdlicherweise
von Männern gesungenen) Parzen den Haudrauf Theseus aus der Unterwelt und merken süffisant an,
dass er das Höllenreich nur verlasse, um eine Hölle daheim vorzufinden. Dort
ist tatsächlich der Teufel los, hat sich doch Theseus’ Ehefrau Phädra an ihren Schwiegersohn herangemacht."
(SZ Kultur /
Geburtstagsartikel zum 250. für Jean-Philippe Rameau)
The Untouchable R. Brembeck wieder mal als
Bescheidwisser:
Bekanntlich = wie von jedem Gymnasiasten gelernt, macht sich Phädra nicht
an einen Schwiegersohn heran – sondern fällt in Liebe zu ihrem Stiefsohn.)
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„Muss ein schizophrener Moment sein, wenn Petras zur Hand nimmt,
was Kater geschrieben hat …“
Was bitte ist ein schizophrener Moment?
„Kater treibt immer noch um, dass seine Eltern ihn 1969, als er ein Kind namens
Armin Petras war (?), mit in die DDR nahmen und er diese er erst 1988 wieder verließ. 27 Jahre später wird einem (?) nun wieder die DDR untergeschoben …
“
Was der Rezensent so alles weiß über die Umtriebe von
Theatermachern!
„ … kümmerliche Liedchen, die im besten Fall eine Atmosphäre
von
knieweicher Befindlichkeit erzeugen …“ (beim
Rezensenten?) „ … im
schlimmsten aber Text und Szene einfältig doppeln“.
Im besten und aber im schlimmsten Fall.
„Das klingt nach Beckett, fühlt sich aber an wie Baggersee
…“
Wie sich Baggersee
anfühlt, weiß die gebildete SZ-Leserschaft doch. Ja?
„ … zeigt Petras auch als wunderbaren Menschenversteher. Umso trauriger,
dass das Ganze (?) dann wieder in einer kruden Fantasie (?) über Blaubarts
Burg (??) versumpft.“
Was versumpft in kruder Fantasie über
Blaubarts Burg? Klar: das Ganze!
Noch mehr vom Ganzen:
„ … man wundert sich, wie so grandiose Momente in einem so merkwürdigen
Ganzen (?) untergehen können wie die Würstel (?) in der Erbsensuppe (??).“
Der normale Eitel-Irrwitz von Kaisern ohne Kleider im Kostüm der Bildungsbürger-Informanten.
Sowas hat der Kulturteil der Süddeutschen Zeitung im Tagesangebot:
hier in Egbert Tholl / SZ-Feuilleton / auch als
Opernkritiker eine Klasse für sich.
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„Eine Sittenkomödie, bei der es vor Sittenlosigkeit nur so wimmelt“ (WDR)
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„Kunstprojekt startet in den Ämterdschungel.“
„Mit Shabbyshabby kommt ein ungewöhnliches Projekt auf die Münchner
zu
– und auf die Stadt.“
„Es gelten Fragen zu klären wie: Ist das rechtlich zulässig?“
Christiane Lutz / SZ-Region München /
Kulturbericht
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Mediensprache der Wissenschaft:
„Zentral war die Forderung, jüdische Akademiker nur entsprechend ihres
prozentualen Anteils an der Gesamtbevölkerung zum Studium zuzulassen.“
„Das Bestreben … kam aus den betreffenden Gesellschaften heraus.“
„Es führt kein Weg an der Erkenntnis vorbei, dass zu diesem zutiefst
antidemokratischen Aspekt … Deutschland und Österreich gehörten.“
„ … die Frage, ob die Bedeutung des NS für die Geschichte des Antisemitismus
relativiert werden muss. Die Antwort kann nur verneint werden.“
„ … verstärkt Spuren von Antisemitismus an den Hochschulen … unter die Lupe
zu nehmen.“
Sowas druckt meine SZ von Herrn Prof. Johannes Koll, Univ. Wien /
„Das politische Buch“ / 25.7.2016)
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Das kommt dabei
heraus, wenn Edelfedernschwinger der Sucht nach
Stereotypengebrauch nicht widerstehen:
“Die zweimal drei gestoßenen Bläserfanfaren der
Ouvertüre läuten gnadenlos
die ‘Macht des Schicksals‘ ein.
Senior-Musikreferent
Wolfgang Schreiber / SZ Feuilleton, 11.9.2019
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Die Edelfederngeneration von morgen übt sich:
„Erst neulich, im Don Luca an der Leopoldstraße – da war wieder so ein Abend. (Echt!) Die Bier- und Cocktailgläser haben sich immer schneller geleert, und einer der Durstigen glaubte alsbald (brillant, der Zeitwechsel im Ereignishergang!), eine rattenscharfe Mieze am
Nebentisch ausgemacht zu haben. Ob er sie, die Mieze, später nach Hause begleiten sollte? („Sollte“ setze einen nötigenden Einfluss voraus, dem hier aber der Anweiser fehlt. Nicht doch eher: „solle“, i.S. von „könne“?).
Die nächste U-Bahn-Haltestelle sei (sagt wer?)
ja nur einen Katzensprung entfernt. Man kann sich an derlei Sprüchen (wo war da ein Spruch? von wem gesprochen?) versuchen, darf sich aber nicht wundern, wenn das Gespräch (welches? wessen?) dann recht
plötzlich beendet ist ...“
Solches – noch drei Absätze lang – eröffnet eine
Lokalaufmacher-Glosse der Süddeutschen Zeitung im April 2015. Um in dieser hochangesehenen „Hochburg des Qualitätsjournalismus“ (= eigene Rangzuweisung) als Autor tätig sein zu können, muss man außer
akademischer Ausbildung auch Auslandsaufenthalte, Berufspraktika, dazu möglichst einen Hochschulabschluss nachweisen. Etwa hier ein Auslese-Volontär
Korbinian Eisenberger unter „Szene München“ in der SZ / Region Lokales.
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„Allerdings hält sich Rosenmüller etwas allzu sehr damit auf, die Bowlingklamotte
aus diesem Rossini herauszuklopfen.“
Scheinlockerheit, die unterm Selbstbewunderungsorden mit Spiegel und
Hüftband ein einziger Nacktkaiserauftritt aus Eitelfaxen und Dummbeutelei ist – das kann nur
der Doktor Brembeck: R.J. Brembeck / SZ-Feuilleton / Opernrezension
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„ ... hatte der junge Sänger leichte Probleme, über das Orchester zu kommen.
Später konnte er mit gut fokussiertem Bariton diese Klippe umschiffen, blieb
allerdings in der Deutung allzu gradlinig, um nicht zu sagen eindimensional“.
„In einigen Passagen, die allzu dicht, um nicht zu sagen dick instrumentiert
waren …“
(Michael Stallknecht / SZ-Region /
Kulturberichte)
Da kombinieren sich Anmaßung, Schreibschwierigkeit und Redundanzzwang in
wenigen Zeilen. Der SZ-Kritiker bemäkelt einen Großmeister kompositorischer Perfek- tion und Pädagogik – Alexander Zemlinsky – wegen dessen zu „dicker Instrumen-tation“. Er vermag nicht auszudrücken,
was der Gesangssolist mit fokussiertem Bariton bessert, teilt aber mit, dass dieser etwas „umschifft“, nämlich „diese Klippe“. Sodann
hat er Probleme, klar auszusagen, was er gern mitteilen möchte, schränkt es erst ein,
um es gleich wieder doch zu sagen, doch nur mit dem behaupteten Vorsatz, dass er‘s eigentlich nicht sagen will oder kann – dies aber gleich zweimal, nämlich mit: „um
nicht zu sagen“. Brillant! „SZ-like“, wie das früher in diesem Medienhaus hieß.
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„Die schönste … Anekdote hat er dennoch nicht übernommen: Sie handelt
von seiner Konkurrenz mit dem Schriftsteller Hubert Fichte, den er, Raddatz,
doch gefördert hatte, und den Fichte dann in seinen eigenen Tagebüchern
nachträglich schmähte.“
(Willi Winkler in SZ-Literatur über F.J. Raddatz / "Jahre mit Ledig")
Wer schmähte wen? Fichte den Fichte?
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Über den US-Justizthriller-Autor John Grisham:
„Warum er so viel besser ist als alle anderen, bleibt sein Geheimnis.“
(SZ Krimi-Kritik / Joachim Käppner)
Warum das SZ-Literaturressort eine solche Blüte der Logik in Druck gehen
lässt,
bleibt sein Geheimnis.
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„Hinter freundlichen Comicbildern auf Museums-Shop-Nippes verbirgt
sich ein großes Werk zu schwierigen Zeiten.“ (Andrian
Kreye / SZ-Feuilleton)
Reiner Quatsch – wenngleich millionenfach im Edelfederngebrauch: Allerwegen „verbirgt sich“
nach medialem Denknicht-Usus das Eigentliche hinter dem Banalen.
In Wahrheit wird die Information „hinter“ der Ansicht (nämlich in der Ansicht und vermittels der Ansicht) offenbar, verbirgt sich also nicht, sondern macht sich im Gegenteil
kenntlich.
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„Jetzt, mehr als siebzig Jahre nach dem Buttercreme-Horror schaut auch
München dieser Erkenntnis ins Auge. Und erblickt … einen weißen Würfel.“
Wo? Im Auge? Noch einmal mit Gefühl: Eine Stadt schaut einer
Erkenntnis
ins Auge - und erblickt einen Würfel. Und zwar nach einem Buttercreme-Horror.
Poésie journalistique à la circonstance!
„Tonnenschwer ruht die Erwartung darauf, angehäuft in
Epochen des
Zwists … “
In Epochen
angehäufte Erwartung ruht – und zwar tonnenschwer.
Gemeint ist vermutlich:
lastet. Jedenfalls tut sie‘s angehäuft.
„Das Gedenken wird komfortabler und keimfreier.“
-- keimfrei – keimfreier – am
keimfreiesten! Wenn etwas von etwas frei ist,
dann weist es nichts davon auf. Noch keimfreier als keimfrei geht also nicht.
„München … verehrte ihm (nämlich Hitler) einen Mercedes mit Chauffeur.“
So sehr verehrte München den kommenden Führer, dass es ihm ein Auto
verehrte,
nicht etwa schenkte, verlieh, dedizierte, zur Verfügung stellte, übergab, lieferte …
„ … umfasste der NS-Verwaltungsbezirk 68 Gebäude mit … Ämtern für
Volksgesundheit oder Buchbinderei. Und wenn es je Beweise gebraucht hätte,
dass das Verbrechen aus dem Schoß eines Karteikastens gekrochen war, dann
lagen Sie hier.“
Nicht doch eher: lägen (oder auch liegen) sie hier? Die Beweise, wenn es
sie gebraucht hätte (also nicht gebraucht hat). Diese dafür, dass ein Karteikasten einen Schoß hat –
zum Rauskriechen des Verbrechens in Ämtern für Volksgesundheit oder Buchbinderei.
(all das von Sonja Zekri / Ko-Ressortchefin
SZ-Feuilleton / zur Eröffnung
des Münchner NS-Dokumentationszentrums)
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„Schließlich spielen Frauen im Topdirigentengeschäft eine noch unbedeutendere
Rolle als in Aufsichtsräten von Großkonzernen.“
Noch unbedeutender als
unbedeutend? Oder gar am Unbedeutendsten?
„Petrenko, Nelsons, Dudamel sind in dieser Hinsicht ihren Kollegen
um ein Stück weit voraus.“
Der geübte Feuilleton-Rezipient
weiß sogleich: Das kommt von niemand
anderem als von
„The Untouchable“ Reinhard Brembeck / SZ-Titelseite,
Kasten.
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„ … die komplette Zeitschrift habe ich dann unter meinem Hemd
versteckt und die ganze Busfahrt Schiss gehabt. Ich war so froh, als ich
dann mein AD/CD-Poster aufhing.“
„Klar fand ich die Auszeichnung geil, aber meine Eltern fanden das
noch
geiler.“
„ … und mir wurde der Kopf geschert, weil ich genäht
werden musste.“
(Kulturredakteurin
Anne Backhaus im SZ-Supplement ‚Gesellschaft‘)
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Über Fahrkultur:
„Das knackige Handling, die spontanen Lenkreaktionen, die super Fahrwerksabstimmung … und der trotz aller
Sportlichkeit gute Komfort.“
„Hinzu kommt ein Sahnemotor, der wunderbar geschmeidig am Gas hängt,
klasse dreht.“
„ … genau jene Prise an coolem Sound entwickelt, dass es nicht peinlich-
prollig klingt“.
„Können wir nur wärmstens empfehlen, selbst wenn sich der Mini auch
manuell klasse schalten lässt.“
„ … ordert die exklusiv für das Topmodell bereit gehaltene Farbe Rebel
Green im Kontrast mit dem Chili Red Dach.“
„Kaum ein Hersteller hat nicht so eine Rennsemmel im Programm.“
„Stimmiges Design, … knackige Fahreigenschaften, … gepaart mit
einem
Hauch von Exklusivität.“
„Der aufgebaute Vierzylinder wurde von einem weißen Papier aus komplett
neu konstruiert.“
„Grund ist das satte Drehmoment …“
Brillanz im Stil der neuen Zeit: Tastensound bei SZ „Mobiles Leben“ (Stänkerwitz
der Leserbasis: „Debiles Übergeben“) – vom SZ-Fachautor Michael Specht.
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Der Ressortkollege kann es auch:
„Vorläufiger Höhepunkt der motorischen Evolution ist eine Proll-Karre
mit
fiesem Heckflügel.“
„Bei unseren TDI-Aggregaten stehen wir mit dieser Technik kurz vor dem
Serieneinsatz.“
„Bei der Tuning-Sünde geht es nicht um künftige RS-Modelle.“
„Was den Dinosauriern zum Verhängnis wurde, soll dem Audi Q7 E-tron
nicht passieren.“
Gemeint ist: Die Ursachen dessen (nämlich des hier nicht benannten Verhängnisses)
und nicht dieses selbst sollen dem Audi nicht passieren – nicht aber, was da mal so hingeschrieben steht.
„Plug-in-Hybride in der Klemme“
„Künftig soll es ein Dreizylinder wie im BMW i8 richten.“
(Joachim Becker / SZ „Mobiles Leben“ / Trendbericht zu Elektroantrieben)
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„ … setzt das animierte Scala-Orchester ein und malt das uranfängliche
Chaos als Tondichtungsgebrodel.“
(Brembeck, wer sonst? / SZ-Feuilleton / Premierenbericht Scala di Milano)
Zum Gesamttext dieser Rezensentenleistung: wieder mal ein echt Brembecksches
Ignoranz-, nämlich Pressdichtungsgebrodel – s. Nachträge /
Attacken / Brembeck)
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“In diesem Drecksloch eine Armee von
Musikern“
„ ... kein verdruckster Typ, eher massig, die Locken lang, das Einstecktuch
bunt, Präsenz wie ein Öltanker.“
„Die Wortkaskaden umspielen Abgründe“.
„ Aber der Hit sind Stangen für Handy-Selfies.“
„Heute spielen hier jene, die sich misstrauen.
„Die Menschen widersprechen einander, sie negieren sich.“
Hä? „einander“ oder „sich“? Also der eine den anderen, oder jeder sich selbst?
Auch eine Lösung: Beide Wortoptionen in einen Satz packen – und damit diverse Deutungsvarianten eröffnen. Man nennt es Kulturjournalismus.
„Die Stimmen wuseln durcheinander wie aufgeschreckte Tiere, hier
Klarinetten-Getümmel, dort unruhig rumorendes Horn. Wasfi dirigiert ausladend und anekdotisch.“
(Sonja Zekri / SZ-Feuilleton Ko-Chefin – auf gutem Wege zum
Brembeck-Style)
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Vom Über-Ich zum fiesen Es
„Wenn man mit dieser Szene im Hinterkopf in „La tēte haute“ sitzt, ist
es
erschreckend, welche devote Kehrseite dieser Film propagiert.“
Speziell dann. Sonst nicht?
„ … eines Sozialstaats, der die einzige Hoffnung auf ein besseres Leben
darstellt? Lauter kann man gar nicht mehr nach einer schützenden Mami flennen.“
„flennen“ – Klarer kann man gar nicht mehr seine
Neoliberal-Arroganz belegen.
„Dass Cannes-Zirkusdirektor Frémaux zwei Wettbewerbsfilme programmiert hat, die im Kampf um
die Goldene Palme wohl keine ernsthafte Konkurrenz darstellen werden, könnte man als Seufzer der Erfahrung auslegen. Weil die paar Tausend Fachbesucher und Journalisten in den
ersten 48 Stunden vor allem damit beschäftigt sind, sich auf der Suche nach Orientierung, Koffein und W-lan gegenseitig durch den Festspielpalast zu
schubsen.“
Jede Wendung ein Treffer. Und erhellend, um nicht zu
sagen: kenntlich.
“Für diesen Film hat er nun Teile des „Pentameron“ von Giambattista Basile verfilmt, einer
Märchensammlung aus dem 17. Jahrhundert: viele Intrigen, viel Sex, viel Witz und auch viele mutierte Insekten.“
Für diesen Film
verfilmt.
Doch dann beginnt der Schwurbel erst richtig:
„Wenn man den oberen Teil des Palastes mit seinen … Hallen für die
Pressekonferenzen als eine Art Über-Ich des Weltkinos begreift …“
Und warum sollte man sowas tun - ??
„ … dann ist der Marché du film“ das fiese Es des
Kinos.“
Klar. Vollkommen logisch.
„In diesem Jahr sind die Verkäufer an ihren Ständen noch ein bisschen
ralliger als sonst.“
Von dem Urheber solcher Gaga-Wortkunstmache ganz zu schweigen!
Dies alles und weit mehr liefert in
einem einzigen Cannes-Festival-Report
der Filmressort-Reporter David Steinitz,
SZ-Feuilleton.
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Kunst vom Gebrauchtwagenmarkt
„Automobil-ikonologisch gesprochen …“
„Wo Amerikas Rechte das Amerikanische als solches zunehmend exklusiv
versteht (exklusiv, also für sich allein? oder alleinstehend bzw.
-ständig? Dann
müsste es wohl heißen: „als exklusiv“),
sehen sie es in Dallas, jedenfalls bei
diesem Festival, entschlossen andersherum.“
Aha: Amerikas Rechte sehen das Amerikanische entschlossen
andersherum.
„Der camouflagefleckig bemalte Tarn-Sportflitzer des mexikanischen
Künstlers.“
„Denn patriotisch ist diese euphorische Haltung zur Einwanderung
natürlich auch, vielleicht sogar patriotischer als diejenigen, die immer
nach noch undurchdringlicheren Grenzen rufen.“
Noch undurchdringlicher als undurchdringlich geht nicht. „un-„ drückt eine Letzt-steigerung
im Negativen aus, wie das Wort „Unmöglichkeit“ etwa. Wenn etwas 'un-'
ist, kann es nicht noch „unner“ werden. Und eine Haltung kann nicht patriotischer sein als Leute, die rufen. Die haben ggf. eine – und zwar unangenehme – Haltung, welcher die apostrophierte
euphorische Haltung zur Einwanderung an Patriotismus überlegen sein kann. Ansonsten werden hier Äpfel durch Birnen kompariert – was zu vermeiden früher zum Basis-Rüstzeug von SZ-Redakteuren
gehörte..
(Peter Richter / Kunstausstellungsbericht / SZ-Feuilleton)
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Ragout de
cerveau.
Auch dem geschätzten Ressort Film (im seit Jahren hermetisch,
leser-fern/-fremd
und absonderlich-abgehoben sich spreizenden SZ-Feuilleton) wachsen offenbar
die Tastenvirtuosen zu, die am Shuttle-Style jenes anderen SZ-Ressorts, das einmal Visitenkarte des Blattes und vielbeneideter Ausweis international orientierten Spitzenjournalismus‘ war, ihre Lehr-,
resp. Leerprägungen finden: der Seite 3, jetzt
unter dem immer rotziger, alberner, blasierter, eitler sich ausstellenden Gorkow.
So in nervender Expansion der im Folgenden mit einem einzigen (weiteren) Beitrag
aus Cannes der „Filmautor“ Steinitz: Satzbau so beliebig wie ungeordnet. Satzaussage, Partizipien, Relationen, Anhänge, Parentesen in fröhlicher Wurstigkeit gerührt. Immer locker drauflos, mit
gossigem Unterton. Wie beim Gekritzel auf Klotüren.
„Das Ergebnis ist ein aufregender, intimer Blick in die Obsessionsfabrik
des Überregisseurs.“
„Letztlich ein weiterer Lückenbüßer, denn was die Zuschauer eigentlich
sehen wollen, und was ihnen dieses Jahr bislang verwehrt blieb: wie ein künftiger Klassiker der Filmgeschichte das erste Mal über die Leinwand flimmert – oder gleich
mehrere.“
„So wie zum Beispiel im Superjahrgang 2013, als ein opulentes Meisterstück … zwischen
zwei noch bezaubernderen Filmen zerrieben wurde.“
„Nachdem der Chinese Jia Zhangke daran scheiterte, die Pulsfrequenz der
Zuschauer mit seinem zärtlichen, aber zum Schluss zähen Melodram ‘Mountains May Depart‘ über eine Dreiecksbeziehung zwischen einem Mädchen und zwei Jungs, die sich über
Jahrzehnte erstreckt, zu erhöhen, gab Sorrentino allen Nostalgie-Süchtigen den Stoff, den sie brauchen.“
„In ‚Youth‘ tummeln sich alte Schauspiellegenden
…“
Schauspiellegenden können sich nicht tummeln. Gemeint sind
wohl
Schauspieler-Legenden?
„Damit man den Film sofort als Werk eines europäischen
Autorenfilmers erkennt,
gibt es natürlich sehr viele nackte Menschen, was der Handlungsort aber auch leicht macht.“
„Dort liegen Michael Caine und Harvey Keitel gemeinsam am Pool und leiden am Leben, an der Kunst und
daran, dass sie beim Urinieren nur noch ein paar Tropfen herausbringen.“
„Ein herrlicher Film also, wenn man zu sanftem Realitätseskapismus
und Melancholie neigt.“
(David Steinitz / SZ-Film / Bericht
vom Cannes Festival)
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Mal wieder ein Blick
zum Großmeister
Brembeck
Diesmal - SZ 8.12.2016 - zu Jacques Offenbach:
„Spotteten dessen Stücke einst die französische High Society (die bekanntlich eine
haute société war) in den Untergang, so blieb danach nicht sehr viel mehr übrig
davon als gutgelaunte Musik, die zuletzt im harmlosen Operettenbiedertum erstickte.“
Da haben wir wieder den ganzen Brembeck in einem Satz. Offenbachs Stücke
„spotteten die High Society in den Untergang“, boten „gutgelaunte Musik“, „erstickten“ im „harmlosen Operettenbiedertum“. So also ist das mit Offenbachs Unsterblichkeit – erstickt im Biedertum. Er
weiß nichts von Karl Kraus und seinen Analysen (schon gar nicht seinen Editionen und Nachdichtungen) zu Jacques Offenbach, schöpft wieder mal aus dem vielbewährten exklusiven Laberborn. Und zielt mit
notorisch flotter Lockerschreibe wie üblich haargenau am Sujet vorbei.
Dabei fällt noch eine nicht minder flotte Vorbeischreibe zum historiographi- schen Hintergrund (pardon,
auf Brembeckisch natürlich „Background“) ab:
Ich hatte gedacht, nicht die „französische High Society“, sondern die morsche Belle Epoque unter dem Parvenue-Empereur Bonaparte III sei es gewesen, die
da unterging, definitiv erledigt durch Bismarcks Preußen- & Verbündeten-Heere. Brembeck sieht sie „in den Untergang gespottet“, weil Musikbühnen-werke ja bekanntlich zu „spotten“ vermögen. So
einfach geht Geschichte.
Der Bescheidwisser spart auch weiter nicht mit Spezialwissen: Wir haben Offenbachs Orphée oft genug auf Bühnen erlebt und
von Tonträgern vernommen, um zu wissen, dass der Titelheld im Stück die Geige spielt – und werden nun gewahr, er sei ein Lyravirtuose. Seltsam, dass man in Offenbachs Partitur und Instrumentation vor
lauter Violinsoli so gar nichts davon hören kann. Dafür „erblühen die Holzbläser in mürber Melancholie“. Und „Säufergott Bachus“
(der im Werk nicht vorkommt, aber Brembeck ist ja ein ausgewiesener Fan des sog. „zeitgenössischen Regietheaters“, darum sei ihm auch dies konzediert), Bachus also „schlürft Gift wie Koks“ (den man
ja bekanntlich schlürft). Orpheus hingegen, der Lyraspieler, ist „der Misogynie ergeben“ (also der Weiberfeind-lichkeit anheimgefallen) und wird „nach Ende“ (nicht etwa am oder beim Ende) „des Stücks
dann von Bachus-Sympathisantinnen zerfetzt“. Wie das – nach Ende des Stücks – wohl inszeniert sein mag?
Noch weiter im Text? Regrettable:
Ich hab’s nicht bis zum Brembeckfinale geschafft. Es reicht dann auch
wieder für ein paar Monate.
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Auf der
Abwärtsbahn
Die Süddeutsche auf Akut-Parterreniveau – im Wochenend-Spam-Tivoli
Panorama: STYLE, Gesellschaft, Mode, Karriere, Mobil ….
Desperanto --- soweit herunterkommen kann ein Weltblatt, das einmal Seriosität und Anspruch verkörperte und sich nun en suite als Boulevard-Sumpfblüte aus-stellt, im
galoppierenden Niveauverlust nicht einmal mehr auf Sinn, Ausdruck, Sprache hält, nur noch darauf aus scheint, dass es kesselt und rülpst und gluckst und brunzt. Wie sich der alte Kurti eben die
Jugend und die Zukunftskultur vorstellt.
Grammatik, Rechtschreibung, Sinngehalt, Interpunktion – alles Hekuba, scheißegal. Die neue Leitlinie: Gorkow-Tonality? Jedenfalls eskaliert hier eine Müll- und Mistproduktion, die sich als
Nachweis von Zeitgemäßheit gebärden will.
Das ist in vollem Lauf, Steigerungen Tag für Tag und an Wochenenden ozeanisch. So wie hier – im SZ-Buch „Stil“. Man muss es ungekürzt genießen. Selbst im trendy Blattragout noch triumphiert
Tiefparterre-Perspektive. Mit adäquaten Mitteln: Zeit- und Ebenen-Wechsel nach Belieben. Bezüge wurscht. Folgerungen aus dem Nichts. Fälle und Beugungen frech gerührt, Wortbedeu-tungen gekillt. Jeder
kann es sehen, doch was soll’s? Nur die Tonality zählt.
Und zwar so: Zu einem Foto des US-Filmstars
und prominenten Scientologen
Tom Cruise im Jeans-Freizeitlook mit Cowboyhut, erschien am 13. Juni 2015 in
der SZ das Folgende:
Tom Cruise protzt mit
Jeans
"Herrje, ist das wirklich die aktuelle Version vom Tom Cruise? Ein leicht angesoffener
Barbecue-Daddy aus Texas? Man sieht regelrecht, wie er in der Minute nach diesem Foto die Hände zusammenpatschen wird und irgendwas mit Mundgeruch johlt. Dann wird er breitbeinig in ein viel zu
großes Auto einsteigen, wo die Klimaanlage das Hitzköpfchen ein bisschen herunterkühlen darf. So ist das mit den Jeanshemden – man landet damit sehr leicht in einer Ecke, in der es niemand verdient
hat zu landen. Das liegt daran, dass es ein enorm niedrigschwelliges Kleidungsstück ist und simple Gemüter im wahrsten Sinne anzieht. Hose, Jeans, Hemd Jeans und dazu ein Hut, der früher mal eine Kuh
war. Fertig ist der Cowboy, 365 Tage im Jahr und überall zwischen Itzehoe und Idaho. Wenn einer wirklich Pferde oder zumindest Rasenmäher durch die Gegend zieht, staplert, truckert oder schlachtet,
ist das Jeanshemd natürlich stimmig. Es ist urwüchsige Arbeitskleidung, die deswegen eben nicht zu akkurat gekrempelt, gefärbt oder gar mit zierlichen Knöpfen und Brusttaschen ausge-stattet sein darf
wie dieses Modell. Es muss eingetragen aussehen, wie auf dem Körper geblichen. Das gilt auch für die jungen, bärtigen Stadtholzfäller in Tokio, Toronto und Thalkirchen. Ihre Interpretation mit
Trucker-Cap, engen Hosen und Boots wirkt meist deutlich männlicher als die Cruise’sche Variante: Rodeo-Gürtel, eine obszön spannende Hose, spießige Brille, Porno-Requisiten, Americana für
Einfallslose. Die Brechung, bitte!"
MAX SCHARNIGG
Die „Brechung“ ist bereits
geliefert.
Grob gezählte 20 Fehlerhaftigkeiten: Falsche Bezüge, willkürliche Zeitwechsel,
Deklinations- und Konjugations-Ragout. Dazu mindesten fünf Behauptungen,
die sofort vom kommentierten Bildinhalt widerlegt werden. Weiter wilde Schwadronade ohne Logik oder Sinn. Und Deutsch kann der brillante Verfasser, den die Süddeutsche in ihrer Eigenwerbung
neuerdings als "Schriftsteller" positioniert, auch nicht, kennt u.a. nicht den Unterschied zwischen verblichen und gebleicht. Brillant. So
profiliert man sich heute als SZ-geeignete Edelfeder. Was mag der Leser davon haben? Andererseits: Warum sollte er sowas lesen?
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Media-Making morgen – Matters & Relevances
Wohin die Trends führen, von denen die sog. Qualitätspresse in dynamischem Prozess erfasst
ist – das offerieren längst die E-Medien, etwa aus den "Formaten", die im Kabarett als Unterschichten-TV verulkt werden, hingegen nachweislich gerade bei sog.
bildungsnahen Nutzergruppen Quote schaffen. Etwa so:
„mein RTL“
exemplarisch
Informationen aus der Sender-Pressestelle – für Printmedien, die sowas
als
Service in Druck übernehmen und ihre Leser damit als Insider ansprechen:
* für Mittwoch, 12. August 2015 – 20’15 &
21’15 Uhr
Die Bachelorette (D 2015 / 6)
Kaum hatte die Balz begonnen, da wollte einer schon wieder gehen.
Deniz
fühlte sich dem Druck nicht gewachsen. Dann fiel ihm aber ein, weshalb er gekommen war, und entschied sich zu bleiben. Seine Rivalen waren nicht amüsiert, besonders Katsche fand drastische Worte:
„Wenn du ein cooler
Typ bist, verpisst du dich auch.“ Offenbar ist Deniz uncool, er blieb. Dann
der nächste Angriff: Deniz säuselte im Vier-Augen-Gespräch mit Alisa, da
funkte Robbin wenig gentlemanlike dazwischen. Keine Frage, da haben sich frühzeitig schon zwei gefunden, nur nicht die Richtigen …
Adam sucht Eva
-
gestrandet im Paradies
(D 2015 / 5)
Drei Neue hat es auf die Insel gespült. William kommt aus München, stammt
aus Uruguay. „Eine Frau kann mit jeder Figur schön sein“, ist er überzeugt. Heike aus Bad Tölz wird "bei Männern mit langen Haaren schwach“. Johanna, Dritte im Bunde, bezeichnet sich als „kleines
Liebespaket, das weiß, was es will.“
Dazu noch ein Trend, der nicht aufzuhalten
ist.
HörZu – "Deutschlands erstes TV-Magazin" – bewertet das Nudisten-Paradies
von RTL in der Spalte „Flops“ (faktisch animierend) so:
„O MANN! Die Sonne brennt, der Sand ist heiß. In 'Adam und Eva' gurren
am Karibikstrand drei weibliche Nackedeis um den Stuttgarter Stenz Gaetano.
Der zeigt, was er hat. Und zwar alles. Am Ende gewinnt die Blondine.
Leider nur komisch, bieder und unsexy.“
Medienkritik trendy: Nackte Stenze im TV, die alles zeigen, was sie haben,
dies aber leider nicht sexy genug.
Die Trendy-Schreiber*innen bei den hochauflagigen Programm-Trendmedien bauen diesen Trend überhaupt erst noch aus. Von der Kuppel-Show übers Nackt-Gurre-Paradies hin auf
alle Felder scheinbar biederen Family-Entertain- ments –
so im Extra-Nerv-„Format“ Kochshow. HörZu an Ostern 2017
so:
‚Grill den Henssler‘ – diesmal mit einem gewissen Giermann:
Die neue
Kocharena
Der preisgekrönte Max Giermann schlüpft gern in fremde Rollen. Wie schlägt er sich als
Starkoch?
Unterstützt von Koch-Coach Ali Güngörmüs – Sternekoch
und langjährig Küchenchef des Hamburger ‚Le Canard‘ – wagen sich Moderatorin Frauke Ludowig, Komiker Max Giermann sowie
Sänger Pietro Lombardi ins Grill-Duell mit Steffen Henssler. Sind die prominenten Hobbyköche talentiert und tapfer genug, um den Koch-King vom
Thron zu
stürzen? Die Jury: Manager Reiner Calmund, Star-Sommelier Gerhard Retter und Sterneköchin Maria Groß.
Herr Ober, bitte eine Portion Natron!
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K.K. hat alles voraus gewusst:
Am Anfang war die Presse / und dann erschien
die Welt.
Im eigenen Interesse / hat sie sich uns gesellt.
Wenn auch das Blatt die Laus hat / die Leser gehn' nicht aus,
Denn was man schwarz auf weiß hat / trägt man getrost nach Haus.
Sie lesen, was erschienen. / Sie denken, was man meint.
Noch mehr lässt sich verdienen, / wenn etwas nicht erscheint.
...
Wir schreiben oder schweigen, / ob jeder auch zerspringt,
Wenn uns nur unser Treiben / was bringt.
Die Zeit lernt von uns Mores. / Der Geist ist uns zur Hand.
Denn als Kulturfaktores / sind wir der Welt bekannt.
Wir dringen, bringen, schlingen / uns in das Leben ein.
Wo sie den Wert bezwingen, / erschaffen wir den Schein.
(1921 / Ø
)